Luans (4) Trommelfell droht jede Sekunde zu platzen, doch die HNO-Ärzte streiken

Bremen - Der kleine Luan aus Bremen hat seit seiner Geburt Flüssigkeit im Ohr. Eine von den Ärzten empfohlene Nasenspray-Behandlung half nur bedingt und seit vier Wochen hört der Vierjährige gar nichts mehr. Doch die dringend benötigte Paukenröhrchen-Operation wird Luan und seiner alleinerziehenden Mutter verwehrt. Nur wenn sie selbst die OP zahlt, kann ihr Sohn operiert werden, erzählt Diana Drews im TAG24-Interview. Grund soll ein Streit zwischen den HNO-Ärzten und den Krankenkassen sein.

Luan (4) hat seit seiner Geburt Wasser im Ohr. Immer mehr habe sich über die Jahre angesammelt, auch weil die dringend notwendige OP bis jetzt nicht ermöglicht worden sei.
Luan (4) hat seit seiner Geburt Wasser im Ohr. Immer mehr habe sich über die Jahre angesammelt, auch weil die dringend notwendige OP bis jetzt nicht ermöglicht worden sei.  © privat

Luans sinkendes Hörvermögen habe Diana Drews hauptsächlich an seiner Sprachentwicklung gemerkt. Im Vergleich zu Gleichaltrigen hinke ihr Sohn deutlich hinterher.

Und auch sein Verhalten habe sich geändert: "Am Anfang war es so, dass er auf eine bestimmte Entfernung nicht mehr hören konnte. Das hat sich dann so verschlechtert, dass man jetzt nicht mal mehr mit ihm sprechen kann, wenn man ihn direkt anguckt", sagt Drews gegenüber TAG24.

Die alleinerziehende Mutter ist selbst schwerhörig und hat ihm Kind ein paar Gebärden beigebracht, damit Luan sich überhaupt noch ausdrücken kann. "Ich muss ihn immer antippen und auf mein Ohr zeigen, dann weiß er, dass ich ihm etwas sagen möchte."

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Eigentlich sollte Luan schon vor drei Jahren operiert werden, doch dann kam Corona dazwischen und nun ist es laut Drews der OP-Streik der HNO-Ärzte.

Luans Mutter beklagt: "Das sind erwachsene Menschen, die sich auf den Kosten der Kinder streiten!"

"Die Krankenkassen übernehmen nur ein Bruchteil der anfallenden Kosten. Die zahlen ungefähr 105 Euro und davon müssen dann die Materialkosten, die Operation an sich und alles drumherum bezahlt werden. Die HNO-Ärzte müssen die restlichen Kosten dann selber übernehmen, das wollen diese nicht mehr und deswegen streiken die", so Drews. Eine Paukenröhrchen-Operation starte bei rund 650 Euro.

Am 6. Juni war die Bremerin mit ihrem Sohn erneut beim Arzt und habe die niederschmetternde Nachricht erhalten, dass ihr Sohn nur operiert wird, wenn sie die OP selbst zahlt. Zudem sei der nächste freie Termin erst im November.

"Was ist das bitte für ein System, wo wir die Beiträge zahlen und die Krankenkassen zahlen die OPs nicht? Das sind erwachsene Menschen, die sich auf den Kosten der Kinder streiten! Am Ende wird es für die Krankenkassen eh nur teurer, wenn sie eine Logopädie bezahlen müssen. Was eigentlich nicht nötig wäre, wenn die OP schneller stattfinden würde."

"Die anderen Kinder denken, Luan ignoriert sie!"

Luan (4) zusammen mit seiner Mama Diana Drews.
Luan (4) zusammen mit seiner Mama Diana Drews.  © privat

Jeden Tag fürchtet Diana Drews, dass das Trommelfell ihres Sohnes platzt und er nie wieder hören kann. "Es ist aber auch die Angst im Alltag, dass er sich nicht rechtzeitig umdreht oder vor ein Auto rennt, weil er einfach nichts hört. Er muss ständig an der Hand laufen", so die verzweifelte Mutter.

Sie habe bereits alle Kliniken im Bremer Umland und Niedersachsen angerufen, doch dort gäbe es erst wieder Termine im Juni 2024.

Nicht nur für Luans sprachliche, sondern auch für seine soziale Entwicklung ist sein Hörverlust tragisch: "Wir hatten eine schwierige Anfangszeit im Kindergarten und jetzt hatte er sich gerade gut eingewöhnt. Wir haben hier auch viele Nachbarskinder, die eigentlich immer zusammen spielen, aber jetzt denken die Kinder, Luan ignoriert sie."

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Ende August soll Diana Drews den Kostenvoranschlag für die OP im November bekommen. Um das Geld für die dringende OP zusammenzukommen, hat die alleinerziehende Mutter eine Spendenkampagne auf gofundme.de gestartet.

Neben dem finanziellen Aspekt möchte sie vor allem auf die Missstände aufmerksam machen: "Ich hatte irgendwie die Hoffnung, dass ich ein paar Steine ins Rollen bringe und endlich mal etwas passiert. Ich meine, es geht ja nicht nur meinem Kind so." Allein in ihrem Umfeld sei bei einem Kind das Trommelfell geplatzt und ein anderes hätte trotz Atemaussetzer keine Mandel-OP erhalten.

KV Bremen: "Deutschlandweit sind die HNO-Ärzte auf den Barrikaden!"

Der Vierjährige aus Bremen muss dringend operiert werden. Jede Sekunde könnte sein Trommelfell platzen.
Der Vierjährige aus Bremen muss dringend operiert werden. Jede Sekunde könnte sein Trommelfell platzen.  © privat

Christoph Fox, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bremen, bestätigte gegenüber TAG24 die aktuelle Streik-Lage: "Deutschlandweit sind die HNO-Ärzte auf den Barrikaden und führen die Operationen nur noch in ganz seltenen Fällen durch."

Allerdings bestehe in Bremen eine besondere Vereinbarung zwischen der KV Bremen und der AOK Bremen/Bremerhaven über eine zusätzliche Finanzierung von HNO-Operationen.

"In Hamburg und Schleswig-Holstein wird sich aktuell ebenfalls darum bemüht, noch ist diese Vereinbarung mit der AOK Bremen aber einmalig", so Fox.

Diana Drews hat in diesem Fall das Nachsehen, nicht direkt bei der AOK Bremen, sondern bei der AOK Niedersachsen versichert zu sein, die nicht Teil der Vereinbarung ist.

"Was ist das bitte für eine Prozedur, dass ich erst einmal die Krankenkasse wechseln muss, damit mein Sohn operiert wird?", fragt Luans Mutter, die weder von den Ärzten noch von ihrer Krankenkasse über diese Möglichkeit informiert worden sei.

"Grundsätzlich gilt im Rahmen der Protestaktion, dass Notfälle immer operiert werden. Über das Vorliegen eines Notfalles bzw. eines besonderes dringenden Behandlungsfalles kann nur der behandelnde Arzt entscheiden", äußerte sich Thomas Hahn von dem Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e. V. auf Nachfrage von TAG24.

"Uns sind keine Fälle bekannt, bei denen Kinder in Notfällen nicht operiert worden sind. Auch die Option, die Operation auf Selbstzahlbasis zu erhalten, wird von unserer Seite nicht unterstützt", so Hahn. "Wir möchten mit dem Protest erreichen, dass alle Kinder, unabhängig vom sozialen Status, schnell und flächendeckend versorgt werden können."

Titelfoto: privat

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