Waggonbauer in Not - so hält Niesky zusammen!

Niesky - Eine Stadt hält zusammen. In Niesky sind Bürger und Geschäftsleute gemeinsam mit Waggonbauern auf die Straße gegangen. Es geht um die Zukunft des letzten deutschen Güterwagenbauers, der nach Ansicht der Belegschaft von seinem slowakischen Besitzer Tatravagonka ausgeblutet wird.

Waggonbauer, Bürger und Geschäftsleute zogen am Dienstag durch Niesky und protestierten gegen das Ausbluten des Traditionsbetriebes.
Waggonbauer, Bürger und Geschäftsleute zogen am Dienstag durch Niesky und protestierten gegen das Ausbluten des Traditionsbetriebes.  © Eric Münch

"Kein Waggonbau, keine Kaufkraft", bringt es Modehändlerin Steffi Dunsch (37) auf den Punkt. "Über die Hälfte meiner Kunden sind Waggonbauer und deren Familienangehörige - wenn die wegziehen, wäre das ein riesiger Verlust."

Deshalb prangt auch an ihrem Schaufenster das Plakat zur gemeinsamen Mahnwache, das an diesem Dienstag mehr als 60 Nieskyer Geschäftsleute ausgehängt haben. Auch Fahrradhändler Peter Silbe (62). "Es geht hier um die ganze Stadt", sagt er.

Zu DDR-Zeiten waren beim Waggonbau Niesky (WBN) mehr als 2000 Menschen beschäftigt. Heute seien es gerade noch 230, sagt der Betriebsrats-Chef Peter Jurke (60).

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Und die würden leiden.

Waggonbau-Betriebsrats-Chef Peter Jurke (60) spricht zu den Demonstranten und fordert klare Zukunftsperspektiven.
Waggonbau-Betriebsrats-Chef Peter Jurke (60) spricht zu den Demonstranten und fordert klare Zukunftsperspektiven.  © Eric Münch

Im Betrieb herrscht purer Mangel!

Auch Kindersachen-Händlerin Corina Friedrich (44) hängt das Demo-Plakat auf und meint: "Wenn der Waggonbau weg ist, sind auch meine Kunden weg."
Auch Kindersachen-Händlerin Corina Friedrich (44) hängt das Demo-Plakat auf und meint: "Wenn der Waggonbau weg ist, sind auch meine Kunden weg."  © Eric Münch

"Seit einem Jahr schwimmen wir im Nebel, wissen nicht, was der slowakische Eigner mit uns vorhat", erzählt Jurke.

Im Betrieb herrsche purer Mangel - an Material, Werkzeugen und vor allem an neuen Aufträgen.

"Manchmal teilen sich sieben Leute einen Winkelschleifer, der Schweißdraht ist knapp und vor 14 Tagen hatten wir plötzlich keinen Diesel mehr für die Gabelstapler."

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Was Jurkes größte Sorge ist: Seit der Tatravagonka-Konzern (übernahm WBN 2018) den Vertrieb in der Slowakei zentralisiert hat, kämen keine neuen Aufträge mehr nach Niesky.

"Und wir bekommen als Belegschaft keinerlei Informationen von der Konzernleitung", klagt der Betriebsrat, der mit seinen Kollegen seit 15 Wochen jeden Dienstag eine Mahnwache abhält.

Am gestrigen Dienstag nun wurde aus der Mahnwache ein Protestmarsch durch die Stadt, dem sich Hunderte Nieskyer anschlossen.

Wer ist der Waggonbau- Eigentümer aus der Slowakei?

Tatravagonka-Chef Alexej Beljajev (67).
Tatravagonka-Chef Alexej Beljajev (67).  © imago stock&people

Seit über einem Jahr schweigt der Tatravagonka-Vorstandsvorsitzende Alexej Beljajev (67) zur Zukunft des Nieskyer Waggonbauers. Auch auf eine Anfrage von TAG24 reagierte der Maschinenbau-Unternehmer aus der Slowakei nicht.

Wer ist der Mann, der sich in Schweigen hüllt?

Alexej Beljajev ist einer der 25 reichsten Slowaken, der Wert seines Vermögens wird auf etwa 180 Millionen Euro (Forbes 2022) geschätzt.

Er betreibt außer in seiner Heimat und in Deutschland Unternehmen in Kroatien, Polen, Serbien und Indien, beschäftigt rund 6000 Mitarbeiter. Das Unternehmen Tatravagonka gilt als größtes Produktionsunternehmen in der Slowakei und erzielt mit einem Jahresumsatz von fast einer halben Milliarde Euro einen Gewinn von mehr als 40 Millionen Euro.

Der Unternehmer mit russischen Wurzeln, der Nachkomme eines zaristischen Offiziers sein soll, pflegt gute Kontakte zur Politik, beispielsweise zu dem gerade als tschechischen Präsidentschaftskandidaten gescheiterten Andrej Babis (68), den er aus Zeiten des Sozialismus kennt. Damals arbeitete er in einer lukrativen Position bei der Außenhandelsfirma Petrimex.

Und auch zu Putin soll er einen guten Draht haben. Slowakische Medien bezeichnen ihn als "Verbindungsglied" zwischen Mitteleuropa und Russland.

In der Slowakei ist Beljajev übrigens nicht abgetaucht. Erst kürzlich beklagte er dort gegenüber den Medien die Unsicherheit steigender Energiepreise für Unternehmen, "was zu sehr ernsten Problemen führt".

Titelfoto: Eric Münch

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