Klinik als Horror-Geburtsort: "Kann man sich nicht ausmalen, wie lang sie ihn gequält haben"

Leipzig - Unter dem Motto "Baby in Gefahr - Wenn das Krankenhaus zum Risiko für die Geburt wird" hat sich "MDR exactly" dem Thema der deutschen Geburtshilfe gewidmet.

Die Geburt ihres Sohnes Felix war für Suleika Tannigel traumatisch.
Die Geburt ihres Sohnes Felix war für Suleika Tannigel traumatisch.  © MDR

In dem Beitrag kommt unter anderem Familie Tannigel zu Wort, deren siebenjähriger Sohn Felix in einem kleinen Krankenhaus ohne Kinderärzte auf die Welt kam.

Da Felix' Herztöne im Mutterleib immer wieder abgefallen waren, hätte Mutter Suleika eigentlich in ein größeres Krankenhaus mit vorhandener Geburtshilfe verlegt werden müssen. Stattdessen wurde abgewartet, der Bauch wurde immer wieder geschüttelt, um Felix "aufzuwecken". Schließlich folgte der Kaiserschnitt.

"Dann habe ich gemerkt, wie sie Felix aus mir rausgeruppt haben und dann kippte wirklich die Stimmung im Raum", erinnert sich Suleika. "Es war mucksmäuschenstill. Als sie ihn auf die Welt geholt haben, war er weiß. Er war nicht mal mehr blau. Kann man sich nicht ausmalen, wie lang sie ihn gequält haben in mir drin."

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Ein Gutachten stellte fest, dass Felix bei seiner Geburt einen schweren Sauerstoffmangel erlitten hatte und nicht richtig reanimiert worden war. Das hat Spuren hinterlassen: Der heute Siebenjährige ist schwer behindert, kann weder alleine laufen, noch sprechen und alleine essen oder trinken. Familie Tannigel will nun rechtlich gegen die Klinik vorgehen.

Erfolg vor Gericht hatte beispielsweise Sabrina Spengler, die bei der Geburt ihrer Tochter fast drei Stunden auf die Ankunft einer Kinderärztin hatte warten müssen. Bis dahin hatte die kleine Jolin bereits eine schwere Hirnschädigung erlitten, deren Folgen sie schließlich im Alter von sechs Jahren erlag. Gutachter stellten fest, dass ihr Hirnschaden und damit auch ihr Tod durch "besseres geburtshilfliches Management" hätte verhindert werden können. Die Köthener Klinik musste daraufhin ein sechsstelliges Schmerzensgeld bezahlen.

Die Tochter von Sabrina Spengler erlitt bei der Geburt so starke Schäden, dass sie bis zu ihrem Tod sechs Jahre später mit ihnen zu kämpfen hatte.
Die Tochter von Sabrina Spengler erlitt bei der Geburt so starke Schäden, dass sie bis zu ihrem Tod sechs Jahre später mit ihnen zu kämpfen hatte.  © MDR
Bei Komplikationen bei der Geburt kommt es auf jede Minute an.
Bei Komplikationen bei der Geburt kommt es auf jede Minute an.  © Annette Riedl/dpa

Geburten ohne Kinderarzt vor Ort stellen Risiko dar

Prof. Mario Rüdiger von der Uniklinik Dresden kommt in dem Beitrag zu Wort.
Prof. Mario Rüdiger von der Uniklinik Dresden kommt in dem Beitrag zu Wort.  © MDR

Wie der Beitrag darlegt, starben in Deutschland im Jahr 2021 gerechnet auf 1000 Lebendgeborene im Schnitt 3,2 Säuglinge. Viele europäische Länder stehen da deutlich besser da.

Aber auch innerhalb der Bundesrepublik sind Unterschiede erkennbar: So fällt auf, dass im Großteil der westdeutschen Bundesländer circa jedes zweite Krankenhaus eine Geburtsstation der niedrigsten Versorgungsstufe beheimatet. In den neuen Bundesländern hingegen liegt der Wert größtenteils unter 20 Prozent.

"Ich glaube, der Osten hat noch sehr von den DDR-Strukturen profitiert, wo quasi in jedem Bezirk ein Maximalversorger gewesen ist und die sich damals schon abgestimmt haben mit den regionalen Versorgern", erklärt Prof. Mario Rüdiger von der Uniklinik in Dresden. In Ländern wie NRW hingegen existieren viele kleine Kliniken, in denen keine Kinderärzte vorhanden sind.

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Prof. Rüdiger kritisiert diesen Umstand und die damit verbundene Untätigkeit der Politik scharf: "Jedes Kind hat das Recht auf eine adäquate Versorgung. Und wenn diese Versorgung erst nach einer halben Stunde oder Stunde beginnt, dann ist diese Phase einfach hochkritisch." Eine Lösung könne beispielsweise die Einrichtung regionaler Kompetenznetzwerke, wie auch Prof. Rüdiger es im Jahr 2022 aufgebaut hat. So könne die kinderärztliche Betreuung gut gewährleistet werden.

Den kompletten "MDR exactly"-Beitrag seht Ihr in der ARD-Mediathek.

Titelfoto: Montage MDR ; Annette Riedl/dpa

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