Wo alle Fäden zusammenlaufen: Das ist die letzte Leinenweberei in Sachsen

Neukirch - Auf und ab rattern die Schäfte des Webstuhls, der "Schützen" schießt hin und her. Zentimeter um Zentimeter wachsen die Stoffbahnen auf den Maschinen, die zum Teil noch aus DDR-Zeiten stammen. Doch die Tradition der Leinenweberei Hoffmann reicht noch weiter zurück. Seit 1905 wird am Standort in Neukirch/Lausitz produziert. Mittlerweile ist die Leinenmanufaktur die einzig noch verbliebene in Sachsen und auch eine der wenigen in Europa. Sie gehört zu den "Letzten ihrer Art".

In der Leinenmanufaktur Hoffmann arbeiten etwa 20 Mitarbeiter.
In der Leinenmanufaktur Hoffmann arbeiten etwa 20 Mitarbeiter.  © Norbert Neumann

Vom 17. bis 19. Jahrhundert war die Oberlausitz ein bedeutendes Zentrum der Leinenweberei und die deutsche Hochburg - insbesondere Großschönau - für die Herstellung des hochwertigen Damasts, den auch das sächsische und englische Königshaus zu schätzen wussten.

Der glänzende, gemusterte Stoff entsteht durch die spezielle Webtechnik der Atlasbindung. Mit der Gründung im Jahr 1905 durch den Fabrikanten Karl-Gustav Schulze und den Kaufmann Martin Hoffmann begann auch in der Leinenweberei in Neukirch die Produktion der edlen Stoffe.

Auch 120 Jahre später rattern noch die Webstühle, unbeirrt von Wendungen in der Geschichte der Manufaktur, ohrenbetäubend laut im Websaal, in dem Gewebeflusen durch die Luft schweben. Etwa 30 Webstühle für verschiedene Webtechniken und Anwendungen stehen hier.

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Fast hat die Halle musealen Charakter. Schützen-Webstühle aus dem Jahr 1965 sind noch im Betrieb. Ihre Spezialität: Stoffe mit einer festen Kante weben. "Die werden nicht mehr hergestellt. Deshalb müssen wir sie hegen und pflegen", erklärt Ute Czeschka (56), verantwortlich für Marketing und Vertrieb.

Bis zu 60.000 Meter Stoff pro Jahr

Marketingchefin Ute Czeschka (56) möchte die Leinenweberei in der Öffentlichkeit bekannter machen.
Marketingchefin Ute Czeschka (56) möchte die Leinenweberei in der Öffentlichkeit bekannter machen.  © Norbert Neumann

Ebenso eine alte Jacquardmaschine, die noch mit traditionellen Lochkarten arbeitet. Eine modernere, digital gesteuerte Maschine wird sie jedoch bald ablösen.

"Wir übertragen gerade die alten Lochkartenmuster und sind dann schneller und flexibler im Weben unterschiedlichster Designs", sagt Czeschka.

Gewebt wird allen voran Rein- und Halbleinen, aber auch spezielles Frotteeleinen. Bis zu 60.000 Meter Stoff pro Jahr. "Wir legen Wert auf Nachhaltigkeit. Deshalb weben wir am liebsten reines Leinen", erklärt die Marketingmanagerin. Der Flachs fürs Garn wächst in Europa, genauer in Nordfrankreich, Belgien und auch den Niederlanden.

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Dort regnet es ausreichend oft. "Aus diesen Regionen haben wir schon immer unser Garn bezogen." Von dort kommt es fertig gebleicht oder gefärbt nach Sachsen. Czeschka: "Das macht es farbstabiler, als wenn wir das Gewebe am Ende selbst einfärben."

Ein Beruf, den es so heute nicht mehr gibt

Diese alte Jacquardmaschine webt Damast-Stoffe noch anhand von Lochkarten.
Diese alte Jacquardmaschine webt Damast-Stoffe noch anhand von Lochkarten.  © Norbert Neumann

Die Garnrollen werden zunächst in der Schärerei auf einem Spulengatter eingehängt. Von dort laufen die Fäden systematisch zusammen und erzeugen ein Schärenband, das auf eine Schärentrommel und von dort auf den sogenannten Kettbaum gewickelt wird.

Dieser wird schließlich im Webstuhl eingehängt und die Fäden einzeln im Webstuhl durch die Litzen der Schäfte gefädelt. Eine ganz schöne Friemelei. "Das Einrichten eines Webstuhls dauert Minimum mehrere Tage, teils auch Wochen", erklärt sie.

