Das Dynamo-Trainingslager-Tagebuch: Der Geist von Belek

Belek (Türkei) - Es ist Belek-Zeit! Die Mannschaft von Dynamo Dresden bereitet sich mal wieder am kleinen türkischen Örtchen am Golf von Antalya auf die restliche Saison vor! TAG24-Reporter Thomas Nahrendorf ist für Euch vor Ort und führt Tagebuch.

Für Euch in Belek: TAG24-Reporter Thomas Nahrendorf.
Für Euch in Belek: TAG24-Reporter Thomas Nahrendorf.  © TAG24

Genau wie im vergangenen Jahr machen sich die Dynamos auch 2024 in Belek (Türkei) für die restliche Saison fit.

Belek liegt direkt am Golf von Antalya im Süden des Landes, welches Europa und Asien verbindet.

Mit etwa 9000 Einwohnern ist es eigentlich ein beschauliches Örtchen, wenn da nicht die vielen Hotels wären. In einem dieser Touristen-Bauten am Ortsrand finden die Schwarz-Gelben aber die perfekten Bedingungen für eine ebenso perfekte Vorbereitung.

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Dynamo Dresden Dynamo-Fans hängen Zaunfahne über Fluchttor: Mega-Unterbrechung in Unterhaching

Letztes Jahr gelang nach Belek immerhin eine grandiose Aufholjagd, auch wenn der Aufstieg in die 2. Bundesliga unglücklich verpasst wurde.

Auch TAG24-Reporter Thomas Nahrendorf hat sich in den Süden begeben, um über sein Tagebuch Einblick in den Dynamo-Alltag zu gewähren.

11. Januar, 6.05 Uhr: Der Geist von Belek

Der Geist von Belek. Ich habe ihn gesehen. Täglich. Abends. An der Bar, wenn ein Hansa-Fan nach dem anderen vom Barhocker fiel und dann entgeistert aufschlug.

Wie normal waren da die Dynamo-Anhänger, die mit in unserem Hotel wohnten...

Zurück zum Geist von Belek: Diesen wollten die Dynamos wieder beschwören. So wie im Dezember 2022, als alle in der Türkei zusammenrückten und den Startschuss gaben für das, was im Jahr 2023 passierte. Selber Ort, selbes Hotel, sogar die selbe Etage. Dresden machte alles wie damals. Um das zu erreichen, was einst gelang.

Dynamo entwickelte Teamgeist, spielte eine herausragende Rückrunde, scheiterte nur knapp. Das soll nun ab dem 20. Januar wieder so werden - mit Ausnahme des Scheiterns.

Ich habe hier eine Mannschaft erlebt, die intern von der Nummer Eins bis zum Zeugwart zusammenhält, die eingeschworen ist. Jeder kennt seinen Platz, seine Aufgabe. Jedem wird das Gefühl gegeben, wichtig zu sein. Und genau das ist wichtig.

Der Geist von Belek lebt!

10. Januar, 6.23 Uhr: Moderner Sklavenhandel

Wenn es sich hier im Camp um Oliver Batista Meier (22) dreht, dann gehen meine Gedanken immer mal ins alte Rom und dann transportiere ich das in die Neuzeit. Was mit ihm passiert, ist nichts anderes als moderner Sklavenhandel - mal etwas drastisch ausgedrückt.

OBM gehört Dynamo, spielte zur Leihe in Verl, machte das gut und wurde per Option zurückbeordert. Um einen Konkurrenten zu schwächen, eventuell um sich selbst zu verstärken oder ihn möglicherweise zu verkaufen. Schließlich hat er mit 19 Scorer-Punkten in 20 Spielen seinen Marktwert nach oben geschraubt.

Der Verein wartet nun ab, ob sich ein Käufer findet. Das ist der Fußball in unserer heutigen Zeit, zu dem auch die Profis irgendwann ja gesagt haben. Es geht um Geld, es geht um Verstärkungen, es geht um Machtpositionen. Um was es definitiv nicht geht, ist der Mensch an sich.

Gern hätte ich Batista Meier zu all dem selbst gefragt. Wie sieht er das Ganze? Was möchte er? Wo sieht er sich selbst? Wie geht er damit um? Durfte ich nicht.

7. Januar, 6.24 Uhr: Adnan und der Tee

Adnan heißt er, ist Friseurmeister. Aus Nürnberg! Vor 30 Jahren zog er von Belek ins Frankenland, im Januar fliegt er heim, hilft seinen Eltern im Laden. Ihn traf ich, als ich in der Altstadt das Auto abstellte und eigentlich flanieren wollte.

