Schummel-Wahl? Putin gewinnt laut Prognosen mit 87 Prozent

Moskau (Russland) – Nach einer von Manipulationsvorwürfen begleiteten Präsidentenwahl haben russische Staatsmedien Kremlchef Wladimir Putin ein Rekordergebnis von mindestens 87 Prozent der Stimmen prognostiziert. Das russische Staatsfernsehen erklärte den 71-Jährigen am Sonntag auf Grundlage von Wählernachbefragungen mehrerer kremlnaher Institute zum Sieger.

Der alte ist auch der neue Präsident von Russland: Wladimir Putin (71) bleibt im Amt.
Der alte ist auch der neue Präsident von Russland: Wladimir Putin (71) bleibt im Amt.  © Mikhail Metzel/Kremlin Pool/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa

Bei der von zahlreichen Protestaktionen begleiteten Abstimmung über eine fünfte Amtszeit Putins waren keine echten Oppositionskandidaten zugelassen.

Nach Schließung der letzten Wahllokale wurden noch am Abend erste Ergebnisse erwartet. Die ersten aussagekräftigen Resultate soll es an diesem Montag geben. In der Regel stimmen die Prognosen mit dem am Ende verkündeten Ergebnis überein. Es wäre ein Rekord für Putin, der 2018 auf 76,7 Prozent der Stimmen kam.

Putin dürfte ein solches Ergebnis als Bestätigung seines antiwestlichen und autoritären Kurses präsentieren.

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Beobachter erwarten, dass er mit diesem Rückhalt, der Kritikern zufolge teils auf Repressionen und Zwang zurückzuführen ist, für die nächsten sechs Amtsjahre nicht nur außenpolitisch in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine noch einmal deutlich nachlegt.

Viele Russen befürchten zudem eine neue Mobilmachung Hunderttausender Reservisten. Auch innenpolitisch könnten die Daumenschrauben im Land noch einmal deutlich stärker angezogen werden, um den an den drei Wahltagen sichtbaren Protest von Putins Gegnern zu ersticken.

Angekündigt sind zudem Steuererhöhungen, mit denen die hohen Ausgaben für den Krieg und die sozialpolitischen Vorhaben finanziert werden sollen.

Wahlkommission meldet Rekordbeteiligung mitten im Krieg

Wähler stehen vor einem Wahllokal in Moskau Schlange. Die russische Opposition hat die Menschen dazu aufgerufen, sich am Sonntagmittag aus Protest in die Wahllokale zu begeben.
Wähler stehen vor einem Wahllokal in Moskau Schlange. Die russische Opposition hat die Menschen dazu aufgerufen, sich am Sonntagmittag aus Protest in die Wahllokale zu begeben.  © Uncredited/AP/dpa

Die Wahlbeteiligung wurde am Sonntagabend mit mehr als 70 Prozent angegeben, dem höchsten Wert jemals bei einer russischen Präsidentenwahl. Das soll dem Ergebnis zusätzlich Legitimität verschaffen. Die Zahl der Wahlberechtigten wurde mit 114 Millionen Menschen angegeben.

Die auf drei Tage angesetzte Abstimmung wurde auch von Putins Krieg gegen die Ukraine überschattet, den er immer wieder als Kampf gegen ein angebliches Vormachtstreben der Nato und des Westens darstellt. Das verfing bei vielen Russen.

Der nun für weitere sechs Jahre gewählte Kremlchef dürfte das Ergebnis auch als klaren Ansporn nutzen, um der Ukraine noch mehr Gebiete zu entreißen.

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Putin hat angekündigt, die bisher teils besetzten ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja komplett einzunehmen. Auch Odessa im Süden droht ein russischer Besatzungsversuch.

In den okkupierten Teilen und auf der von Russland bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim stimmten Menschen ebenfalls bei der von Putin-Gegnern als Farce kritisierten Wahl ab.

Die Ukraine und andere Länder weisen die unter Bruch des Völkerrechts organisierte Abstimmung als illegal und bedeutungslos zurück. Das Außenministerium in Kiew forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Ergebnisse nicht anzuerkennen.

