Ukraine-Krieg, Tag 48: Bereits 403 Leichen in Butscha gefunden

Kiew (Ukraine) - Es ist Tag 48 Tagen des Krieges gegen die Ukraine. Im Osten hat das Land seine stärksten und erfahrensten Truppen stationiert. Dort sammelt Russland nun seine Verbände zum Angriff. Das Kommando führt ein General mit zweifelhaftem Ruhm aus Syrien. Alle aktuellen Entwicklungen aus dem Krisengebiet im TAG24-Liveticker.

In Mariupol flüchten Bewohner vor dem Krieg.
In Mariupol flüchten Bewohner vor dem Krieg.  © -/Victor/XinHua/dpa

Im Osten der Ukraine zeichnet sich nach Erkenntnissen westlicher Militärs eine russische Großoffensive mit Zehntausenden Soldaten und dem massiven Einsatz von Panzern, Artillerie und Luftwaffe ab.

Der österreichische Kanzler, Karl Nehammer (49), äußerte sich nach einem Treffen beim russischen Präsidenten, Wladimir Putin (69), in Moskau pessimistisch. Die russische Armee bereite eine Offensive in der Ostukraine vor, sagte er.

In der fast zerstörten Stadt Mariupol soll es einen Angriff der Russen mit einer chemischen Substanz gegeben haben. Eine Bestätigung gab es nicht, die USA und Großbritannien reagierten aber besorgt.

Hamburgs Bürgermeister Tschentscher überraschend nach Kiew gereist
Ukraine Hamburgs Bürgermeister Tschentscher überraschend nach Kiew gereist

Putin will sich am Dienstag im Fernen Osten mit dem belarussischen Präsidenten, Alexander Lukaschenko (67), treffen.

Die Geschehnisse des gestrigen Tages könnt Ihr im TAG24-Ticker (11. April) nachlesen. Alle aktuellen Entwicklungen im Zuge des Krieges in der Ukraine am heutigen Dienstag, 12. April gibt es wie gewohnt hier in unserem Liveticker.

22.37 Uhr: Habeck zu Waffenlieferungen: "Jetzt muss das Zeug da runter"

Vizekanzler Robert Habeck drückt bei den deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine aufs Tempo. "Es nützt nichts wenn wir sagen: In einem Dreivierteljahr kriegt ihr irgendwas. Jetzt muss das Zeug da runter. Und so handeln wir auch", sagte Habeck am Dienstagabend auf ProSieben und SAT.1.

Die Ukraine fordert mit Blick auf die erwartete Offensive Russlands in der Ostukraine schwere Waffen wie Kampfpanzer, Artilleriegeschütze und Luftabwehrsysteme von Deutschland. "Wir erwarten den Angriff der Russen ja in den nächsten Tagen. Das heißt, alles, was der ukrainischen Armee jetzt hilft, muss schnell geliefert werden", sagte Habeck. Er betonte aber auch, dass sich die liefernden Länder "nicht total entblößen" dürften, also ihre eigene Verteidigungsfähigkeit erhalten müssten.

21.15 Uhr: Nach Absage an Steinmeier lädt die Ukraine Scholz ein

Nach der Ablehnung eines Besuchs des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier hat die Ukraine Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Kiew eingeladen.

Mehr dazu hier: Steinmeier in der Ukraine unerwünscht, aber der Kanzler darf kommen

20.49 Uhr: Bereits 403 Leichen in Butscha gefunden

Im Kiewer Vorort Butscha ist die Zahl der nach dem Abzug russischer Truppen gefundenen Leichen weiter gestiegen. "Wir haben 403 Tote, die bestialisch gefoltert, ermordet wurden", sagte Bürgermeister Anatolij Fedorok nach örtlichen Medienberichten am Dienstag.

Nach seinen Angaben begann an dem Tag die Exhumierung von Leichen eines zweiten Massengrabes mit 56 Toten. Mindestens 16 Menschen würden noch vermisst. Das Oberhaupt der Kleinstadt mit ehemals rund 36.000 Einwohnern erwartet demnach noch weitere Leichenfunde.