Ich kam zehn Meter, dann bot er mir einen Tee an. Adnan begann zu plaudern, wie sehr sich die Türkei in den letzten drei Jahrzehnten am Mittelmeer von einem Dritte-Welt-Land, wie er sagte, zu einem Touristen-Mekka entwickelt hat. Er stand auf, zeigte auf die Hotels: "Als ich ging, waren es sechs oder sieben, jetzt sind es über 80."

Die Familie lebt vom Tourismus. Aber sie wird sich umstellen müssen. Der Klimawandel! Belek ist im Januar so voll wie noch nie. Winter- und Osterferien seien seit zwei Jahren der Renner. Dann ist es noch nicht so heiß. "Im Juli und August hältst du es nicht mehr aus. Da sind hier bis zu 50 Grad. Grün gibt es da nicht mehr, alles ist verdorrt. Es verschiebt sich viel auf Frühjahr und Herbst", sagt er.

Als ich meinen dritten Tee ausgetrunken hatte, ging ich. Zum Flanieren fehlte nun die Zeit.

7. Januar, 6.24 Uhr: Moderne Auswüchse

Die Minuten nach dem Testspiel gegen Magdeburg zeigten mir wieder die Auswüchse des modernen Fußballs, die ich nie akzeptieren kann und werde. Auf Bitten und Betteln - ich hatte längst abgewunken - bekamen wir von FCM-Seite die Erlaubnis, mit Ahmet Arslan (29) zu reden.

Als er dann gefragt wurde, wie er für sich die Hinrunde dort gesehen hat, grätschte Pressesprecher Manuel Holscher (44) sofort dazwischen. Auf eine Art und Weise, die mehr als nur erschreckte. Zensur bei einer völlig banalen Frage! Dass Vereine ihre Spieler schützen wollen, schön und gut. Aber sie entmündigen sie damit. Wenn ich jetzt böse wäre, würde ich sagen, sie halten sie für dumm. So ist auch eine freie Arbeit für uns schwer.

Bei Dynamo ist es besser. Die Medienzeiten sind perfekt, zensiert wird gar nichts. Die Spieler entscheiden, welche Fragen sie beantworten. Pressesprecher Christoph Antal (29) lässt es laufen und das ist gut so.

Aber: Am gestrigen Sonntag war Regeneration und Freizeit - Fotos dazu gibt es nur in den eigenen Vereins-Kanälen. Wir durften nicht. Wo wäre das Problem gewesen, unsere Fotografen für zwei Minuten danebenzustellen? Wäre ein Aufwasch gewesen - und fair uns(eren Lesern) gegenüber.

Akzeptieren muss ich es, aber gut finden? Nein! Ich bin hier, um zu berichten und nicht, um mich zu sonnen.

7. Januar, 7.05 Uhr: Friedlich nebeneinander

Wenn etliche Fußballvereine in der Türkei Quartier beziehen, dann bringt es einen Fakt mit sich: Die Fans sind nicht weit weg. Aber hier am Mittelmeer zeigt sich auch, es muss nicht immer Streit geben.

Bei uns im Medien-Hotel sind einige Anhänger von Dynamo, des 1. FC Magdeburg und von Hansa Rostock. Als ich davon erfuhr, dachte ich nur zwei Worte: Oh je. Bis jetzt kann ich sagen, die Furcht war unbegründet.

Die Jungs - und einige Frauen - leben hier völlig normal nebeneinander, ohne Zoff, ohne Ärger. Im Gegenteil: Sie kommen ins Gespräch, trinken einen zusammen, lachen und sind gut drauf. Gerade die Rostocker sind zudem auch sehr sangesfreudig.

Auch beim Spiel gegen Magdeburg gab es rein gar nichts, was einen sprachlos zurückließ. Die Dynamo-Fans saßen links auf der Tribüne, die des Zweitligisten rechts. Dazwischen war nichts und es passierte nichts. So muss das sein.

Duelle gab es nur, wer die meisten Aufkleber seines Vereins rund ums Trainingsgelände angebracht hat. Dynamo dürfte knapp gewonnen haben ...

6. Januar, 7.15 Uhr: Fußball zwischen 700.000 Gewächshäusern

Wenn ich mittags oder abends am übermäßig prall gefüllten Büfett stehe, dann ist alles frisch. Das Gemüse und auch das Obst. Orangen, Erdbeeren und Mandarinen glänzen in den herrlichsten Farben. Saftig, reif und extrem schmackhaft. Da muss ich zugreifen. Alles leggor - würde der Dresdner sagen.

