Weihnachten fern von daheim: Manche Sachsen verbringen das Fest der Familie weit weg
Dresden - Alle Jahre wieder leuchtet zu Weihnachten auf dem Dresdner Striezelmarkt der Tannenbaum. Pyramiden drehen sich und der Duft von Glühwein schwängert die Luft. Doch nicht alle Sachsen können das Fest der Liebe zu Hause gemeinsam mit ihren Liebsten feiern. Manche müssen an Heiligabend durch die Welt düsen oder ihre Geschenke an fremden Stränden oder gleich am anderen Ende der Welt auspacken. Wir erzählen drei Weihnachtsgeschichten über ein Fest fernab der Familie - zu Land, zu Luft und auf der See.
Weihnachten unter Palmen in der Südsee - eine Traumvorstellung für so manchen, der unter dem Schmuddelwetter im Advent leidet: Geschenke auspacken am Strand, Cocktails statt Glühwein schlürfen und der Weihnachtsmann kommt in Badehose zur Bescherung.
Die Dresdnerin Nicole Fuchs (41) erlebt Weihnachten genau an diesem Sehnsuchtsort, doch sie sagt: "Ich wäre zum Fest lieber zu Hause in der Heimat, würde auf dem Striezelmarkt gern Kräppelchen, Quarkkrapfen und gebrannte Walnüsse naschen."
Stattdessen feiert Nicole mit ihrem Freund in ihrer Wahlheimat Rarotonga, der größten der 15 Cookinseln im Südpazifik. Dorthin ist die studierte Kommunikationsdesignerin, die in Neustadt/Sachsen und Dresden aufwuchs, vor knapp zwölf Jahren ausgewandert - der Liebe wegen: "Im Jahr 2010 habe ich meinen Freund in Paris kennengelernt. Er ist zu je einem Drittel Schotte, Tahitianer und Rarotonganer, wuchs auf den Cookinseln auf."
Mit Kahiki Tehaamatai (42) pendelte sie zwischen Frankreich und Deutschland, doch Kahiki plagte das Heimweh nach seinen Sonneninseln. Immerhin ist der Musiker im Südpazifik als Komponist und Produzent ein kleiner Star, spielt akustische und E-Gitarre.
Diesmal wird mit Freunden aus dem deutsch-schweizerischen Freundeskreis gefeiert
Nicole ließ sich aus Neugier vom Reisefieber anstecken, zog mit zwei Koffern und Kahiki nach Rarotonga. Dort wohnen sie in Kahikis Elternhaus am Strand direkt an einer Lagune - und damit mitten in einer Postkartenidylle. Doch die bekommt ausgerechnet zum Fest der Liebe Risse: "Das gemütliche Zusammensein mit meiner Familie an den Adventssonntagen fehlt mir enorm."
Nach den zwei Corona-Jahren kann sie über Weihnachten schon wieder nicht mit ihnen zusammen sein. "Im Februar 2026 steht ein medizinischer Check-up in der Heimat an, da war ein zusätzlicher Flug vorher aus Budgetgründen nicht drin."
2015 waren ihre Mutter, Tante und Onkel sogar zu einem Weihnachtsbesuch auf Rarotonga. "Da gab es dann Lammbraten", erzählt sie. Diesmal wird mit Freunden aus dem deutsch-schweizerischen Freundeskreis gefeiert und Kahiki tritt live bei einem Christmas-Event auf.
"Den Weihnachtsbaum mimt diesmal unser Hund Ludo (2), ein Mix aus Corgi-Staffordshires-Bullterrier. Er hat ein Weihnachtskostüm von H&M bekommen", erzählt Nicole: "Unser letztes Räucherhäuschen aus Metall hat allerdings den Geist aufgegeben, ist durchgerostet. Da müssen wir die Original-Knox-Räucherkerzen aus dem Erzgebirge eben auf einer Untertasse anzünden."
Nicole erklärt die typisch polynesische Kochmethode
Statt großer Geschenke ("hier gibt's nicht wirklich viel Auswahl und alles aus Übersee kostet locker das bis zu Vierfache") steht "Kai" (Māori-Wort für "Essen") auf dem Festprogramm.
"Während es zu Hause immer traditionell Wiener und Kartoffelsalat zu Heiligabend und Gans mit Klößen zum ersten Weihnachtsfeiertag gibt, bauen wir hier einen Umu auf", erzählt Nicole und erklärt die typisch polynesische Kochmethode.
"Loch in die Erde graben, Vulkansteine rein, anfeuern, dann die Zutaten eingewickelt in Bananenblätter drauflegen - Steaks, Würstchen, mariniertes Hühnchen, Lamm aus Neuseeland und lokaler Kürbis, der mit frisch gepresster Kokosmilch gefüllt wird. Dann kommen wieder Bananenblätter drüber und alles wird zugeschaufelt. Nach acht Stunden ist das Essen fertig."