Der Generalstaatsanwaltschaft zufolge haben französische Experten von Gendarmerie und des medizinischen Dienstes der französischen Armee ihre Arbeit aufgenommen. "Die gesammelten Beweise werden in den nationalen Ermittlungen genutzt und ebenfalls an den Internationalen Strafgerichtshof übergeben", sagte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa. Mit einem mobilen Labor zur DNA-Analyse sollen die Experten 15 Tage in dem Ort bleiben.

Nadija Trubtschaninowa sitzt auf einem Friedhof neben einem Plastiksack, der die Leiche ihres Sohnes Wadym enthält, nachdem er am 30. März von russischen Soldaten in Butscha getötet wurde.
Nadija Trubtschaninowa sitzt auf einem Friedhof neben einem Plastiksack, der die Leiche ihres Sohnes Wadym enthält, nachdem er am 30. März von russischen Soldaten in Butscha getötet wurde.  © Rodrigo Abd/AP/dpa

19.56 Uhr: Russland droht schwerster Einbruch der Wirtschaftsleistung seit 1994

Russland droht wegen der westlichen Sanktionen im Zuge seines Krieges in der Ukraine in diesem Jahr der schlimmste Einbruch bei der Wirtschaftsleistung seit fast drei Jahrzehnten.

Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) werde in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr bei mehr als zehn Prozent liegen, sagte der Chef des russischen Rechnungshofes, Alexej Kudrin, am Dienstag im Haushaltsausschuss des Föderationsrates in Moskau.

Wie die russische Wirtschaftszeitung "Wedomosti" berichtete, wäre das der stärkste Konjunktureinbruch seit 1994. Damals sei das BIP um 12,7 Prozent gesunken. Die Inflation könnte in diesem Jahr in Russland auf bis zu 20 Prozent steigen, hieß es.

Russland sieht sich nach seinem Angriff auf die Ukraine den weitreichendsten Sanktionen seiner Geschichte ausgesetzt. Kudrin sagte, dass sich der Rückgang beim BIP auf den Staatshaushalt auswirken werde. Das Finanzministerium werde dann Mittel umverteilen müssen.

18.43 Uhr: Drei Ampel-Politiker zu Solidaritätsbesuch in der Ukraine

Drei führende deutsche Parlamentarier der Ampel-Koalition sind in die Ukraine gereist, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen.

Die Vorsitzenden der Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung und Europa - Michael Roth (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne) - trafen am Dienstag in der westukrainischen Stadt Lwiw ein, wo sie Gespräche mit Abgeordneten des ukrainischen Parlaments Rada führen wollten. Alle drei Politiker hatten zuletzt mehr Tempo bei Waffenlieferungen gefordert.

Es sind die hochrangigsten deutschen Politiker, die seit Kriegsbeginn vor sieben Wochen die Ukraine besuchen. In der vergangenen Woche war bereits der SPD-Bundestagsabgeordenete Frank Schwabe mit einer Delegation des Europarats dort. Aus Polen, Großbritannien, Österreich Tschechien, Slowenien und der Slowakei sind bereits die Regierungschefs nach Kiew gereist, um der Ukraine im Kampf gegen die russischen Angreifer den Rücken zu stärken. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war am Freitag dort.

17.50 Uhr: Ukraine-Reise Steinmeiers geplatzt

Eine geplante Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Kiew ist geplatzt, weil er dort offensichtlich nicht willkommen ist.

Mehr dazu hier: "In Kiew nicht gewünscht": Ukrainer lassen Bundespräsident Steinmeier abblitzen

16.30 Uhr: Putin zu Toten in Butscha: "Fake" und "Provokation"

Kremlchef Wladimir Putin hat Vorwürfe zu russischen Kriegsverbrechen in der ukrainischen Stadt Butscha als "Provokation" und "Fake" bezeichnet. Die USA hätten in der Vergangenheit mutmaßliche Chemiewaffen im Irak als Vorwand genutzt für einen Einmarsch in das Land.

"Genauso einen Fake gibt es in Butscha", sagte er am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko auf dem Weltraumbahnhof Wostotschny in Russlands Fernem Osten.

"Viele sagen, dass die Vereinigten Staaten bereit sind, gegen Russland bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen. Und so ist es auch", sagte Putin. Er wirft den USA seit langem vor, die Ukraine und die immer neuen Sanktionen als Druckmittel gegen Russland zu benutzen.

