Sie fühlen sich immer wohler bei uns: Tiere in der Stadt – einfach niedlich oder ein Ärgernis?

Dresden/Leipzig - Nicht nur auf dem Land sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Auch in unseren Städten leben wilde Tiere mitten unter uns, und es werden scheinbar ständig mehr. Doch wer sind die tierischen Mitbewohner und welche Gefahren bringen sie mit sich?

Auch wenn sie nicht zu sehen sind: In unseren Städten wimmelt es von Wildtieren.
Auch wenn sie nicht zu sehen sind: In unseren Städten wimmelt es von Wildtieren.  © imago/Olaf Döring

Von Ratten über Waschbären bis hin zu Wildschweinen und Rehen – "theoretisch lebt in Städten, bis auf ganz wenige Arten wie dem Rothirsch, eigentlich alles", erklärt Prof. Dr. Dr. Sven Herzog von der Abteilung für Wildökologie und Jagdwirtschaft an der TU Dresden.

Dabei finden sie Unterschlupf in Parks, Kleingärten, auf Brachflächen oder in Hausgärten. "Unsere Städte werden grüner und durchlässiger. Dresden hat zum Beispiel eine Wildbrücke im Norden. Außerdem haben Tiere in der Stadt Ruhe. Hier werden sie kaum bejagt. Schließlich finden sie dort reichlich Nahrung", zählt Herzog Gründe auf.

Dies würden nicht nur die "typischen" Stadtbewohner wie Marder und Fuchs ausnutzen. "Auch Wanderfalken finden in großen Städten gute Bedingungen. Sie brüten in Gebäudenischen von Hochhäusern, nutzen die Thermik und finden Beute in Form von Tauben."

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Dabei bleiben Probleme zwischen Mensch und Wildtier aber nicht aus. "Wenn Menschen mit Wildtieren zusammenkommen, gibt es immer verschiedene Sichtweisen, und die muss man unter einen Hut kriegen", erklärt Sven Herzog.

Während Wildschweine immer häufiger vorm Jagddruck in die Städte fliehen...
Während Wildschweine immer häufiger vorm Jagddruck in die Städte fliehen...  © 123RF/jmrocek
... werden Füchse hier seltener.
... werden Füchse hier seltener.  © 123RF/jmrocek

Wildtiere im Garten nicht töten, sondern sich Hilfe holen!

In großen Städten siedeln sich inzwischen sogar Wanderfalken an.
In großen Städten siedeln sich inzwischen sogar Wanderfalken an.  © IMAGO/Nature Picture Library

So sei der Gärtner dem Maulwurf selten gut gesonnen, anderen sei der hingegen egal. Manche würden Waschbären füttern, weil sie niedlich sind, andere wollen sie loswerden, weil sie Schäden anrichten.

"Da muss man mit einer gewissen Gelassenheit Lösungen finden, mit denen alle leben können", sagt Sven Herzog.

Sein Appell: "Tiere sind auch fühlende Wesen. Wenn man sie nicht haben will, sollte man sie nicht vergiften oder ohne Vorkenntnisse Fallen aufstellen. Sondern sich an Fachleute wenden und gemeinsam das Problem lösen. Das kann durchaus mal dazu führen, dass man Tiere entfernt. Aber auch dafür muss man um Verständnis werben."

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Darüber hinaus gehe von Wildtieren in Deutschland kaum Gefahr aus, meint der Experte. Vorsicht sei jedoch geboten, wenn diese Krankheiten übertragen. So kann der vom Fuchs übertragene Fuchsbandwurm zum Beispiel tödliche Leberschäden hervorrufen.

Herzog warnt deshalb: "Im Garten sollte man keine ungewaschenen Früchte und Salate essen! Das gilt ebenso in Kleingärten wie auch auf Feldern zum Selberpflücken."

Auch der Wolf ist auf dem Sprung

Kommt der Wolf auch in unsere Städte?
Kommt der Wolf auch in unsere Städte?  © picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

Der Wolf gehört bislang nicht zu unseren städtischen Bewohnern. Doch das könnte sich auch ändern, meint Sven Herzog. "Das ist eine Frage der Zeit und des Umgangs mit dem Wolf. Im Moment haben wir eine Totalschutz-Situation. Das führt dazu, dass er gerade in kleineren Städten mal durchläuft oder dort auftaucht. Aber es ist noch nicht sein Kernlebensraum geworden."

Dass sich Wölfe in Städten aber durchaus wohlfühlen können, würden Fälle aus Rumänien zeigen. "Das funktioniert dort. Und auch bei uns kann das in den nächsten Jahren passieren, wenn die Tiere weiterhin lernen, dass der Mensch harmlos ist."