Zum Umu-Barbecue werden Tarowurzeln, Kumara (Süßkartoffeln) und Maniotawurzel gereicht. "Oder meine heißgeliebte Kuru. Die Brotfrucht wird ins Feuer gelegt, bis sie schwarz ist und dann geschält - ein Wahnsinnsgeschmack wie eine Art Brot. Ich mache dann immer die hier sündhaft teure Butter drauf. 400 Gramm kosten acht Euro!"
Oft gibt es auf den Cooks auch noch pinken Kartoffelsalat als Sättigungsbeilage. So sieht der Weihnachtsschmaus auf den Cookinseln aus.
Diese Weihnachten ist Schwitzen angesagt!
Wenn man sich am anderen Ende der Welt den Bauch zum Fest auch so lecker vollschlagen kann wie bei uns - Nicoles Sehnsucht nach heimischen Gefilden bleibt: "Ich liebe den Winter, vermisse Kälte und Schnee, gehe gern wandern in der Sächsischen Schweiz. Bei 35 Grad kommt einfach keine Weihnachtsstimmung auf wie in Deutschland."
Doch diese Weihnachten ist Schwitzen angesagt! Sie empfängt zudem Urlauber aus Tahiti und Kanada in ihrer Ferienwohnung, die Weihnachten abseits der Heimat und bewusst im Warmem feiern wollen.
Und wer weiß, vielleicht läuft Nicole wieder wie an Heiligabend 2021 ein Küken am Strand über den Weg: "Das kleine Hähnchen war mutterseelenallein, wir päppelten es auf und nannten es Oskar."
Für Oskar ein kleines Weihnachtswunder.
Plastikbäume und Bier am Strand
Die Weihnachtszeit auf den Cookinseln fällt genau in die Regen- und Zyklonzeit. Es ist schwülheiß bei Temperaturen über 30 Grad. "Schon ab Anfang Dezember bis Anfang Januar läuft hier gar nix mehr auf den Inseln", erzählt Nicole.
Familienangehörige aus Australien und Neuseeland, wo viele Cook Islander leben und arbeiten, kommen zu Weihnachten ebenso zu Besuch wie von den äußeren der insgesamt 15 Cook Inseln.
"In Strandnähe werden überall Zelte samt Matratzen und Hausstand aufgeschlagen und mit sehr viel Alkohol und Christmas Ham - eine Art Schinken - gefeiert. Einige haben Plastikbäume zu Hause und quietschbunte Lichterketten blinken. Im lokalen Radio laufen die Weihnachtsklassiker."
Heiligabend ist ein normaler Tag. Geschenke gibt's ab dem 25. Dezember.
Über den Wolken statt "Vom himmel hoch ..."
Mieszko Stefanski (20) verlebt ein himmlisches Weihnachtsfest - und das im wahrsten Sinne! Denn der 20-jährige Radebeuler verbringt die Feiertage hoch über den Wolken in einem Airbus A 320 von Sundair. Als Flugbegleiter bringt er dabei jeweils 180 Passagiere in der Kabine nach Mallorca und auf die Kanaren, die dort als Fest-Flüchter lieber weit weg von der Heimat feiern wollen.
Mieszko versüßt ihnen die Anreise in knapp zwölf Kilometer Höhe mit Getränken, Snacks und immer auch mit einem Lächeln. Er hilft beim Gepäck verstauen in den Fächern und ist wohl der Einzige an Bord, der Spaß an Turbulenzen hat. "Das fühlt sich immer wie Achterbahnfahren an - einfach toll", schmunzelt er. "Ich kenne zudem inzwischen die Piloten, das hilft, Vertrauen aufzubauen."
Zu Weihnachten werden die Passagiere ganz besonders begrüßt und bei der Verabschiedungsansage in eine frohe Weihnacht geschickt. "Tatsächlich wird auf Flügen vermehrt Tomatensaft bestellt - auch zu Weihnachten", hat er bemerkt.
Das liegt jetzt bestimmt nicht an der roten Farbe wie der von Weihnachtszipfelmützen, sondern am veränderten Geschmackserlebnis im niedrigeren Luftdruck und bei geringerer Luftfeuchte in der Kabine.
Weihnachten 2025 ist für den 20-Jährigen wie jeder andere Tag
"Die Geschmacksknospen reagieren durch den Druckunterschied weniger intensiv, sodass Tomatensaft mit Salz und Pfeffer plötzlich viel würziger und nicht so muffig wie auf dem Boden schmeckt", erklärt Mieszko.
