Ukraine-Krieg, Tag 109: Klitschko pocht auf weitere Unterstützung vor Scholz-Besuch

Kiew (Ukraine) - Seit inzwischen 109 Tagen führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Das Geschehen in der Ostukraine und vor allem rund um Sjewjerodonezk steht weiter im Mittelpunkt. Die ukrainische Armee versucht, den Vormarsch der russischen Truppen aufzuhalten und sie zurückzudrängen. Alle aktuellen Entwicklungen gibt es Ihr hier im TAG24-Liveticker.

Soldaten bereiten sich in Lyssytschansk mit einem gepanzerten Fahrzeug mit aufmontierten Maschinengewehren auf den Einsatz an der Front vor.
Soldaten bereiten sich in Lyssytschansk mit einem gepanzerten Fahrzeug mit aufmontierten Maschinengewehren auf den Einsatz an der Front vor.  © Rick Mave/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa

Nach anderen europäischen Spitzenpolitikern steht nun offenbar auch Bundeskanzler Olaf Scholz (63) vor einer Reise nach Kiew. Derweil gehen im Osten des Landes die Kämpfe weiter, in denen die russische Armee ihre Überlegenheit bei Artillerie und Munition für Landgewinne nutzen will.

Scholz hatte zuletzt gesagt, er würde nur nach Kiew reisen, wenn konkrete Dinge zu besprechen wären. Zwischen Berlin und Kiew hatte es in den vergangenen Monaten einige Spannungen gegeben.

Neben der früheren Russland-Politik des heutigen Bundespräsidenten, Frank-Walter Steinmeier (66, SPD) kritisierte die ukrainische Seite, es dauere zu lange, bis zugesagte Waffenlieferungen auch tatsächlich ankämen.

Ukraine-Krieg: USA beobachten russischen Angriff mit Sorge
Ukraine Ukraine-Krieg: USA beobachten russischen Angriff mit Sorge

Die wichtigsten Geschehnisse des gestrigen Tages könnt Ihr im TAG24-Ticker vom Samstag nachlesen. Alle Entwicklungen im Zuge des Krieges in der Ukraine am heutigen Sonntag, dem 12. Juni, gibt es hier im Liveticker.

21.44 Uhr: Klitschko pocht auf weitere Unterstützung vor Scholz-Besuch

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko (50) hat hohe Erwartungen an einen möglichen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (63) in der Ukraine.

"Wir brauchen von den drei Führern der wichtigsten Länder harte Unterstützungssanktionen und Waffen so schnell wie möglich", sagte Klitschko der "Bild" und erneuerte seine Forderung nach mehr Munition und moderner Waffen.

Er höre vom Militär, dass die seit Monaten angekündigte Unterstützung zwar zum Teil komme, aber nicht in der gewünschten Menge. "Das bedeutet: Wir verlieren einen Teil unseres Territoriums, wir verlieren Menschenleben", sagte Klitschko.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko (50).
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko (50).  © dpa/Jan Woitas

18 Uhr: Britischer Soldat stirbt in der Ukraine - Familie würdigt ihn als Helden

"Wir sind so stolz auf ihn": Eine britische Familie hat ihren Sohn auf Facebook gewürdigt, nachdem er als Soldat im Ukraine-Krieg gefallen ist.

Vergangenen Freitag erhielt seine Familie die erschütternde Nachricht, dass Jordan Gatley bei den schweren Kämpfen rund um die Stadt Sjewjerodonezk ums Leben kam.

Jordan diente vor dem Krieg als Soldat in der britischen Armee. Im März habe er sich nach "sorgfältiger Überlegung" jedoch dazu entschlossen, seine Heimat Derbyshire zu verlassen und am Ukraine-Krieg teilzunehmen.

"Sein Trupp sagte, dass sie ihn alle geliebt haben, genau wie wir, und er hat das Leben vieler Menschen massiv verändert - nicht nur als Soldat, sondern auch durch die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte", schrieb Jordans Vater Dean Gatley.

16.20 Uhr: Ukrainische Botschafter fordert, dass Scholz Worten Taten folgen lässt

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk (46) fordert bei der geplanten Kiew-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) konkrete Zusagen.

"Wir hoffen, dass der Kanzler bei seinem Besuch in Kiew endlich die deutschen Versprechen wahrmacht, was die Waffenlieferungen und auch den EU-Beitritt der Ukraine betrifft", sagte er dem "Spiegel". Bis heute warte man auf die Lieferung von schweren Waffen wie der Panzerhaubitze 2000 und des Gepard-Flugabwehrpanzers, kritisierte Melnyk.