Durch Auf-und-ab-Bewegung der Schäfte entsteht schließlich eine Spreizung zwischen den Kettfäden, durch die der Schussfaden eingeschossen wird und so die Fäden miteinander verwebt. Reißt ein Faden, ist Kathrin Amberg (57) zur Stelle.

In Handarbeit verbindet sie die Enden mit einem speziellen Weberknoten, den man später nicht mehr sieht. Seit 25 Jahren arbeitet sie als Weberin.

Ein Beruf, den es so heute nicht mehr gibt. Stattdessen werden Maschinen- und Anlagenführer im Betrieb speziell angelernt.

Weberin Kathrin Amberg (57) sorgt für die reibungslose Produktion im Websaal.
Weberin Kathrin Amberg (57) sorgt für die reibungslose Produktion im Websaal.  © Norbert Neumann

Ein zweites Standbein sind technische Spezialgewebe

Bloß nicht verfitzen! In der Schärerei werden viele kleine Garnrollen auf eine große Rolle übertragen.
Bloß nicht verfitzen! In der Schärerei werden viele kleine Garnrollen auf eine große Rolle übertragen.  © Norbert Neumann

In der hauseigenen Konfektion werden aus den Naturstoffen schließlich Tücher für Küche, Bad und Wellness sowie Tisch- und Bettwäsche handgenäht. "Wir gehen gern auch auf individuelle Kundenwünsche ein und bieten Maßanfertigungen an", betont Czeschka.

Auch Hohlsaum und Monogramm-Stickerei seien möglich. Ein zweites Standbein sind technische Spezialgewebe. "Wir können Spezialgewebe entwickeln und für die Kunden herstellen", sagt sie.

Abnehmer ist zum Beispiel ein Tragetuchhersteller. Denkbar wären aber auch Kunden im Automobilbau oder der Medizintechnik.

"Da sind wir gerade dabei, ein Netzwerk aufzubauen", blickt Ute Czeschka optimistisch in die Zukunft des Traditionsunternehmens, das hoffentlich noch lange dieses alte Handwerk bewahrt.

Infos & Onlineshop: leinenweberei-hoffmann.de.

Im Werksverkauf (montags bis freitags von 8.30 bis 15.30 Uhr) erhalten Kunden 10 % Rabatt gegenüber dem Onlineshop.
Im Werksverkauf (montags bis freitags von 8.30 bis 15.30 Uhr) erhalten Kunden 10 % Rabatt gegenüber dem Onlineshop.  © Norbert Neumann

Termine

In der Konfektion erfüllt Näherin Dariia Liadava (23) auch besondere Kundenwünsche.
In der Konfektion erfüllt Näherin Dariia Liadava (23) auch besondere Kundenwünsche.  © Norbert Neumann
  • Am 13. (10-17 Uhr) und 14. September (10-16 Uhr) feiert die Leinenweberei Hoffmann ihr 120-jähriges Jubiläum mit Tagen der offenen Tür. Eingebettet in den Tag des offenen Denkmals kann man einen Blick hinter die Kulissen werfen.
  • Am 4. und 5. Oktober präsentiert sich die Leinenweberei beim ersten Textil.Markt.Crimmitschau in den historischen Produktionshallen der Tuchfabrik Gebr. Pfau in Crimmitschau.
  • Vom 5. bis 7. Dezember ist die Weberei beim Weihnachtsmarkt mit Handwerkskunst, Kultur und Genuss auf Schloss Wackerbarth dabei.

Vielseitiges Leinen

Weberin Madlen Hildebrandt (52) schaut bei der Qualitätsprüfung ganz genau hin.
Weberin Madlen Hildebrandt (52) schaut bei der Qualitätsprüfung ganz genau hin.  © Norbert Neumann

Leinen ist eine langlebige, recycelbare Naturfaser, die ohne den Einsatz von Pestiziden und mit minimalem Wasserverbrauch wächst. Alles von der Pflanze kann verwertet werden.

Aus den Samen wird Leinsamenöl gewonnen, aus den Faserresten werden Dämmstoffe gefertigt. Materialien aus Leinen sind luftdurchlässig. Dadurch kühlen sie bei Hitze.

Leinen kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Es ist reißfest, strapazierfähig und wird mit jedem Waschen weicher und schöner.

Außerdem ist der Stoff antibakteriell und deshalb gut für Allergiker geeignet.


Titelfoto: Bildmontage: Norbert Neumann (2)

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