Apotheken streiken: Fragen und Antworten zum Protesttag im Südwesten!

Karlsruhe/Stuttgart - Wer am Mittwoch Hustenbonbons oder Salbe in einer Apotheke in Baden-Württemberg kaufen will, wer Pflaster braucht, Tabletten oder einen guten Rat, der dürfte sehr oft vor verschlossenen Türen stehen. Die Apothekerinnen und Apotheker machen auf ihre Situation aufmerksam und gehen gemeinsam in Stuttgart auf die Straße.

Warum protestieren die Apotheken?

Es ist nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass die Branche ihrem Ärger Luft macht.
Es ist nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass die Branche ihrem Ärger Luft macht.  © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Vor allem ächzen die Apotheker im Land nach eigenen Worten unter Bürokratie und ärgern sich über zu geringe Vergütung. Auch sind ihnen die Pläne für Gesundheitskioske ebenso ein Dorn im Auge wie die Medikamentenengpässe.

Viele verschriebene Arzneimittel seien oft nicht lieferbar und müssten aufwendig ersetzt werden, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbands, Hans-Peter Hubmann. Beispielsweise indem die Apothekerinnen und Apotheker den verschriebenen Antibiotikasaft aus Tabletten selbst herstellten.

Das koste Zeit, die nicht angemessen vergütet werde, beklagte Hubmann. "Ich kann nicht immer mehr arbeiten für das gleiche oder gar inflationsbereinigt weniger Geld."

Wie viele Apotheken gibt es in Baden-Württemberg?

Nach Angaben der Landesapothekerkammer gibt es im Südwesten noch 2264 Apotheken (Stand: 30. Juni), in Bayern sind es 2820 öffentliche Apotheken. Klingt viel, es werden aber immer weniger. Die Zahl der Apotheken in Baden-Württemberg sinkt seit Jahren stetig.

Im Jahr 2014 waren es im Land noch gut 2600 gewesen; Ende des letzten Jahres immerhin noch rund 2300. Die sogenannte Apothekendichte - also die Zahl der Apotheken je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner - ist zum Jahresende 2022 mit 21 Läden geringer gewesen als im Bund (22).

Wie wirkt sich dieser Trend aus?

Vor allem auf dem Land sind viele Wege zur nächsten Apotheke lang geworden. Auch die Versorgung im Notdienst sei ausgedünnt, beklagt der Landesapothekenverband (LAV). "Das Versorgungsniveau ist als gerade noch ausreichend zu beschreiben", sagte dazu ein Sprecher des LAV.

Warum gibt es überhaupt Schließungen?

Zum einen spielen da der Standort und die Ärztedichte eine Rolle. Zum anderen ist die wirtschaftliche Situation schlecht, Apotheken seien in vielen Fällen nicht mehr auskömmlich, heißt es bei Kammer und Verband. Apotheker müssten steigende Betriebskosten stemmen. Die staatlich geregelte Vergütung aber sei in den vergangenen 20 Jahren nur einmal angehoben worden.

Viele Apotheker klagen über zu geringes Honorar sowie zu viel Bürokratie.
Viele Apotheker klagen über zu geringes Honorar sowie zu viel Bürokratie.  © Hannes Albert/dpa

Wie steht es um den Nachwuchs?

Laut Verband verzeichnet die Branche einen erheblichen Nachwuchsmangel. Nach dem Studium entschieden sich die Apotheker vielfach lieber für einen gut bezahlten Job in der Industrie. Mit den Gehältern dort könnten Apotheken nicht mithalten, betont der LAV.

Wegen fehlender wirtschaftlicher Perspektive scheuten sich viele auch, sich mit einer Apotheke selbstständig zu machen. "Betriebe, die zum Beispiel aus Altersgründen abgegeben werden wollen, finden keine 'Käufer' oder Nachfolger, weil die wirtschaftliche Perspektive nicht gesichert ist", teilte der Sprecher mit.

Was ist am Mittwoch geplant?

Die Apothekerschaft aus Baden-Württemberg und Bayern trifft sich mit ihren Teams um 12.05 Uhr zur Kundgebung auf dem Schlossplatz in Stuttgart. "Unser Protest beginnt nicht umsonst um 12.05 Uhr, denn unsere aktuelle Situation ist mehr als besorgniserregend", erklärt Tatjana Zambo, die Präsidentin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg.

"Es ist für unseren Berufsstand nicht mehr 5 vor 12, sondern schon 5 nach 12." Erwartet werden laut Verband 20 Busse aus Bayern, zudem bis zu 4000 Demonstrierende aus Baden-Württemberg. Bei der Kundgebung sollen auch Vertreter der Angestellten, der Ärzteschaft und von Patientenorganisationen zu Wort kommen.

Was bedeutet das am Mittwoch für Kunden?

Tausende Apotheken werden geschlossen sein, aber nach Angaben des Landesapothekerverbandes ist die Versorgung mit Arzneimitteln gesichert. Notdienstapotheken sollen geöffnet bleiben. Der Verband empfiehlt aber, planbare Medikamente vor dem Protesttag oder am Donnerstag danach zu kaufen.

Dringende Medikamente müssen am Mittwoch vielerorts bei einem Notdienst geholt werden.
Dringende Medikamente müssen am Mittwoch vielerorts bei einem Notdienst geholt werden.  © picture alliance / dpa

Ist das der einzige landesweite Protest gegen die Apothekenpolitik?

Nein, aus Protest gegen die Gesundheitspolitik sind bereits am vergangenen Mittwoch in Westdeutschland viele Apotheken geschlossen geblieben. Begonnen hatte der Protest-Monat am 5. November in Hannover mit einer zentralen Kundgebung für Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Nach der Kundgebung in Stuttgart wollen Apothekerinnen und Apotheker am 29. November auch in Dresden zusammenkommen, begleitet von Schließungen in Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen.

Titelfoto: picture alliance / dpa

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