Dass dies möglich ist, dafür sorgen in der Touristenregion Antalya, Belek und Side insgesamt knapp 700.000 (!) Gewächshäuser - so die Aussage eines Hotelmitarbeiters in unserer Anlage. Diese Gewächshäuser stehen alle im Hinterland der riesigen Komplexe.

In jene eingebettet sind meist die Trainingsplätze. Auch hier im Titanic Deluxe Resort von Dynamo. Wenn ich auf der Tribüne über die Plätze schaue: Gewächshäuser, wohin das Auge reicht. Dort wird das Obst und Gemüse angebaut. Über den Wasserverbrauch müssen wir dabei gar nicht reden.

Die Ergebnisse sehe ich dann zum Essen. Schmeckt auf alle Fälle. Bestens sogar.

5. Januar, 6.08 Uhr: "Iyi Günler!" Guten Tag!

Ich saß abends an der Bar und habe mir einen Raki bestellt (ja, sorry, das Essen war fettig), dann lauschte ich den Barkeepern und schmunzelte. Diese Sprache ist der Hit. Ob man das einfach so lernen kann, habe ich gefragt. "Nein", kam lachend als Antwort.

Im Flieger, wir sind mit der türkischen Airline Pegasus geflogen, hing ein Zettel: "Gökyüzünün en lezzetli menüsü." Wie kann man so viele Vokale in ein Wort einbauen? Da hapert es schon beim Lesen, aussprechen geht gar nicht. Sie werden ahnen, was das heißt. Richtig: "Das köstlichste Menü am Himmel."

Oder nur "Guten Tag". Das heißt "Iyi Günler". Einfach drei gleichklingende Vokale aneinander gereiht, ergibt das Wort "Gut". Das Wort "Günler" hebt sich da ja schon als völlig fremd heraus. Lustig. Aber gut, ich muss es in der Tat nicht lernen.

Den Einheimischen zuzuhören, ist kurios, aber angenehm. Das sind sie hier übrigens alle. Einen Türken mit schlechter Laune habe ich noch nicht gesehen.

4. Januar, 6.00 Uhr: Titanic? Alle auf Kurs!

Was nur alle haben mit dem BER? Von Chaos war gestern Vormittag gar nichts zu sehen. So zügig und entspannt habe ich noch nirgends eingecheckt und bin durch die Sicherheitskontrolle.

Mal davon abgesehen, dass man für ein Brötchen und einen Kaffee in Sachsen eine komplette Bäckerei kaufen kann. Trotzdem: Ein guter Start.

Und so ging es weiter. Nach einem ruhigen Flug bin ich super in Antalya gelandet. Die Mannschaft ist eine Stunde später in Berlin losgeflogen, aber genauso sanft hier angekommen.

Die Profis haben im Titanic Deluxe Resort in Belek Quartier bezogen, die Dresdner Medienleute im Nachbarhotel - wenn man das so nennen kann. Es liegt ein riesiger Golfplatz dazwischen, der in einer fünf Kilometer langen Schleife umfahren werden muss.

Zwar hat die Titanic einen eigenen Platz direkt am Hotel, doch das Fußball-Center ist zwei Kilometer weg. Es sind drei bestens gepflegte Rasenplätze, auf denen hervorragend trainiert werden kann.

Jetzt hoffe ich nur, dass der Hotel-Name seiner Bedeutung nicht gerecht wird, hier keiner gerammt wird und alle voll auf Kurs bleiben.

3. Januar, 12 Uhr: Das Wetter-Glücksrad

Kennt Ihr das türkische Glücksrad? Ich kaufe ein Ü und möchte lösen. Wenn wir heute am Nachmittag in Antalya gelandet sind, werden wir es für acht Tage spielen.

Bis zum 11. Januar werden die Dynamos unter der Sonne im Ferienort Belek trainieren und sich auf die restlichen 18 Spiele der Rückrunde vorbereiten.

Obwohl das mit der Sonne im Januar am Mittelmeer auch so eine Sache ist. Ich hatte schon Camps hier mit tagelangem Sonnenschein und Temperaturen um die 22 Grad, kehrte gebräunt in die Heimat zurück. Ich durfte aber auch schon sieben Tage Dauerregen um die 14 oder 15 Grad erleben.

Die Vorhersagen auf den verschiedenen Wetter-Apps sind unterschiedlich. Für die ersten Tage sind zwar höhere Temperaturen vorhergesagt, aber der Himmel soll bedeckt bleiben und es soll bisweilen auch regnen.

Erst zum Schluss hin soll sich Klärchen dauerhaft blicken lassen. Es ist halt wie mit dem Glücksrad. Vielleicht kommt das Ü.

Titelfoto: TAG24

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