Archäologen machen neue Funde: Was Beile über unsere Vorfahren verraten

Halle (Saale) - Wälder wurden mit ihnen gerodet, Häuser gebaut und Tiere zerlegt. Die Epoche der ersten steinzeitlichen Bauern vor rund 7300 Jahren in Sachsen-Anhalt ist ohne Steinbeile undenkbar. Bislang wurden landesweit tausende dieser Artefakte entdeckt. Spezialisten erforschen, welche Rolle die Werkzeuge spielten, während die Menschen in Mitteldeutschland sesshaft wurden.

Objektarchäologin Laura Dietrich begutachtet die Replik eines steinzeitlichen Beils. Die Wissenschaftlerin untersucht die Spuren von Steinbeilen aus dem reichhaltigen Fundus des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle.
Objektarchäologin Laura Dietrich begutachtet die Replik eines steinzeitlichen Beils. Die Wissenschaftlerin untersucht die Spuren von Steinbeilen aus dem reichhaltigen Fundus des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle.  © Hendrik Schmidt/dpa

Wichtige Anhaltspunkte sind dabei die auf der Oberfläche erhalten gebliebenen Spuren. "Es waren die wichtigsten Werkzeuge, das spricht schon für die große Zahl", sagt der Archäologe beim Landesamt für Denkmalschutz und Archäologie Halle, Roberto Risch. "Vermutlich gibt es darüber hinaus auch einen ideellen Wert."

Risch untersucht speziell die Steinbeile aus dem rund 9000 Jahre alten Grab der Schamanin von Bad Dürrenberg (Saalekreis) und die Steinbeigaben im rund 3900 Jahre alten frühbronzezeitlichen Fürstengrab von Leubingen (Thüringen). Hier lagen eine Steinaxt und ein Ambossstein aus der Steinzeit mit im Grab.

Die Steinbeile sind aus einem speziellen Material namens Amphibolit gefertigt. Das Gestein bricht auf eine bestimmte Art und Weise und besitzt eine große Härte.

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"Dieses Gestein hatte für die damaligen Menschen einen Prestigewert. Es wurden gefährliche Expeditionen zu den Lagerstätten in Böhmen unternommen, um solche Gesteine zu bekommen und nur bestimmte, glatte Steine wurden ausgewählt. Das könnte auch sakrale Gründe haben", sagt Objektarchäologin Laura Dietrich von der Universität Halle.

Spuren auf den Werkzeugen ermöglichen weitreichende Einblicke

Mit den Repliken werden Materialien bearbeitet und dann die Spuren auf den Nachbauten untersucht. Stimmen diese mit den Spuren auf den Original-Beilen überein, können die Forscher erfahren, wofür die Werkzeuge verwendet wurden.
Mit den Repliken werden Materialien bearbeitet und dann die Spuren auf den Nachbauten untersucht. Stimmen diese mit den Spuren auf den Original-Beilen überein, können die Forscher erfahren, wofür die Werkzeuge verwendet wurden.  © Hendrik Schmidt/dpa

Die Wissenschaftlerin untersucht die Spuren von Steinbeilen aus dem Fundus des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle. "Es geht um charakteristische makroskopische und mikroskopische Gesteinsspuren. Der Kontakt des Beils mit dem jeweiligen Material hinterlässt individuelle Spuren."

Dietrich kann genau erkennen, ob es ein Metzgerbeil war oder für Baumfällarbeiten benutzt wurde. "Neben den mechanischen Mustern sind unter dem Mikroskop Mikrobrüche, Rückstände von Holz, Pflanzen und Getreide zu sehen. Außerdem kann DNA, von den Menschen, die das Beil in der Hand hatten, noch vorhanden sein", sagt die Objektarchäologin.

Die Wissenschaftlerin hat ein Verfahren entwickelt um zu bestimmen, wie lange ein Steingerät benutzt wurde. Wenn so ein Beil brach, wurde es nicht weggeworfen, sondern nachgeschlagen und neu geschärft. Dadurch wurden die Beile natürlich immer kleiner.

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"Dass die Beile recycelt wurden, war lange Zeit in der Archäologie nicht bekannt, es wurde davon ausgegangen, dass die Beile so klein hergestellt wurden."

Was die Forscher alles mit den Beilen herausfinden können

Original (links) neben Repliken (rechts). Mit der Forschung ist ein enormer Aufwand verbunden.
Original (links) neben Repliken (rechts). Mit der Forschung ist ein enormer Aufwand verbunden.  © Hendrik Schmidt/dpa

Dank der Doktorarbeit von Geologin Simone Meinecke, Studentin an der Universitat Autonoma de Barcelona, ist inzwischen auch bekannt, dass nicht alle Steinwerkzeuge aus Böhmen stammen.

"Die böhmischen Lagerstätten sind mindestens seit der Zeit der Schamanin vor rund 9000 Jahren bekannt. Aber vor etwa 5000 Jahren ging der Abbau vermutlich zugunsten regionaler Abbaugebiete zurück."

Viele Halbfabrikate, also nicht vollendete Geräte, wurden im Bereich Naumburg und Weißenfels entlang der Saale gefunden. "Das geologische Material aus Tschechin zeigt einen deutlichen Anteil an Kupfer, das aus Mitteldeutschland besitzt einen höheren Zinngehalt." Untersuchungen ergaben, dass die gefundenen Halbfabrikate aus Böhmen geschlagen, während die Fabrikate aus Mitteldeutschland häufig gesägt wurden. "Diese technologischen Unterschiede lassen auf unterschiedliche Quelle schließen", sagt Meinecke.

Und wozu der ganze Forschungsaufwand? "Um Austauschsysteme und Vernetzungen zwischen Gesellschaften der Steinzeit besser verstehen zu können", sagt die Geologin. "Wir können nachverfolgen, wie weit diese Leute vernetzt waren. Es gab Austausch von Gesteinsmaterial von Böhmen bis an den Rhein, das ist eine beeindruckende Leistung", betont Meinecke.

"Was für Materialien sind zu welchen Zeiten wichtig, wann hört das auf und was passiert dann. Und wenn ein Austausch von Waren stattfindet, gibt es wahrscheinlich auch einen Austausch von Ideen und Technologien. Damit können wir zum Teil auch nachverfolgen, woher die Technologien, aber auch woher Personen kommen und was für Ideen sie mitbringen."

Titelfoto: Hendrik Schmidt/dpa

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