"Das ist kein Protest, das ist Provokation": Klimacamp von "Fridays for Future" sorgt für Wirbel

Augsburg - In Augsburg hat die Klimabewegung Fridays for Future besonders hartnäckige Mitstreiter. Die Aktivisten aus der schwäbischen Stadt haben vor fast einem halben Jahr ihr Protestcamp direkt neben dem prunkvollen Renaissance-Rathaus bezogen. Nun wollen die Jugendlichen auch den Winter über ihren Protest im Herzen Augsburgs fortsetzen - 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Das passt nicht allen.

Seit einem halben Jahr protestieren die Klimaschützer vor dem Rathaus in Augsburg.
Seit einem halben Jahr protestieren die Klimaschützer vor dem Rathaus in Augsburg.  © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Einige Augsburger betrachten die Aktion auf dem Fischmarkt als Provokation. Auch die Stadtverwaltung würde das sogenannte Klimacamp gerne loswerden - doch die Justiz ist bislang auf der Seite der jungen Demonstranten.

Diese fordern die Stadt auf, aktiv Klimaschutz zu betreiben, beispielsweise indem die Stadtwerke in wenigen Jahren auf den Handel mit Strom aus Kohlekraftwerken verzichten. "Wir campen, bis ihr handelt", lautet das Motto der jungen Protestler.

"Das ist für Augsburg die längste Kundgebung, die es so gibt", sagt die 18-jährige Paula Stoffels, eine der Verantwortlichen des Camps.

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Die Klimaschützer machen mit Transparenten auf ihr Anliegen aufmerksam und diskutieren mit Passanten über ihre Ziele. Etwa 20 bis 50 solche Gespräche gebe es täglich, schätzt Stoffels. Manche sind sie nach Angaben der Aktivisten schnell vorbei, manchmal dauerten die Diskussionen aber auch Stunden.

Einige Klimacamp-Gäste kritisieren die Aktivisten, andere loben die Jugendlichen. "Hauptsächlich bekommen wir Zustimmung", sagt die 18-Jährige.

Augsburger Klimacamp spaltet Meinungen

Ein Aktivist der Klimabewegung Fridays for Future steht am Protestcamp der Klimaaktivisten neben dem Rathaus.
Ein Aktivist der Klimabewegung Fridays for Future steht am Protestcamp der Klimaaktivisten neben dem Rathaus.  © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wie unterschiedlich das Camp betrachtet wird, zeigen seit Monaten auch die regelmäßigen Leserbriefe in der "Augsburger Allgemeinen". Die Meinungen gehen weit auseinander.

"Das ist kein Protest, das ist Provokation", äußerte ein Briefschreiber. "Ich finde, die jungen
Menschen machen das sehr gut", meinte hingegen eine andere Leserin in der Tageszeitung.

Solche Klimacamps gibt es laut Veranstalter in mehreren Städten, beispielsweise auch in Hamburg, Dresden und Nürnberg. Doch in Augsburg wird die Auseinandersetzung um das Camp besonders hart geführt. Denn der Stadtspitze um Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) ist der Bretterverschlag am Rande des Rathauses ein Dorn im Auge.

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"Die Versammlung auf dem Fischmarkt wird in der Stadtgesellschaft unterschiedlich wahrgenommen und bewertet", sagt Weber.

Die Stadt zieht nun vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München, um die Klimacamper loszuwerden, nachdem die Kommune in erster Instanz gescheitert ist.

Stadt ärgert sich über Aktivisten - Justiz ist auf der Seite der jungen Protestler

Das Klimacamp in Augsburg spaltet die Meinungen.
Das Klimacamp in Augsburg spaltet die Meinungen.  © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Angefangen hatten die Aktivisten am 1. Juli. Aus Protest gegen das vom Bundestag zwei Tage später beschlossene Kohleausstiegsgesetz zogen sie vor das Rathaus, weil ihnen die im Gesetz festgelegte Kohleverstromung bis 2038 viel zu lang ist.

Doch auch eine Woche nach dem Bundestagsbeschluss machten die Demonstranten keine Anstalten, ihre Versammlung aufzulösen. Bei der Stadt hingegen nahm der Ärger über diese Art des Protests zu. Rathauschefin Weber forderte die Aktivisten auf, den Platz zu räumen.

Gleichzeitig erließ die Stadt am 10. Juli einen Bescheid, dass das Camp keine vom Grundgesetz geschützte politische Versammlung mehr sei. Doch gegen die drohende Räumung zogen die Aktivisten vor das Augsburger Verwaltungsgericht.

Mit einer Eilentscheidung gaben die Richter den Demonstranten nach wenigen Tagen zunächst vorläufigen Rechtsschutz, im November folgte dann das Endurteil: Das Camp ist nach wie vor als Demonstration zu betrachten.

Streit um Klimacamp belastet Politik

Ein Aktivist der Klimabewegung Fridays for Future errichtet einen Anbau am Protestcamp der Klimaaktivisten neben dem Rathaus.
Ein Aktivist der Klimabewegung Fridays for Future errichtet einen Anbau am Protestcamp der Klimaaktivisten neben dem Rathaus.  © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Für solch eine Versammlung gebe es "keine zeitlichen Höchstgrenzen", betonte das Gericht. Selbst wenn die Teilnehmer vorübergehend im Camp schliefen, bleibe der Schutz der Versammlungsfreiheit bestehen (Az.: Au 8 K 20.1179).

Das Verfahren in München wird sich nach Angaben eines VGH-Sprechers voraussichtlich noch Monate hinziehen. Unterdessen belastet der Kurs der Verwaltungsspitze auch die schwarz-grüne Koalition in Augsburg.

Denn der Koalitionspartner der Christsozialen, die Grünen, äußern Sympathie für die Klimacamper. Seine Fraktion sehe die Entscheidung der Stadtverwaltung, zum VGH zu gehen, kritisch, erklärte Grünen-Fraktionschef Peter Rauscher.

Genau die gegenteilige Position vertritt die CSU. Der Fraktionsvorsitzende der Christsozialen, Leo Dietz, verteidigte auch die Entscheidung der Verwaltung, die Zulassung der Berufung vor dem VGH ohne Anhörung des Stadtrats zu beschließen, sehr vehement.

Denn das Klimacamp werde in seinem Erscheinungsbild sehr ambivalent aufgenommen, betonte Dietz. "Eine inhaltliche Diskussion und Klärung zu Sinn oder Unsinn dieser Aktion kann jede und jeder unserer Stadträtinnen und Stadträte für sich treffen."

Titelfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

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