"Die Saat": Zwölfjährige versucht, ihre Freundin beim Baden zu ertränken

Deutschland - Großartig! Am 28. April kommt mit "Die Saat" wieder ein packendes Drama aus heimischer Produktion in die deutschen Kinos. Die TAG24-Kritik.

Doreen (Dora Zygouri, l.) und Mara (Lilith Julie Johna) verstehen sich blendend - bis Mara ihr wahres Gesicht zeigt.
Doreen (Dora Zygouri, l.) und Mara (Lilith Julie Johna) verstehen sich blendend - bis Mara ihr wahres Gesicht zeigt.  © Kurhaus Production

Der gelernte Fliesenleger Rainer (Hanno Koffler, 42) zieht mit seiner schwangeren Frau Nadine (Anna Blomeier, 43) in ein neues, renovierungsbedürftiges Haus. Die kleine Familie ist zuversichtlich, denn Rainer soll endlich die Bauleitung für ein wichtiges Projekt übernehmen. Ihre finanzielle Lage bleibt jedoch prekär, deshalb arbeitet das Ehepaar hart und ist kaum zu Hause.

Alles andere als begeistert davon ist die zwölfjährige Tochter Doreen (Dora Zygouri, Jahrgang 2007), die ihr altes Zuhause in der Stadt sehr vermisst. Bald findet sie Trost beim charismatischen, gleichaltrigen Nachbarmädchen Mara (Lilith Julie Johna, Jahrgang 2007), dessen Familie wesentlich vermögender ist.

Doch Mara hat bösartige Züge und verwickelt Doreen letztendlich in einen Ladendiebstahl, droht damit, sie "fertigzumachen", falls sie darüber auch nur ein Sterbenswörtchen verliert, und ertränkt sie sogar fast beim gemeinsamen Baden.

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Nicht nur Doreen ist hartem Mobbing ausgesetzt, auch Rainer kämpft ums berufliche Überleben. Denn sein Chef ersetzt ihn durch den profitorientierten Jürgen (Andreas Döhler, 48), der das Arbeitsklima in die reinste Hölle verwandelt und den wesentlich beliebteren Rainer immer wieder demütigt.

Durch den Verlust der Bauleitung fehlt Rainer das so nötige Extra-Einkommen und der Familie wachsen die Schulden rasch über den Kopf. Vater und Tochter sind in ihren eigenen Abwärtsspiralen gefangen und ohne Gewalt scheint es kein Entkommen zu geben...

Originaltrailer für "Die Saat" von Mia Maariel Meyer mit Hanno Koffler

Jungdarstellerin Dora Zygouri brilliert als Hauptfigur in "Die Saat"

Dora Zygouri spielt Doreen so überzeugend, dass man einfach mit ihr leiden muss.
Dora Zygouri spielt Doreen so überzeugend, dass man einfach mit ihr leiden muss.  © Kurhaus Production

"Die Saat" von Regisseurin Mia Maariel Meyer (40, "Treppe aufwärts") dreht sich vordergründig um das gesellschaftliche Phänomen der Gentrifizierung, also der bewussten Verdrängung einkommensschwacher Mieter aus begehrten Stadtteilen. Die Hauptfiguren sind bereits Opfer dieser Verdrängung geworden und sehen sich auch am neuen Wohnort ständiger Schikane durch Reichere ausgesetzt.

Meyer und ihr Lebenspartner Koffler haben sich für das Drehbuch glücklicherweise dazu entschieden, die Geschichte aus den Blickwinkeln von Vater und Tochter zu erzählen. Beide pflegen eine liebevolle Beziehung zueinander und sehen sich durch ihre größer werdenden Probleme isoliert, obwohl sie eigentlich dadurch miteinander verbunden werden.

Koffler ("Freier Fall", "Babylon Berlin", "Werk ohne Autor") zeigt als erfahrener Schauspieler eine mitreißende Leistung als ein Mann, der alles schultern will, aber unter der ganzen Last zusammenzubrechen droht.

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Ein wahrer Glücksgriff als sein Gegenüber ist Zygouri ("Dogs of Berlin"), deren Mimik und Gestik sehr überzeugend die innere Zerrissenheit ihrer Figur widerspiegeln. Sie wechselt so gekonnt zwischen pubertärem Gekicher und harten Existenzsorgen hin und her, dass sie fast jede ihrer Szenen für sich komplett einnimmt.

"Die Saat" ist ein düsteres, fesselndes Sozialdrama geworden

Rainer (Hanno Koffler, 42) kann bei seiner Rebellion auf der Baustelle jederzeit auf seine Kollegen zählen.
Rainer (Hanno Koffler, 42) kann bei seiner Rebellion auf der Baustelle jederzeit auf seine Kollegen zählen.  © Kurhaus Production

Die Konflikte der Familie sind eigentlich alltäglich und könnten durchaus als harmlos dargestellt werden. Präzise Dialoge, das ausgezeichnete Schauspiel aller Beteiligten, aussagekräftige Kostüme und ein beklemmender Soundtrack entfalten jedoch zusammen eine fesselnde Sogwirkung, die Zuschauer buchstäblich mitleiden lässt.

Aber die aufkommende Wut richtet sich nur begrenzt gegen den Bauleiter oder das arrogante Schulkind von nebenan. Als eigentlichen Bösewicht in "Die Saat" benennt Meyer den ständigen Leistungsdruck, dem Erwachsene und Kinder ausgesetzt sind und in dem Gewalt ideale Ausgangsbedingungen findet.

Dieses Bild der Erbarmungslosigkeit wird in "Die Saat" nirgendwo beschönigt, ufert auch niemals in pures Selbstmitleid aus, sondern hält die Spannung bis zum Ende aufrecht.

Zusammengenommen ist "Die Saat" ein fesselndes Sozialdrama mit hervorragenden schauspielerischen Leistungen und einem starken Drehbuch geworden, das wichtige Fragen aufwirft und Zuschauer noch lange nach dem Abspann nicht loslässt.

Titelfoto: Kurhaus Production

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