Wasserstoff-Professor im Interview: "Wann werden H2-Autos bezahlbar?"

Dresden - "Raus aus der Kohle!", "Nie wieder Atomstrom!", "Zu wenig Gas aus Russland!" - die Energieversorgung in Deutschland steht vor ihrer größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg.

Ein Blick ins Brennstoffzellen-Labor der Uni Chemnitz.
Ein Blick ins Brennstoffzellen-Labor der Uni Chemnitz.  © TU/Jacob Müller

Alternative Energieträger sind gefragt. Schon hat ein Wettlauf begonnen, der gerade im Bereich Mobilität zur Glaubensfrage geworden ist: Elektroantrieb oder Brennstoffzelle?

Sachsen spielt bundesweit bei beiden Systemen ganz vorn mit.

Doch während E-Mobilität inzwischen zum Alltag gehört, scheint Wasserstoff (H2) noch immer ein Nischendasein zu führen. Ein Bild, das so nicht stimmt.

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Sachsens "Wasserstoff-Guru" Thomas von Unwerth (54) steht TAG24 im Interview Rede und Antwort. Er ist Inhaber der Professur Alternative Antriebe an der TU Chemnitz.

Wasserstoff - schön teuer...

Professor Thomas von Unwerth (54), Sachsens "Wasserstoff-Guru".
Professor Thomas von Unwerth (54), Sachsens "Wasserstoff-Guru".  © PR

TAG24: Herr Professor von Unwerth, Sie fahren schon mit Wasserstoff?

Thomas von Unwerth: Na klar. Ich habe einen Toyota Mirai.

TAG24: ... schön teuer.

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von Unwerth: Nicht mehr als ein sehr gut ausgestatteter Audi A4.

TAG24: Aber wir sind immer noch ein gutes Stück über 60.000 Euro. Wann werden H2-Pkw bezahlbar?

von Unwerth: Da tut sich in den nächsten Jahren ganz viel.

TAG24: Seit wann sind Sie an der TU Chemnitz?

von Unwerth: Seit zwölf Jahren.

Von Unwerth sieht Politik in Sachsen auf dem richtigen Weg

Der Professor mit seinem H2-Auto.
Der Professor mit seinem H2-Auto.  © Sven Gleisberg

TAG24: Das Thema Wasserstoff allerdings beschäftigt den Wissenschaftsstandort schon länger. Warum ist gerade Chemnitz so H2-affin?

von Unwerth: Es werden hier bereits seit Jahrzehnten Produktionstechnologien erforscht, zum Beispiel an der TU Chemnitz und bei Fraunhofer. Auch die Komponentenfertigung ist hier schon sehr lange erprobt. Wir sind eine der sächsischen Regionen, die sich frühzeitig darauf fokussiert hat. Es gibt bereits Ausgründungen der TU zu H2, und in Zukunft soll auch mit Chemikern, Maschinenbauern und anderen fakultätsübergreifend an der Brennstoffzelle gearbeitet werden. Chemnitz ist bundesweit einer von vier Standorten des nationalen Innovations- und Technologiezentrums (ITZ) des Bundes, das "Hydrogen and Mobility Innovation Center, HIC" über das Sie ja in Ihrer Serie auch berichten werden.

TAG24: Sachsen scheint bei der H2-Forschung vorn mitzuspielen.

von Unwerth: In Sachsen gibt es ein großes Netzwerk an klein- und mittelständischen Firmen, koordiniert durch das sächsische Innovationscluster HZwo, die mit H2 befasst sind. Die Politik in Sachsen hat mit ihren Wasserstoffprogrammen den richtigen Weg eingeschlagen, ebenfalls sehr früh. Damit ist es uns jetzt möglich, im deutschen Maßstab den Vorsprung auszubauen.

Grüner Wasserstoff oder sauberer Wasserstoff?

