"Endlich Unendlich": Wissenschaftler glauben, dass der Mensch bald unsterblich sein wird

Berlin - Vorbei die Angst vorm Tod - muss der Mensch bald nicht mehr sterben? Am 16. Juni startet "Endlich unendlich" in den deutschen Kinos. Die Dokumentation wirft ihren Blick auf den Transhumanismus sowie die Suche nach dem ewigen Leben und stößt den Zuschauer dabei zum Reflektieren über die eigene Zukunft an. Die TAG24-Kritik.

Können bestimmte Mittel wirklich die Zellerneuerung verbessern?
Können bestimmte Mittel wirklich die Zellerneuerung verbessern?  © Made in Germany Filmproduktion

"Ich habe keine Angst vor dem Tod, nur davor zu sterben" - mit diesem Zitat des französischen Philosophen Michel de Montaigne (1533 - 1592) teilt "Endlich unendlich" die Menschen bereits nach wenigen Sekunden in zwei Gruppen: Die einen fürchten den Gedanken, nicht mehr zu existieren, die anderen das Altern an sich.

Doch alle haben sie im Film eins gemein: sie sind Transhumanisten - sie wollen die Grenzen des menschlichen Lebens verschieben.

Dabei richtet Regisseur Stephan Bergmann ("Die letzten Gigolos") seinen Blick auf die vielen verschiedenen Facetten, die die Suche nach dem ewigen Leben mit sich bringt.

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Die Dokumentation zeigt, wie auf genetischer, technologischer, physischer und biochemischer Ebene an einer Verlängerung des menschlichen Daseins geforscht und experimentiert wird - mal höchst wissenschaftlich, mal mit enormen Risiken verbunden.

Im Zentrum des Films steht dabei nicht nur die Frage, ob wir bald unsterblich sein werden - sondern auch, ob das überhaupt wünschenswert wäre.

Denn neben den paradiesisch wirkenden Möglichkeiten bringt derart futuristische Medizinwissenschaft durchaus auch Gefahren für das gesellschaftliche Zusammenleben und das Selbstverständnis des Menschen mit sich - behaupten zumindest Skeptiker.

Trailer zur Doku "Endlich Unendlich" über das ewige Leben

"Endlich Unendlich" thematisiert die große menschliche Angst vor dem Tod

Ein sogenannter Biohacker arbeitet im hauseigenen Labor.
Ein sogenannter Biohacker arbeitet im hauseigenen Labor.  © Made in Germany Filmproduktion

Packend, interessant, vielschichtig - die deutsch-österreichische Produktion wagt eine fesselnde Auseinandersetzung mit einer Thematik, die vielen Menschen auch heute noch Angst macht: die eigene Sterblichkeit.

Einigen macht dieser Gedanke gar so viel Angst, dass sie ihr ganzes Leben damit verbringen, zu versuchen, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen - oder wie es Transhumanisten sagen würden: die Grenzen menschlicher Möglichkeiten zu verschieben.

Die Dokumentation ist dabei darauf bedacht, die verschiedensten Teilaspekte ihres Themas zu beachten, ohne jedoch zu sehr zu verurteilen. Der Transhumanismus ist ein Feld, das von Wissenschaftlern und Visionären geprägt ist, aber auch eine extreme Strahlkraft für Kapitalisten, Aktivisten und Hobby-Forscher hat.

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Sie alle existieren neben- und zum Teil auch miteinander. Während so manch einer einfach nur den eigenen Tod überwinden möchte, wollen andere die Menschheit von Schmerz und Leid befreien - beides ambitionierte Ziele, die in "Endlich unendlich" nicht als merkwürdig oder realitätsfern abgestempelt werden.

Die Dokumentation verdeutlicht auf spannende Art und Weise: Das, worüber wir hier reden, ist keine Science-Fiction - oder wird es zumindest in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr sein.

Das wird bei dem ein oder anderen Zuschauer für Verzweiflung sorgen, Verzweiflung darüber, dass er zu früh geboren wurde. Doch die unglaublichen Leistungen und der Fortschrittsdrang der Menschheit besitzen - so wie sie im Film dargestellt werden - auch echtes Gänsehautpotenzial.

Das ewige Leben als Chance und als Gefahr

Manche Transhumanisten glauben, dass Technologie der Weg zur nächsten Stufe menschlichen Lebens ist.
Manche Transhumanisten glauben, dass Technologie der Weg zur nächsten Stufe menschlichen Lebens ist.  © Made in Germany Filmproduktion

Stellenweise stört es dabei fast ein wenig, dass immer wieder versucht wird, die Euphorie und den Optimismus der vorgestellten Personen zu bremsen. Aus dem Ethik-, Philosophie- oder Religionsunterricht kennt eigentlich jedes Kind die vermeintlichen Gefahren, die technologischer Fortschritt mit sich bringen könnte - in diesen Punkten weiß die Dokumentation nichts Neues zu erzählen.

Statt sich zu trauen, das Thema auf rein zukunftsoptimistische Weise zu beleuchten, wurde mit dem Schriftsteller Frédéric Beigbeder (56) eine Stimme der vermeintlichen Vernunft - doch vielleicht eher eine Stimme der Vergangenheit - eingebaut, die immer wieder die Nachteile des ewigen Lebens ins Spiel bringt.

Vielleicht ist es für eine Dokumentation der Neutralität wegen unumgänglich, solch ein Element zu integrieren. Doch es wirkt auch typisch deutsch, selbst der unfassbaren Chance auf eine Welt ohne Krankheit und ohne Tod, mit weniger Schmerz und mit weniger Leid, die negativen Aspekte ihres Wesens vorzuhalten.

Doch "Endlich unendlich" geht dabei glücklicherweise nicht zu weit - das Kontextualisieren und Problematisieren gewinnt nicht die Oberhand, sondern bleibt eine Stimme im Hinterkopf, die für einige Rezipienten womöglich wichtig zur Einordnung des komplexen Themas sein könnte.

Ein US-amerikanisches Ehepaar will sich nicht damit abfinden, dass das Leben einmal enden könnte.
Ein US-amerikanisches Ehepaar will sich nicht damit abfinden, dass das Leben einmal enden könnte.  © Made in Germany Filmproduktion

Während die Frage nach Chance und Gefahr also bis zu einem gewissen Grade immer subjektiv bleiben wird, stört ein Element der Dokumentation aber in jedem Fall: Viele alltägliche Szenen und Dialoge aus den Filmsequenzen über die verschiedenen Transhumanisten wirken extrem gestellt.

Als Zuschauer bekommt man an diesen Stellen die Hand des Regisseurs deutlich zu spüren. Man ahnt, wie er die Szene hinter der Kamera steuerte, was speziell in einer Dokumentation für Authentizitätsverlust sorgt.

Nichtsdestotrotz ist "Endlich unendlich" für jeden ein absolut sehenswerter Film, der sich bisher nie mit dem Transhumanismus und der Möglichkeit des ewigen Lebens beschäftigt hat. Sowohl Optimisten als auch Pessimisten erhalten einen spannenden Einblick in eine Thematik, die über die Zukunft der Menschheit entscheiden könnte.

Titelfoto: Made in Germany Filmproduktion

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