Berichte über systematischen Betrug - Anziehen der Daumenschrauben im Land erwartet

Mitglieder einer Wahlkommission vernichten unbenutzte Stimmzettel für die Präsidentschaftswahlen nach der Stimmabgabe in einem Wahllokal im Dorf Nikolajewka außerhalb von Omsk.
Mitglieder einer Wahlkommission vernichten unbenutzte Stimmzettel für die Präsidentschaftswahlen nach der Stimmabgabe in einem Wahllokal im Dorf Nikolajewka außerhalb von Omsk.  © Uncredited/AP/dpa

Unabhängige Beobachter wiesen auf systematischen Betrug hin, der hinter diesem hohen Wert für Putin stecke. So wurden seit dem ersten Wahltag am Freitag massenhaft Fälle dokumentiert, in denen etwa Angestellte staatlicher Firmen zur Stimmabgabe gedrängt wurden und teils sogar Beweisfotos von ihrem ausgefüllten Wahlschein machen mussten.

Kritiker beklagten zudem, dass insbesondere das Online-Verfahren leicht manipulierbar sei. Beobachter dokumentierten auch das massenhafte Stopfen von vorab ausgefüllten Stimmzetteln in die Urnen.

Neben einem noch brutaleren Vorgehen beim Überfall auf die Ukraine erwarten Experten nach der umstrittenen Wahl vor allem eine Zunahme der Repressionen in Russland. Schon jetzt gibt es keine Versammlungsfreiheit oder freie Berichterstattung von Medien, Andersdenkenden droht Haft, wenn sie den Krieg oder den Machtapparat kritisieren.

Vor allem aber ist die Opposition ausgeschaltet, weil führende Köpfe im Straflager sitzen oder ins Exil ins Ausland geflohen sind. Die Hoffnung auf politischen Wandel in Russland hatte sich zuletzt auch nach dem Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny (†47) zerschlagen.

Diese fehlenden Freiheiten in Russland und die Gleichschaltung der vom Kreml gesteuerten Medien gelten als wichtigste Grundlage dafür, dass Putin seine Macht verteidigt. Allerdings erwartet die Politologin Tatjana Stanowaja zunehmende Probleme für den Kreml, die Zügel der Macht fest in der Hand zu behalten.

Putins Positionen seien unausgewogen, die Ziele des Krieges unklar; und es gebe spürbare Eingriffe in das Privatleben, schrieb Stanowaja in einer Analyse für die Denkfabrik Carnegie. "All dies wird unweigerlich Druck auf das Regime von innen erzeugen", meinte sie.

"Das bedeutet nicht, dass das Regime zusammenbricht oder dass es zu Massenprotesten kommen wird." Doch werde der Einfluss der Eliten wachsen und die Bedeutung Putins abnehmen.

Protest gegen Putins neue Amtszeit

Julia Nawalnaja (47, r), Witwe von Alexey Nawalny, steht am Rande einer Demonstration in der Nähe der russischen Botschaft in Berlin.
Julia Nawalnaja (47, r), Witwe von Alexey Nawalny, steht am Rande einer Demonstration in der Nähe der russischen Botschaft in Berlin.  © Weronika Peneshko/dpa

Die von Russlands Machtapparat mit harter Hand organisierte Abstimmung begleiteten Tausende Gegner des Langzeitpräsidenten mit einer bemerkenswerten Protestwelle.

Trotz Einschüchterungsversuchen durch Behörden versammelten sich am letzten Wahltag am Sonntag in vielen Städten des Landes mit den elf Zeitzonen Menschen gegen 12 Uhr Ortszeit vor ihren jeweiligen Wahllokalen zur Aktion "Mittag gegen Putin", zu der die Opposition um den vor einem Monat im Straflager gestorbenen Nawalny aufgerufen hatte.

Menschen brachten auch am Sonntag Blumen an das Moskauer Grab Nawalnys, der selbst einmal Präsident werden wollte. In Berlin sorgte Nawalnys Witwe für Aufsehen: Julia Nawalnaja (47) beteiligte sich dort an einem Protest.

Diese stille Form des Widerstands sollte Kreml- und Kriegsgegnern in Russland selbst auf ungefährliche Weise die Möglichkeit geben, ihren Unmut über diese von Kritikern als undemokratisch eingestufte Wahl kundzutun.

Bürgerrechtler berichteten dennoch über Dutzende Festnahmen.

Titelfoto: Mikhail Metzel/Kremlin Pool/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa

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