Die Fakultät für Maschinenbau der TU Chemnitz, an der zur Brennstoffzelle geforscht wird.
Die Fakultät für Maschinenbau der TU Chemnitz, an der zur Brennstoffzelle geforscht wird.  © Kristin Schmidt

TAG24: Die TU Chemnitz forscht intensiv am Wasserstoff, aber auch die TU Dresden und die Bergakademie Freiberg. Bald soll noch die Lausitz H2-Region werden, um dort den Kohleausstieg abzufangen. Ist das nicht sehr verstreut?

von Unwerth: Nein, überhaupt nicht. Das läuft alles Hand in Hand. Besonders die Technischen Universitäten sind bereits dafür gut vernetzt und werden das noch intensivieren. Unser Partnernetzwerk zu Grünem Wasserstoff, energy saxony, sitzt in Dresden. Und die Entwicklung der Lausitz als weiterer H2-Standort ist plausibel. Wir hier beschäftigen uns mit der Anwendung von Wasserstoff, aber die Erzeugung und Speicherung zumal im seriellen Maßstab, muss auch irgendwo passieren.

TAG24: Grüner Wasserstoff klingt gut.

von Unwerth: Ich würde lieber von sauberem Wasserstoff sprechen. Einem, der in Zukunft allein aus Wind und Sonne erzeugt wird. Nur das kann zielführend sein. Bis dahin aber müssen wir, wenn wir Fahrt aufnehmen wollen, auch auf Wasserstoff als Energieträger zurückgreifen, der noch nicht hundertprozentig sauber ist. Schon allein, siehe aktuelle Lage beim Gas, aus Sicherheitsaspekten im Bereich Energieversorgung. Das schließt im Zweifel auch ein, dass wir für eine Übergangszeit vielleicht nichtgrünen H2 aus Russland einkaufen, um unseren Energiebedarf zu decken.

Ist die Technik so weit?

Professor Thomas von Unwerth (54) will Wasserstoff global betrachten.
Professor Thomas von Unwerth (54) will Wasserstoff global betrachten.  © TU Chemnitz

TAG24: H2 wird also eine große Rolle bei der Energieversorgung spielen?

von Unwerth: Ich rechne schon damit, dass wir uns in den nächsten zehn Jahren in Richtung Wasserstoff bewegen. Gerade bei den Heizungen, Kraftwerken und für die energieaufwändige Stahlerzeugung. Aber er muss erstmal in ausreichenden Mengen erzeugt werden.

TAG24: Ist die Technik bereits so weit?

von Unwerth: Theoretisch ja, wenn man alle Anstrengungen unternimmt.

TAG24: Das heißt: viel Geld investiert ...

von Unwerth: So ist es. Aber H2 darf man nicht nur lokal betrachten. Man muss es global betrachten. Australien zum Beispiel hat großes Solarpotenzial, mit dem H2 generiert werden kann. H2 wird zur Handelsware werden. Das kann unter anderem für Afrika eine große Chance sein. Deutschland ist heute ein Energieimportland und wird es auch mit H2 sein.

Info: Wasserstoff tanken in Sachsen

Wasserstoff gibt es in Sachsen nicht an jeder Ecke zu tanken.
Wasserstoff gibt es in Sachsen nicht an jeder Ecke zu tanken.  © Andreas Kretschel

Momentan gibt es in ganz Sachsen drei öffentliche Wasserstoffzapfstellen.

  • Total-Tankstelle an der Wiener Straße in Dresden (Nähe Zoo).
  • Total-Autohof Poststraße in Leipzig-Radefeld an der A14. Die Kapazität liegt bei 40 Pkw pro Tag.
  • Shell-Tankstelle in Meerane an der Crimmitschauer Straße nahe der A4.
  • Chemnitzer H2-Tanke ist auf Eis gelegt

Weitere mitteldeutsche H2-Zapfstellen befinden sich in Halle, Magdeburg und Erfurt, wobei Erfurt bald umgerüstet werden könnte: weg von Pkw- hin zu Lkw-Betankung.

Titelfoto: Bildmontage: Kristin Schmidt/PR

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