Deutsch-deutsche Geschichte: Als Mielke der RAF "Asyl" gewährte

Deutschland - Diese Woche machte die Festnahme einer seit Jahren untergetauchten Terroristin Schlagzeilen: Daniela Klette (65) von der Roten Armee Fraktion (RAF) war Fahndern nach Jahrzehnten der Flucht ins Netz gegangen. Das weckte Erinnerungen an andere RAF-Terroristen, die einst in der DDR untertauchten - mithilfe der DDR-Staatssicherheit unter ihrem Chef Erich Mielke (†92).

Die Vorgeschichte

Inge Vietts (†78) Flucht vor den Strafverfolgungsbehörden führte sie nach Bulgarien, in die Tschechoslowakei, nach Frankreich und in den Jemen. Schließlich ließ sie sich 1982 in der DDR nieder. Sie starb 2022 im brandenburgischen Falkensee.
Inge Vietts (†78) Flucht vor den Strafverfolgungsbehörden führte sie nach Bulgarien, in die Tschechoslowakei, nach Frankreich und in den Jemen. Schließlich ließ sie sich 1982 in der DDR nieder. Sie starb 2022 im brandenburgischen Falkensee.  © IMAGO/IPON

Gegen Vietnamkrieg, Kapitalismus und Alt-Nazis in hohen Ämtern formierte sich im Westdeutschland der späten 1960er-Jahre zunehmend Widerstand.

Hervorgehend aus diesen Studentenprotesten radikalisierte sich 1968 ein "harter Kern" so sehr, dass er das System mit Waffen bekämpfen wollte.

Anfangs benannten die Medien die Gruppe nach ihren Anführern "Baader-Meinhof-Bande".

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Später setzte sich deren eigene Bezeichnung Rote Armee Fraktion durch.

Die Taten

Stasi-Chef Erich Mielke (†92) ließ die RAF-Aussteiger untertauchen, aber auch nicht mehr aus den Augen.
Stasi-Chef Erich Mielke (†92) ließ die RAF-Aussteiger untertauchen, aber auch nicht mehr aus den Augen.  © imago/United Archives International

Bombenanschläge auf Kaufhäuser und Banken wurden bald schon abgelöst durch gezielte Entführungen und Tötungen.

Zu den RAF-Opfern gehörten allein 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback (†57), der Vorstandssprecher der Dresdner Bank Jürgen Ponto (†53) und Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer (†62).

Der Staat reagierte mit Großfahndungen und neuer Gesetzgebung, ließ ein Hochsicherheitsgefängnis bauen.

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Während eine große Mehrheit der Bevölkerung die RAF ablehnte, gab es in linken Kreisen auch Solidarität mit deren Zielen.

Insgesamt wird die RAF für 34 Tötungen verantwortlich gemacht.

Die Flucht

Bei der Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer 1977 wurden dessen Fahrer und drei Leibwächter von den Terroristen erschossen.
Bei der Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer 1977 wurden dessen Fahrer und drei Leibwächter von den Terroristen erschossen.  © picture alliance / AP

Die Rote Armee Fraktion, zu der nie mehr als zeitgleich 20 Personen gehörten, operierte - natürlich - versteckt aus dem Untergrund heraus. Manche Mitglieder hatten auch genug vom Kampf, wollten aussteigen.

Da ergab sich ab 1980 für zehn von ihnen die Möglichkeit, in der DDR abzutauchen und eine neue Identität anzunehmen.

Erste Gespräche hatte es offenbar schon 1978 zwischen der Terroristin Inge Viett (†78) und einem Stasi-Mitarbeiter für Terror-Abwehr gegeben.

Als Gegenleistung für das "Asyl" in der DDR verlangte die Stasi Einblicke in die Strukturen der RAF - offenbar, um daraus wie auch immer zu lernen.

Der Alltag

Mit diesem Fahndungsplakat wurden die RAF-Terroristen gesucht. Unter ihnen auch Inge Viett (2. Reihe, 2.v.l.).
Mit diesem Fahndungsplakat wurden die RAF-Terroristen gesucht. Unter ihnen auch Inge Viett (2. Reihe, 2.v.l.).  © IMAGO/ZUMA/Keystone

Während sich die RAF-Aussteiger in der DDR unter neuen Namen bürgerliche Existenzen aufbauten - Inge Viett zum Beispiel hieß jetzt Eva-Maria Sommer und lebte als Fotografin in Dresden - wurden sie permanent von der Stasi überwacht.

Ein paar der zehn "übergesiedelten" Ex-Terroristen erregten Verdacht, weil sie von Nachbarn oder Kollegen erkannt wurden, möglicherweise nach Fahndungsaufrufen im West-Fernsehen.

Die Stasi bestand dann auf einem Umzug innerhalb der DDR, um die Spuren zu verwischen.

Die Festnahme

1990 wurden alle zehn RAF-"Asylanten" in der DDR verhaftet, offenbar hatten ein oder mehrere Stasi-Offiziere ausgepackt. Die Festgenommenen wurden zu Freiheitsstrafen zwischen sechs und 13 Jahren verurteilt und kamen danach frei. Einige sind mittlerweile verstorben.

Unklar bleibt, ob der westdeutsche Bundesnachrichtendienst schon in den 1980er-Jahren über den Verbleib der Untergetauchten Bescheid wusste oder nicht.

Titelfoto: Bildmontage: imago/ZUMA/Keystone, IMAGO/United Archives International

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