Homosexuell im Eishockey: Schwuler Ex-Profi gibt Einblicke in die Szene

Hamburg/Salzburg - Timo Gleß (29) war Eishockeyprofi bei den Crocodiles Hamburg und ist jetzt Sportkoordinator und Integrity Officer beim Österreichischen Eishockeyverband (ÖEHV). Sein Herz gehört dem Torwart der belgischen Nationalmannschaft. Im Gespräch mit TAG24 erzählt er von seinen Erfahrungen und den Unterschieden zur Fußballszene.

Timo Gleß (29, r.) war als Profi für die Crocodiles Hamburg, den EHC Timmendorfer Strand 06 und den ECDC Memmingen aktiv.  © WITTERS

Eishockey ist ein beinharter Kontaktsport und Eigenschaften, die viele wohl einer extremen Männlichkeit zuordnen, werden heroisiert. Doch was steckt unter der Ausrüstung, wie offen ist die Kultur auf den Rängen?

Timo Gleß kennt den Sport, war selbst Profi bei den Crocodiles Hamburg (2016/17), dem ECDC Memmingen und am Timmendorfer Strand (2017/18) in der 3. Liga. Heute ist der gebürtige Kölner Schiedsrichter, Sportkoordinator und Integrity Officer beim ÖEHV und privat mit dem Torwart der belgischen Eishockey-Nationalmannschaft, Jelle Lievens (22), verlobt.

Dass sein Herz für Männer schlägt, habe er schon zu Profizeiten gemerkt, erzählt er.

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"Das waren die Jahre, wo es mir bewusst wurde. Ich habe es mir schon etwas länger gedacht, aber es wahrscheinlich ein bisschen unterdrückt. Ich hielt es nicht für die beste Idee, sich als Profisportler zu outen. Aber da ich keinen Partner hatte, gab es auch keinen Anlass", so der Wahl-Österreicher.

"Damals hätten die Leute vielleicht nicht so positiv darauf reagiert, wie sie es heute tun würden oder wie ich es auch mitbekommen habe bei meinem Partner", so der 29-Jährige. Der Torwart habe nicht eine einzige negative Reaktion erlebt.

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Timo Gleß beendete mit 22 seine Karriere

Belgiens Nationaltorwart Jelle Lievens (22) hat nur positive Erfahrungen gesammelt, seit seine Beziehung mit einem Mann öffentlich ist.  © privat

Als Gleß die Chance bekam, einen Job neben dem Eis anzunehmen, und der damalige Verein, der EHC Timmendorfer Strand 06, pleiteging, beendete er seine Karriere. Damals war er 22 Jahre jung.

In den folgenden Jahren sei ihm bewusster geworden, dass er homosexuell ist. Mit dem Kennenlernen von Lievens kam die Gewissheit. Auch darüber, dass sich in der Zeit seit seiner aktiven Karriere noch mal einiges getan habe.

"Es ist Gott sei Dank schon durch die Schulen und durch die Nachwuchsarbeit in den Vereinen viel bewegt worden. Den jungen Menschen ist bewusst, dass es im Sport nichts mehr zu suchen hat", sagt Gleß.

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Und da rede man nicht nur von homophoben, sondern auch von sexistischen, rassistischen oder anderweitig diskriminierenden Aussagen, so der Funktionär. Das werde einfach immer weniger.

Beim Eishockey sei man in dieser Hinsicht deutlich weiter als der Fußball, meint der 29-Jährige.

Timo Gleß: "Wer sich mit dem Outing auseinandersetzt, hat es im Eishockey deutlich leichter"

Timo Gleß (r.) ist mit Jelle Lievens verlobt.  © privat

"Ich glaube, dass das an der Fankultur liegt. Ja, es sind beides harte Sportarten, aber ich glaube, die Fans sind völlig unterschiedlich", sagt der Ex-Profi. Es gebe keine Hooligans oder speziell die Forderung nach Härte.

Auch Frauen im Sport hätten es da beim Eishockey leichter. Es gebe keine Szene, die behauptet, der Sport sei Männern vorbehalten. Dessen seien sich auch die Spieler bewusst. "Wer sich mit dem Outing auseinandersetzt, hat es im Eishockey deutlich leichter. Und ich bin sehr froh darüber", so Gleß.

Ob er jungen Spielern zum Outing raten würde, kann der Funktionär nicht pauschal beantworten.

"Ich glaube, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich würde jedem sagen, du lebst dein Leben, wie du es möchtest. Es bringt dir nichts, wenn du es jahrelang versteckst", sagt der 29-Jährige.

Mit "blöden Kommentaren" müsse man leider rechnen. Dann sollte man Kontra geben, wenn das Selbstvertrauen es hergibt.

Dass es auch ohne negative Erfahrungen geht, zeigt der Fall seines Verlobten. Ein gutes Zeichen für die Entwicklung in diesem harten Sport.

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