Nur Ankündigungen allein seien im Krieg keine Hilfe gegen die Invasoren. Man erhoffe sich deswegen vom Kanzler konkrete Daten, wann die Waffen kommen. "Zumal die Versprechen bereits Monate zurückliegen."

14.45 Uhr: Ostukrainischer Separatistenführer hält an Todesurteil gegen ausländische Kämpfer fest

Der pro-russische Separatistenführer Denis Puschilin hat Forderungen nach eine Aufhebung der Todesurteile gegen drei in der Ostukraine gefangen genommene ausländische Kämpfer zurückgewiesen.

"Sie sind in die Ukraine gekommen, um für Geld Zivilisten zu töten. Deshalb sehe ich keine Grundlage für eine Abmilderung des Strafmaßes", sagte der Chef der selbsterklärten "Volksrepublik Donezk" am Sonntag in Mariupol.

Der Oberste Gerichtshof in Donezk hatte die Briten Aiden Aslin und Shaun Pinner sowie den Marokkaner Brahim Saadun am Donnerstag zum Tode verurteilt. Er warf ihnen vor, als Söldner für die Ukraine gekämpft zu haben. Die Familien der beiden Briten wiesen dies zurück. Nach ihren Angaben waren beide bereits im Jahr 2018 in die Ukraine gezogen, haben ukrainische Partnerinnen und dienen seit Jahren im ukrainischen Militär. Pinners Familie sprach am Samstag von einem "illegalen Schauprozess". Sie sei am "Boden zerstört".

Auch Saaduns Freunde und sein Vater versicherten, der 21-Jährige sei kein Söldner. Demnach hatte der junge Marokkaner in der Ukraine studiert und sich bereits im vergangenen Jahr dort der Armee angeschlossen.

Denis Puschilin (41), Chef der selbst ernannten Volksrepublik Donezk.
Denis Puschilin (41), Chef der selbst ernannten Volksrepublik Donezk.  © Alexander Ryumin/TASS/dpa

12.41 Uhr: Russlands Militär beschießt Waffenlager im Westen der Ukraine

Die russischen Streitkräfte haben eigenen Angaben zufolge ein großes Waffenlager bei Ternopil im Westen der Ukraine angegriffen.

"Hochpräzise seegestützte Kalibr-Langstreckenraketen haben in der Nähe des Ortes Tschortkiw in der Region Ternopil ein großes Lager mit Panzerabwehrraketensystemen, tragbaren Flugabwehrraketensystemen und Artilleriegeschossen zerstört", teilte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Sonntag mit.

Dabei habe es sich um Waffen gehandelt, die die USA und europäische Länder der Ukraine geliefert hätten. Laut Verteidigungsministerium wurden vier Kalibr-Langstreckenraketen von einer Fregatte im Schwarzen Meer aus abgefeuert.

Nach Angaben des Leiters der Gebietsverwaltung Ternopil, Wolodymyr Trusch, schlugen kurz vor 22 Uhr Ortszeit (21.00 MESZ) vier Raketen in ein militärisches und mehrere zivile Objekte ein. Unter anderem seien vier Wohnhäuser beschädigt worden. 22 Menschen wurden verletzt. Über Tote wurde nichts bekannt. Trusch gab an, die Raketen seien aus Richtung des Schwarzen Meeres gekommen.

Wie Konaschenkow weiter mitteilte, sind an der Front bei Luftangriffen mehr als 150 ukrainische Soldaten getötet worden, außerdem wurden sechs Panzer, fünf Artilleriegeschütze und zehn Armeefahrzeuge zerstört. Zwei ukrainische Kampfflugzeuge vom Typ Su-25 wurden demnach von russischen Kampfjets abgeschossen, eine weitere ukrainische SU-25 wurde von der Luftabwehr getroffen. Unabhängig sind diese Angaben nicht zu überprüfen.

12.38 Uhr: Papst: Ukraine-Krieg nicht zu Gewohnheit werden lassen

Papst Franziskus hat die Menschen aufgerufen, den Krieg in der Ukraine nicht zur Normalität werden zu lassen.