Die Ukraine beschuldigt die russischen Truppen, in Butscha, einem Vorort der Hauptstadt Kiew, ein Massaker unter Zivilisten angerichtet und Hunderte Menschen, teils gefesselt, erschossen zu haben.

Putin hält die Vorwürfe zu russischen Kriegsverbrechen in Butscha für "Provokation" und "Fake".
Putin hält die Vorwürfe zu russischen Kriegsverbrechen in Butscha für "Provokation" und "Fake".  © Evgeny Biyatov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

15.52 Uhr: Putin: Westlicher "Blitzkrieg" gegen Russlands Wirtschaft gescheitert

Russlands Präsident Wladimir Putin hat einen vermeintlichen westlichen "Wirtschaftskrieg" gegen sein Land für gescheitert erklärt. "Dieser Blitzkrieg, auf den unsere Missgönner gesetzt haben, ist natürlich fehlgeschlagen, das ist offensichtlich", sagte Putin am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko im Osten Russlands. Russlands Wirtschaft und Finanzsystem stünden "fest auf beiden Beinen".

Zugleich räumte der Kremlchef auch Probleme durch die wegen Russlands Krieg in der Ukraine verhängten westlichen Sanktionen ein - etwa in der Logistik und bei Abrechnungen. "Natürlich gibt es Probleme", sagte Putin. Die Waren, darunter etwa Dünger, würden ihren Weg aber trotzdem zum Kunden finden. "Die Wirtschaft arbeitet ziemlich stabil", sagte Putin.

Russland sei auch auf möglicherweise weiter steigende Risiken gefasst. Die Schwierigkeiten würden aber gemeistert und machten Russland am Ende stärker. "Wir werden weiter jedem beliebigen Versuch entgegentreten, die Entwicklung unserer Länder zu bremsen und künstlich von der Weltwirtschaft zu isolieren."

15.13 Uhr: Ukrainischen Soldaten in Mariupol gehen offenbar Lebensmittel aus

In der umkämpften und fast völlig zerstörten Hafenstadt Mariupol haben ukrainische Soldaten Medien zufolge über zur Neige gehende Lebensmittel- und Munitionsvorräte berichtet.

Seit Beginn der Belagerung durch russische Truppen vor rund sechs Wochen seien keine Lieferungen mehr zu ihnen durchgekommen, sagt ein Soldat in einem am Dienstag zuerst auf Facebook veröffentlichten Video. Der Mann, der sich und seine Kameraden als Mitglieder der 36. Marineinfanteriebrigade aus Mariupol vorstellt, trägt einen Bart und hat tiefe Augenringe.

Wo der Clip aufgenommen wurde, war zunächst nicht klar. Viele der verbliebenen ukrainischen Kämpfer haben sich offensichtlich im Stahlwerk "Asowstal" verschanzt. Am Montag bekräftigte der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj, die Verbindung zu den Verteidigern Mariupols sei nicht abgerissen. Er reagierte damit auf angebliche Vorwürfe der Marineinfanteristen, es gebe seit zwei Wochen keinen Kontakt mehr zur ukrainischen Militärführung.

Bewohner von Mariupol gehen an stark beschädigten Gebäuden entlang.
Bewohner von Mariupol gehen an stark beschädigten Gebäuden entlang.  © -/Victor/XinHua/dpa

14.34 Uhr: IT-Experten: Neue Angriffe auf Strom-Infrastruktur in der Ukraine

Die ukrainische Strom-Infrastruktur ist nach Erkenntnissen von Experten Ziel neuer Cyberangriffe aus Russland. Speziell werde versucht, Umspannwerke lahmzulegen, berichtete die IT-Sicherheitsfirma Eset am Dienstag.

Die Eset-Forscher entdeckten gemeinsam mit ukrainischen Behörden eine neue Version der Schadsoftware "Industroyer", die bereits 2016 von der Hacker-Gruppe "Sandworm" eingesetzt worden war. Bei "Sandworm" gehen westliche IT-Experten und Geheimdienste von einer Verbindung zum russischen Militärgeheimdienst GRU aus.

In der Ukraine spielte sich einer der wenigen bekannten Fälle erfolgreicher Cyber-Sabotage im Stromnetz mit einem großflächigen Ausfall im Dezember 2015 ab. Auch diese Attacke gilt als Werk russischer Hacker.

Titelfoto: Rodrigo Abd/AP/dpa

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