Der gebürtige Leipziger (dort wohnen heute noch seine Großeltern) zog als Vierjähriger nach Radebeul und hat dort vergangenes Jahr sein Abi am Lößnitzgymnasium gemacht. Er wollte eigentlich Journalistik studieren und Sportreporter werden. Doch dann stolperte er über eine Anzeige bei Social Media, in der Sundair nach Flugbegleitern suchte.
"Ich dachte mir, keine schlechte Idee, nach dem Abi erst mal zu arbeiten und Geld zu verdienen. Ich habe mich also spontan beworben und wurde nach einem Auswahlverfahren in Berlin gleich für die Ausbildung angenommen." Der Englischtest war bei Abi-Note 1 kein Problem. "Außerdem spreche ich auch noch Französisch und Polnisch, weil meine Mutter Polin ist."
Während seine Passagiere an den Zielflughäfen meist von Familie oder Freunden für gemeinsame Festtagsfeiern empfangen werden, fühlt sich Weihnachten 2025 für den 20-Jährigen wie jeder andere Tag an.
Zwischen Berlin und Gran Canaria
Tagsüber ist er in der Luft, abends wieder an seiner Heimatbasis. Unter seinem kleinen Christbaum zu Hause muss er dann selbst in Weihnachtsstimmung kommen. Kirchenbesuch und Gänsebraten fallen aus.
Am 27. Dezember hebt er schon wieder ab, pendelt zwischen Berlin und Gran Canaria. "Aber nach den Feiertagen fahre ich mit meiner Mutter von Radebeul zu ihrer Familie nach Polen." Dort feiert man ganz speziell Weihnachten (siehe Kasten).
Zum Fest kann sich Mieszko vielleicht wieder als helfender Weihnachtsmann wie zuletzt bei einem Ferienrückflug von Rhodos nach Leipzig beweisen: "Da flog ein Leipziger mit, der aus einem Tierheim auf Rhodos einen Hund adoptiert hatte. Der Vierbeiner sollte in einer Hundetransportbox im Frachtraum mitfliegen."
Doch dann fiel auf: In der Box gab es keinen Wassernapf. "Ich bin dann mit dem Besitzer zum Gepäcktransportband gelaufen und habe dem Hund einen Napf sowie eine Decke in die Box gebracht." Das war ein Fest für Hund und Herrchen.
Viel zu essen, doch ein Platz bleibt leer
In Polen kommen zu Heiligabend zwölf verschiedene Fastengerichte auf den Tisch (symbolisieren die 12 Apostel) - von roter Barszcz- oder Pilzsuppe bis Karpfen, Kohl mit Pilzen, Knödel mit Mohn bis Leb- und Käsekuchen.
"Jeder muss von allem probieren", erzählt Mieszko. "Außerdem wird die Weihnachtstafel immer für eine Person mehr eingedeckt als anwesend sind, um jederzeit auf einen unerwarteten Gast vorbereitet zu sein", erklärt Mieszko.
"Unsere Weihnachtstradition beginnt jedoch mit dem gemeinsamen Teilen einer rechteckigen Oblate, die mit Honig bestrichen ist. Dabei wünscht man sich alles Gute zum neuen Jahr."
Geschenke gibt es traditionell erst nach der Mitternachtsmesse.
Ahoi statt Ho, ho, ho!
Für Sarah Eichelbaum (30) aus Naunhof (bei Leipzig) ist das Weihnachtsfest eher ein Großkampftag als besinnliche Zeit zum Abschalten. Zu Weihnachten zupft jeder aus ihrer weit verflochtenen Patchworkfamilie an ihr, um ein paar Stunden der besinnlichen Tage mit ihr gemeinsam ergattern zu können.
"Dann besuche ich nicht nur meine Eltern, die Großeltern und meine drei Geschwister, sondern auch Urgroßopi Dieter, der gerade 90 Jahre alt geworden ist. Bei Oma Martina kommt traditionell Gans mit Rotkraut und ihren selbstgemachten leckeren Klößen auf den Tisch." Familienfreude pur, doch manchmal mehr Hetze als Herzlichkeit. Besinnlich und geruhsam sieht anders aus.
Statt Verwandschafts-Hopping steht dieses Jahr Insel-Hopping auf Sarahs Festprogramm. Sie hat getauscht - heimatlichen Glühweinduft gegen Seeluft. Denn Sarah arbeitet über Weihnachten auf der "Mein Schiff 7" - einem schwimmenden Arbeitsplatz: 316 Meter lang, 36 Meter breit und an Heiligabend etwa 3500 Kilometer Luftlinie von Sachsen entfernt.
Während ihre Großfamilie in Leipzig diesmal ohne Sarah unterm Tannenbaum Geschenke auspackt, schippert sie zwischen Lanzarote (Kanaren) und Agadir (Marokko) bei einem Seetag über den Atlantik. Anschließend geht das Schiff auf mehreren kanarischen Inseln vor Anker.