Vögel sind nur allzu oft Beute

Buchfinken (l.) gehören noch zu den häufigsten Vogelarten in Europa. Die Blaumeise sieht man auch noch häufig am Vogelhaus, aber sie wird immer seltener.
Buchfinken (l.) gehören noch zu den häufigsten Vogelarten in Europa. Die Blaumeise sieht man auch noch häufig am Vogelhaus, aber sie wird immer seltener.  © Bildmontage: imago/Westend61, imago/imagebroker

Gehörten Singvögel einst zum Stadtbild dazu, werden diese immer seltener. Aber nicht, weil sie den Abflug machen. Sondern weil sie zunehmend gefressen werden – vor allem von Hauskatzen, aber auch von Waschbären.

"Die Hauskatze ist eines der größten Probleme für die Artendiversität im Siedlungsraum", urteilt Prof. Sven Herzog. "Die Katzenhaltung hat massiv zugenommen und viele Menschen mit ihren Katzen haben offenbar auch relativ wenig Verständnis für Wildtierlebensräume."

Haben unsere Singvögel zum Fressen gern: Freigänger-Katzen.
Haben unsere Singvögel zum Fressen gern: Freigänger-Katzen.  © imago/Design Pics

Ratten lieben die Kanalisation

Ratten übertragen viele Krankheiten.
Ratten übertragen viele Krankheiten.  © 123RF/creativenature

Am häufigsten findet man Ratten und Mäuse in unseren Städten. Sie leben buchstäblich unter uns, in der Kanalisation. Und die Zahl, insbesondere von Ratten, nimmt zu.

"Früher hatte man eine einzige Kanalisation. Da lief Schmutzwasser und Regenwasser zusammen. Heute trennt man das aus Kostengründen, damit die Kläranlagen nicht zu stark belastet werden. Das führt dazu, dass bei Starkregenfällen nicht wie früher Ratten im großen Teil in den Kanälen ertrinken", erklärt Prof. Sven Herzog.

Um die Nager nicht zusätzlich zu "füttern", sollte man Essensreste nie über die Toilette oder auf dem Kompost entsorgen.

Stadtjäger warnt vor Waschbären

Niedlicher Räuber: Waschbären werden immer mehr zur Plage.
Niedlicher Räuber: Waschbären werden immer mehr zur Plage.  © 123RF/moosehenderson

Werden Wildtiere zur Plage, ruft das Stadtjäger wie Falk Röhner (50) auf den Plan. Der Kaufmann ist seit fünf Jahren nebenberuflich als Jäger bei der Jagdgenossenschaft Leipzig angestellt. Er stellt klar: "Wenn Tiere nur durch die Gegend streifen, machen wir nichts. Nur wenn es einen messbaren Schaden gibt, greifen wir ein."

Besonders häufig jagt er dabei Waschbären, Füchse und Marder, seltener Wildschweine, Rehe und auch mal Dachse in den Leipziger Randbezirken. "Der Waschbär hat massiv zugenommen, dafür der Fuchs, Igel und Singvögel abgenommen. Wo der Waschbär ist, ist fast kein Fuchs mehr", sagt Falk Röhner.

Auch, weil Waschbären durchaus junge Füchse erbeuten können. "Wir haben mal eine Gruppe im Wald mit Infrarotkameras beobachtet. Die sind wie eine Gangsterbande durchgezogen und haben alles getötet und gefressen, was lebendig war", erinnert er sich.

In Leipzig leben die intelligenten Raubtiere bevorzugt in Kleingartenanlagen. "Ein Waschbär im Garten frisst alles, was nicht aus Holz ist", meint Röhner.

Falk Röhner (50) ist Stadtjäger in Leipzig.
Falk Röhner (50) ist Stadtjäger in Leipzig.  © Eric Münch

Ein Fall ist ihm besonders in Erinnerung geblieben: "Wir haben einmal erlebt, dass ein Waschbär durch die Katzenklappe in die Wohnung eingedrungen ist und die Wohnung total zerlegt hat. Da ist eine Hausdurchsuchung der Polizei ein Witz dagegen."

Auch warnt er Hundehalter: "Ein Hund hat keine Chance gegen einen Waschbären. Im besten Fall überlebt der Hund das. Wenn der Hund dem Waschbären aber ins Wasser folgt, ist das immer der Tod des Hundes."

Titelfoto: Bildmontage: imago/Olaf Döring, 123RF/jmrocek,

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