"Bitte, gewöhnen wir uns nicht an diese tragische Wirklichkeit. Beten und kämpfen wir für den Frieden", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Sonntag vor zahlreichen Gläubigen und Besuchern auf dem Petersplatz in Rom nach dem traditionellen Angelus-Gebet. Er denke weiter an das vom Krieg betroffene ukrainische Volk. "Die Zeit, die vergeht, möge unseren Schmerz und unsere Sorge für diese gemarterten Leute nicht erkalten lassen", forderte der 85 Jahre alte Argentinier.

11.05 Uhr: Rheinmetall: Sechs Marder-Schützenpanzer fertig

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat nach eigenen Angaben die Modernisierung erster Schützenpanzer vom Typ Marder abgeschlossen. Sechs Fahrzeuge seien bereits "fertig", sagte ein Unternehmenssprecher am Sonntag auf Anfrage.

Der "Bild am Sonntag" hatte der Vorstandsvorsitzende Armin Papperger gesagt: "Wir sind dabei, 100 Marder-Schützenpanzer instandzusetzen, erste Fahrzeuge sind bereits so weit." Mit Blick auf eine mögliche Lieferung an die Ukraine fügte er hinzu: "Wann und wohin die Marder geliefert werden, ist die Entscheidung der Bundesregierung."

Ein Schützenpanzer "Marder" auf dem Truppenübungsplatz Jägerbrück.
Ein Schützenpanzer "Marder" auf dem Truppenübungsplatz Jägerbrück.  © Bernd Wüstneck/dpa

11.01 Uhr: Russen bereiten sich auf Krieg bis Oktober vor

Das russische Militär bereitet sich nach Einschätzung des ukrainischen Militärgeheimdienstes auf einen längeren Krieg vor.

Die Planung der russischen Streitkräfte sei für 120 weitere Tage bis Oktober 2022 verlängert worden, berichteten die Militärexperten des US-amerikanischen Institute for the Study of the War (ISW) am Samstag (Ortszeit) unter Berufung auf Informationen von Geheimdienst-Vizedirektor Wadym Skibizkij. Das russische Militär werde seine Pläne abhängig vom Erfolg im Donbas aber weiter anpassen, dies geschehe nahezu monatlich.

Die Informationen deuteten nach Einschätzung des ISW darauf hin, dass der Kreml nicht daran glaubt, seine Ziele in der Ukraine schnell erreichen zu können. Es handele sich um einen Versuch des russischen Militärs, anfängliche Mängel der Offensive zu korrigieren.

Skibizkij sagte zudem, dass die russischen Streitkräfte über weitere 40 Kampfbataillone verfügten. 103 Bataillone seien bereits in der Ukraine. Nach Ansicht der Experten vom ISW ist es aber angesichts des Personalmangels an der Front unwahrscheinlich, dass das russische Militär einen so großen Teil seiner Streitkräfte in Reserve halte. Es handele sich möglicherweise um zusammengewürfelte Einheiten.

10.51 Uhr: Seit Kriegsbeginn rund zehntausend deutsche Visa für Russen ausgestellt

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine haben etwa zehntausend Russinnen und Russen ein Visum für Deutschland bekommen.

Von Anfang März bis Ende Mai seien etwa 3560 entsprechende Schengen-Visa ausgestellt worden, teilte das Auswärtige Amt der "Welt am Sonntag" mit. Hinzu kommen demnach 5530 nationale Visa, die einen längeren Aufenthalt ermöglichen.

Seit dem 18. Mai sei außerdem 43 russischen Staatsangehörigen eine Aufnahme aus humanitären Gründen zugesagt worden, teilte das Bundesinnenministerium der Zeitung mit. Von Kriegsbeginn bis zu diesem Zeitpunkt seien es vier gewesen. Im Mai hatte sich die Bundesregierung intern auf Erleichterungen für die Aufnahme von besonders gefährdeten Kreml-Kritikern aus Russland verständigt.

10.25 Uhr: Russische Truppen im Bereich Bachmut zurückgedrängt

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs in Kiew sind bei den anhaltend schweren Kämpfen im Donbass die russischen Truppen im Bereich des wichtigen Verkehrsknotenpunkts Bachmut zurückgedrängt worden. Es seien bis zu 150 Angreifer "vernichtet" worden.

Der Generalstab in Kiew meldete eine Vielzahl von Kämpfen im Osten des Landes, darunter besonders auch in der Region Slowjansk im Gebiet Donezk. Immer wieder gebe es auch Luftangriffe gegen zivile Infrastruktur, heiß es.

Titelfoto: dpa/Jan Woitas

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