Ozeanriese hat sich längst in ein Weihnachtsschiff verwandelt
Als Vize-Chefin für die Organisation von Landausflügen (offizielle Offiziers-Dienststellung: Assistant Shore Excursion Manager) ist Sarah auf dem Schiff für ein 18-köpfiges Team von Tour- und Fahrrad-Guides verantwortlich. Die teilt sie als Tourenführer für exotische Exkursionen zu Land und Leuten sowie auf Radtouren in fernen Gefilden ein und organisiert Busse in Zusammenarbeit mit den örtlichen Ausflugsagenturen, Restaurantbesuche und ordert Eintrittstickets für Kreuzfahrtgäste.
Doch bevor es am 25. Dezember wieder auf Landgang in Marokko geht, wird an Heiligabend im Atlantik-Restaurant der typische Weihnachtsbraten mit Kartoffeln und Rotkraut kredenzt. "Zur Feier des Tages begleiten wir Offiziere in Uniform und eleganten Jacketts die ebenfalls festlich gekleideten Gäste zu ihren Tischen, geben ein Gläschen Sekt aus."
Der gesamte Ozeanriese hat sich längst in ein Weihnachtsschiff verwandelt. "An Bord ist alles festlich geschmückt. An der Rezeption auf Deck 3 steht ein großer Weihnachtsbaum und auf dem Pooldeck eine große Lichtinstallation in Form einer riesigen Christbaumkugel", erzählt Sarah.
"Oh, es riecht gut - oh, es riecht fein" wird bei der Weihnachtsshow im Schiffstheater nicht nur gesungen, sondern ist das Motto während der gesamten Weihnachtstour.
Nur eines fehlt
Sarah: "In der Küche werden Plätzchen gebacken, es gibt Pfefferkuchen und selbstgemachten Stollen." Auf dem Sonnendeck wird allwöchentlich sogar ein kleiner "Striezelmarkt" aufgebaut mit Weihnachtsknabbereien aus Sarahs Heimat: Kräppelchen (für alle Nicht-Sachsen als "Schmalzgebäck" angepriesen), Pfefferkuchen und natürlich Glühwein. Einziger Unterschied zum Dresdner Original: Der Weihnachtsmann trägt hier bei 25 Grad Badehose.
Sarahs eigenes Weihnachtsmenü kommt später in der Crew-Messe oder bei der kleinen Teamfeier im Büro auf den Tisch. Die Crew wichtelt auch. "Weil ich Schildkröten liebe und sammele, bekomme ich meist Stifte, Radiergummis oder Brillenetuis mit Schildkröten geschenkt." Einziger Weihnachtskontakt mit der Familie in Leipzig: Videoanrufe und Handyfotos mit Festtagsgrüßen.
"Im Februar bin ich dann wieder zu Hause, dann wird Weihnachten nachgefeiert", verspricht Sarah. Die Geschenke für die Familie hat sie schon bei ihrer jüngeren Schwester Sophie (24) in Auftrag gegeben. Sarah selbst wünscht sich diesmal neben netten Stunden bei den Liebsten daheim etwas finanzielle Unterstützung, "damit ich Ende 2026 mit einer Freundin vom Schiff in einen Australien-Urlaub starten kann".
Noch öffnet sie in ihrer Crewkabine Tag für den Tag den Adventskalender und zählt die Tage bis Heiligabend. Vor ihrer Kabinentür wartet das schwimmende Weihnachtsland. Nur eines fehlt: Spekulatius. "Deshalb habe ich mir die Plätzchen von zu Hause mitgebracht", verrät Sarah und lässt sich bis zur Bescherung die leckeren Weihnachtssouvenirs aus der Heimat schmecken.
Auf den Kanaren gibt's Geschenke erst später
Das Schiff geht auf der Weihnachtstour auch in Teneriffa und Gran Canaria vor Anker. Wie wird auf den Kanaren Weihnachten gefeiert?
An "La Nochebuena" (Heiligabend) sitzen die Canarios besinnlich beim gemeinsamen Familienessen. Obligatorisch im geschmückten Esszimmer: eine Krippe mit dem Jesuskind. Schlag Mitternacht geht es in die Christmette "Misa de Gallo" (Messe des Hahns).
Immerhin soll der Hahn laut Legende der erste Zeuge von Jesu Geburt gewesen sein und die frohe Kunde in die Welt getragen haben. Am ersten Weihnachtsfeiertag steht traditionell das "Comida de Navidad" (Weihnachtsessen) an, zu dem auch viele von den Inseln abgewanderte Canarios extra einfliegen.
Höhepunkt der Weihnacht ist erst am Tag der Heiligen Drei Könige am 6. Januar. Dann bringen Kaspar, Melchior und Balthasar endlich die Geschenke.
Titelfoto: Bildmontage: privat, privat/Stefanski, privat

