Angespannte Sicherheitslage in Europa: Mit aufblasbaren Panzern aus Tschechien gegen Russland

Děčín - Wenn auf dem Schlachtfeld ein US-Raketenwerfer gesichtet wird, dann kommt er vielleicht aus einer Fabrik in Tschechien - und ist nur eine Kopie.

Vojtech Fresser ist Geschäftsführer "Inflatech". Die Firma stellt aufblasbare Attrappen von schweren Militärfahrzeugen her.
Vojtech Fresser ist Geschäftsführer "Inflatech". Die Firma stellt aufblasbare Attrappen von schweren Militärfahrzeugen her.  © Michael Heitmann/dpa

In einer Halle in der Grenzstadt Děčín sitzen Näherinnen an Maschinen, um grüne Stoffbahnen zusammenzufügen. Sie arbeiten für die Firma Inflatech, die aufblasbare Attrappen von schweren Militärfahrzeugen herstellt. Seit einem Jahr, also seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, hat man hier mehr Arbeit als ohnehin schon.

Vieles ist streng geheim. Monatlich könne seine Firma rund 35 Attrappen herstellen, sagt Geschäftsführer Vojtech Fresser.

Die Vorteile der Täuschungstechnik liegen für ihn auf der Hand. Seine Produkte - etwa aufblasbare Kampf- und Schützenpanzer - kosteten umgerechnet zwischen rund 10.000 und 100.000 Euro. Die Attrappen könnten gegnerisches Feuer provozieren und den Feind verleiten, ein Vielfaches an teureren Raketen sinnlos zu verschießen.

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"So gewinnen wir auf dem Schlachtfeld auch wirtschaftlich", sagt Fresser. Zwei seiner Mitarbeiter tragen eine große schwarze Tasche auf den Hof vor dem Firmengebäude. Mit wenigen Handgriffen falten sie eine Kampfpanzer-Attrappe US-amerikanischer Bauart wie ein Schlauchboot auseinander.

Ein Kompressor bläst Luft hinein, schon reckt sich das Gefährt aus Kunstseide in die Höhe. Eine Metallstange gibt der Kanone die nötige Stabilität, während manche Anwohner etwas verwundert dreinblicken.

Bei den Attrappen handelt es sich in Wirklichkeit um Hightech

Mitarbeiter demonstrieren das Aufblasen einer Nachbildung eines US-amerikanischen Mehrfachraketenwerfers.
Mitarbeiter demonstrieren das Aufblasen einer Nachbildung eines US-amerikanischen Mehrfachraketenwerfers.  © Michael Heitmann/dpa

Doch was einfach aussieht, ist in Wirklichkeit Hightech. "Wenn man kein Fernglas zur Hand nimmt, kann man aus 150 bis 200 Metern Entfernung nicht mehr unterscheiden, ob es sich um echte Technik oder eine Attrappe handelt", sagt Fresser.

Viel wichtiger sei es indes, die Wärme- und Radarsignatur vorbildgetreu nachzuahmen. Wie genau das geschieht, will er nicht verraten. Nur so viel: Eine eigens konstruierte Vorrichtung sorge dafür, dass die Bereiche warm seien, die warm sein sollten.

Angefangen hatte das Unternehmen 2014 als Garagenfirma, die zeitweise auch Hüpfburgen für Kinder herstellte. Dass zwei seiner Mitgründer ursprünglich aus Russland stammen, sieht Fresser nicht als Problem an. Sie seien längst in Tschechien integriert.

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Geliefert wird an NATO-, EU- und Partnerstaaten. Inzwischen habe die Firma 20 Mitarbeiter - bald sollten es doppelt so viele sein.

Für dieses Jahr rechne man mit einem Umsatz von mindestens 150 Millionen Euro. In der strukturschwachen Region an der Grenze zu Sachsen ist das viel Geld.

Auch Russland täuscht mit Nachbildungen den Gegner

Eine Arbeiterin näht Stoff zu einer Nachbildung von schweren Militärfahrzeugen zusammen.
Eine Arbeiterin näht Stoff zu einer Nachbildung von schweren Militärfahrzeugen zusammen.  © Michael Heitmann/dpa

Im Ukraine-Krieg sind aufblasbare Militärfahrzeuge auch auf der russischen Seite bekanntes Know-how zur Täuschung des Gegners.

Bereits 2009 berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti über Attrappen von russischen Kampfpanzern der Typen T-72 und T-80, vom Flugabwehrsystem S-300 und Su- und MiG-Kampfjets.

Auch strategische Raketensysteme wie Iskander oder Topol-M versucht Moskau demnach mit den Nachbildungen zu schützen.

Russische Militärblogger berichteten, dass es spezielle Einheiten in der russischen Armee gebe, die sich auf solche Täuschungsmanöver spezialisiert hätten. Auch im Krieg würden die Geräte eingesetzt.

Ende Januar teilte der ukrainische Generalstab mit, dass die russischen Truppen im Gebiet Saporischschja versuchten, mit aufblasbaren Panzern eine größere Präsenz vorzutäuschen.

Ein Mitarbeiter breitet eine Attrappe eines Mehrfachraketenwerfers vor dem Aufblasen auf dem Fußboden aus.
Ein Mitarbeiter breitet eine Attrappe eines Mehrfachraketenwerfers vor dem Aufblasen auf dem Fußboden aus.  © Michael Heitmann/dpa
Nachbildung eines Kampfpanzers westlicher Bauart.
Nachbildung eines Kampfpanzers westlicher Bauart.  © Michael Heitmann/dpa
Und so sieht die Nachbildung eines Kampfpanzers von oben aus.
Und so sieht die Nachbildung eines Kampfpanzers von oben aus.  © Michael Heitmann/dpa

Tschechien hat eigene historische Erfahrung mit russischen Soldaten

Im Kampf gegen die russische Invasion zählt Tschechien zu den wichtigen Unterstützern der Regierung in Kiew. Die Liste dessen, was die Regierung in Prag und Rüstungskonzerne bisher an echtem Militärgerät geliefert haben, ist lang: 89 Kampfpanzer, 226 Schützenpanzer, 33 Mehrfachraketenwerfer - und vieles mehr.

"Vom ersten Moment an wussten wir - auch aufgrund unserer eigenen historischen Erfahrungen - dass wir uns für die Ukraine einsetzen müssen", sagte jüngst Ministerpräsident Petr Fiala (61).

Die Warschauer-Pakt-Staaten waren im August 1968 in die damalige sozialistische Tschechoslowakei einmarschiert, um die Demokratiebewegung Prager Frühling niederzuschlagen. Die letzten russischen Soldaten zogen erst im Juni 1991 ab.

Titelfoto: Michael Heitmann/dpa

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