Polarfuchs im Wohnzimmer: Umstrittenes Geschäft mit Wildtieren boomt
Maßweiler/Mainz/Saarbrücken - Berührungsängste kannte er vom ersten Moment an nicht. Kaum war "Wukk" angekommen, flitzte er durch sein neues Zuhause, sprang in eine der unterirdischen Höhlen und wollte mit seinen Mitbewohnern spielen.
"Er ist total aufgeweckt und vorwitzig", sagt die Biologin Eva Lindenschmidt. "Wukk "ist ein junger Polarfuchs. Vor wenigen Tagen traf er in der TIERART-Station im rheinland-pfälzischen Maßweiler ein.
Zuvor hatte er laut der Tierschutz-Stiftung "Vier Pfoten" in einem winzigen Käfig in einer Privatwohnung bei Wien vor sich hinvegetiert, bevor er von den Behörden beschlagnahmt wurde.
In der Wildtierstation - der größten dieser Art in Deutschland - hat er nun die Umgebung gefunden, die er für ein artgerechtes Leben näher braucht: In einem großen Freigehege mit Höhlen und der Möglichkeit zum Graben und Verstecken.
Neben der Rotfüchsin "Singsing" fühlt sich hier auch "Jackson" schon seit einigen Jahren wohl.
Der silberfuchs-farbene Rüde stammt aus einer Zucht, die speziell darauf ausgelegt ist, domestizierte Füchse als Haustiere zu vermarkten.
"Keiner fragt, wo die exotischen Tiere herkommen"
Das umstrittene Geschäft mit solchen Tieren boomt offenbar: "Es gibt einen sehr großen Markt, vor allem Richtung Polen und Tschechien, und Unmengen an Züchtern. Wenn man Geld dabei hat, kann man sich jedes exotische Tier gleich mitnehmen - und keiner fragt, wo es hinkommt oder ob man selbst Erfahrung oder einen Sachkundenachweis hat", berichtet Lindenschmidt, die stellvertretende Leiterin der TIERTART-Station.
Lustige Videos von Wildtieren im Internet, die ein falsches Bild vermitteln, hätten das Problem zusätzlich verschärft. Hinzu kommt, dass viele Menschen offenbar immer neue Reize benötigen.
"Meerschweinchen und Guppys haben ausgedient", meint auch Sandra Altherr, Projektleiterin der Organisation Pro Wildlife. "Stattdessen sind jetzt Graupapageien, Schildkröten, Giftschlangen und Löwen gefragt - größer, außergewöhnlicher, gefährlicher. Dabei verursacht dieser Trend erhebliches Tierleid."
Hierzulande sind aber Pumas und Löwen in Privathaltung doch eher die Ausnahme.
Deutschland und die EU gehören zu den größten Absatzmärkten für lebende Wildtiere
Das Problem ist nach Ansicht der Tierschützer, dass es in Deutschland keine bundeseinheitliche Regelung für die Privathaltung von Wildtieren gibt. Bislang hätten neun Bundesländer darauf reagiert und eigene Verordnungen über die Haltung gefährlicher oder giftiger Tiere erlassen.
"In Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt dürfen Löwen oder Krokodile leider weiterhin legal gehalten werden", so Lindenschmidt.
Die Tierschützer fordern diese Länder nachdrücklich auf, eigene umfassende und weitreichende Gefahrtierverordnungen einzuführen.
Laut Pro Wildlife gehören Deutschland und die EU zu den größten Absatzmärkten für lebende Wildtiere.
Den Besitzern der exotischen Tiere fehlt nach Ansicht von Eva Lindenschmidt jegliches Problem- und Unrechtsbewusstsein: Den Puma "Tikam", der seit drei Jahren in der TIERART-Station lebt, habe ein Privatmann aus Baden-Württemberg für 2000 Euro in Tschechien gekauft und in seiner Wohnung gehalten.
Als es Beschwerden der Vermieterin gab und das Veterinäramt mit Beschlagnahmung drohte, habe er den Puma widerwillig abgegeben.
"Er hat nicht verstanden, warum man sich über die Haltung aufregte", berichtet Lindenschmidt.
Titelfoto: Oliver Dietze/dpa