Helfen Magic Mushrooms gegen schwere Depressionen?

Mannheim - Ein Stoff aus bestimmten Pilzen - "Magic Mushrooms" - könnte laut einer Studie auch bei der Therapie psychischer Leiden hilfreich sein.

Gerhard Gründer, Leiter der Abteilung für Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit.
Gerhard Gründer, Leiter der Abteilung für Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit.  © Uwe Anspach/dpa

Forscher am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim und an der Berliner Charité untersuchten gemeinsam, ob sich dieser Wirkstoff - Psilocybin - zur Behandlung von Menschen eignet, die unter schweren Depressionen leiden.

Bekannt ist Psilocybin vor allem als psychoaktive Droge, die Halluzinationen und Euphorie auslöst. Bei der Studie geht es darum, belastbare Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit der Substanz in der Depressionstherapie zu gewinnen.

Gerhard Gründer, Professor für Psychiatrie am Mannheimer ZI, ist Initiator und Leiter der klinischen Erhebung. Wie er sagt, nehmen an der zurzeit weltweit zweitgrößten Studie zu Psilocybin 144 Frauen und Männer aus dem deutschsprachigen Raum teil. Sie alle würden an einer "therapieresistenten Depression" leiden, konventionelle Therapien erzielten bei ihnen keinen Erfolg.

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Unter ärztlicher Aufsicht erhalten sie in den kommenden Monaten zwei verschiedene Dosierungen Psilocybin - 5 oder 25 Milligramm - oder ein Placebo. Eigens ausgebildete Therapeuten begleiten die Sitzungen.

Studie wird mit knapp 2,4 Millionen gefördert

Gerhard Gründer am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, steht in einem Flur des Zentralinstituts an einer Tür.
Gerhard Gründer am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, steht in einem Flur des Zentralinstituts an einer Tür.  © Uwe Anspach/dpa

Nach sechs Wochen werden die etwa acht Stunden dauernden Einheiten wiederholt, in denen übrigens keine Therapiegespräche stattfinden. "Sinnvoller sind Gespräche vorher und insbesondere nach den Sitzungen", sagt der 58 Jahre alte Gründer, der Experte auf dem Gebiet der Psychopharmakologie ist.

Gefördert wird die Studie mit knapp 2,4 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Wie LSD, so zählt auch das ähnlich wirksame und ebenfalls illegale Psilocybin zu den klassischen Halluzinogenen, die heute in der Regel als Psychedelika bezeichnet werden.

Bekanntheit erlangten sie in der Jugendkultur der 1960er und 70er Jahre. Damit oftmals einhergehender Drogenmissbrauch brachte die Substanzen in Misskredit. Wie heute, so sahen auch damals Forscher darin Hilfsmittel zur Behandlung psychischer Leiden.

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Wie aber genau könnte der Stoff der "Magic Mushrooms" dazu beitragen, eine schwere Depression zu überwinden? "Man weiß es zwar nicht genau. Studien sprechen aber dafür, dass Menschen durch Erfahrungen mit psychoaktiven Substanzen einen neuen Zugang zu ihrer Gedanken- und Gefühlswelt erhalten können", sagt Gründer.

Mit dem Begriff "Bewusstseinserweiterung" könne er wenig anfangen, das Wort werde der Vielfalt der induzierten psychologischen Prozesse nicht gerecht. So entstünden bei der Einnahme von Psilocybin Verknüpfung von Nervenzellen im Gehirn. Verbindungen anderer Hirnregionen wiederum würden geschwächt. "Das sind sehr bedeutende biologische Faktoren, die hier wirken und die Sichtweise depressiver Menschen verändern können", sagt Gründer. Denkbar sei, dass sie das bisherige Kreisen um bestimmte Probleme anders bewerten und hinterfragen.

Die Studie könnte neue Erkenntnisse liefern, die das Verständnis psychischer Erkrankungen insgesamt erweitern, gibt der Forscher zu bedenken. Der Umstand, dass ein Stoff wie Psilocybin nach einmaliger Gabe Symptome psychischer Erkrankungen zum Teil über einen langanhaltenden Zeitraum positiv beeinflussen könne, sei eine Herausforderung für bisherige Erklärungsmodelle.

Könnte die therapeutische Arbeit so unterstützt werden?

Gerhard Gründer, Leiter der Abteilung für Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, sitzt im Zentralinstitut an einem Magnetresonanztomograph.
Gerhard Gründer, Leiter der Abteilung für Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, sitzt im Zentralinstitut an einem Magnetresonanztomograph.  © Uwe Anspach/dpa

So gehe man davon aus, dass psychische Erkrankungen mit Funktionsstörungen verbunden sind, die vor allem mit der dauerhaften Einnahme von Medikamenten korrigiert werden können. "Erfahrungen mit Psychedelika laufen dieser Annahme entgegen", sagt Gründer. Die Studie könne dazu beitragen, eine neue Behandlungsoption zu entdecken. Ein Schlüssel dafür könnte die langanhaltende Wirkung von Psilocybin sein.

Die Neuropsychologin Katrin Preller forscht an der Universität Zürich unter anderem zu Langzeitwirkungen verschiedener Substanzen. Das Thema hat in den vergangenen Jahren an Relevanz gewonnen, wie sie sagt.

Studien zeigten etwa, dass Psilocybin an bestimmte Rezeptoren des Serotoninsystems andockt und eine stimmungsaufhellende Wirkung entfaltet. Dies geschehe zwar nur während der Akutphase. Aber auf das Angstzentrum des Gehirns, die Amygdala, wirke sich Psilocybin noch mehrere Wochen nach Einnahme beruhigend aus. "Dieser Vorgang ist schon deshalb hilfreich, weil er es ermöglicht, die therapeutische Arbeit mit Patienten fortzusetzen", sagt die Neuropsychologin.

Stark diskutiert werde zurzeit, ob neben den rein biologischen Effekten auch der "Trip" - also die zeitweise verschobene Wahrnehmung selbst - eine Veränderung bewirkt. Dadurch könnten Patienten womöglich einen neuen Zugang zu den eigenen Emotionen erhalten und somit belastende Sichtweisen ändern.

"Ich gehe nicht davon aus, dass depressive Menschen nach der Verabreichung psychoaktiver Substanzen geheilt sind. Wirkstoffe wie Psilocybin können aber Prozesse anstoßen und damit eine Rolle bei der Behandlung psychischer Krankheiten spielen", vermutet Katrin Preller. Wie eine Art Starthilfe, fügt sie hinzu.

Titelfoto: Uwe Anspach/dpa

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