"Rivale": Wütender Junge aus der Ukraine versucht, deutschen Senior zu töten

Berlin - Kampf der Generationen mit tragischem Ende! Am 2. Juni startet "Rivale" in ausgewählten deutschen Kinos. Das Drama ist brisant, gerade im Kontext der vergangenen Wochen, und unvorhersehbar - doch entkommt den Klischees des deutschen Films nicht. Die TAG24-Kritik.

Roman (Yelizar Nazarenko) erlebt in "Rivale" eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle.
Roman (Yelizar Nazarenko) erlebt in "Rivale" eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle.  © PlutoFilm/Mila Teshaieva

Plötzlich ist Roman (Yelizar Nazarenko) ganz allein. Der Neunjährige hat in seinem ukrainischen Heimatort niemanden mehr, der sich um ihn kümmern könnte, seit seine Oma verstorben ist.

Seine Mutter Osaka (Maria Bruni, 35) war zwei Jahre zuvor nach Deutschland gezogen, um sich als (illegale) Dauer-Pflegekraft um den Witwer Gert Schwarz (Udo Samel, 68) zu kümmern.

Also entschließt sich Roman, seiner Mutter zu folgen! In einem Lieferwagen versteckt, macht er sich auf die Reise. Und tatsächlich - in Deutschland angekommen, findet er seine Mutter. Doch die schier endlose Freude hält nicht lange.

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Denn der junge Ukrainer muss erkennen, dass seine Mutter nicht nur für ihn lebt. Nach und nach wird klar, dass Osaka und Gert nicht nur in einer rein beruflichen Beziehung zueinander stehen. Romans Mutter scheint Gefühle für den deutschen Senioren entwickelt zu haben.

Für Roman ist diese Erkenntnis zunächst unerträglich. Er sieht Gert nicht als freundlichen, älteren Mann, der seine Familie unterstützt - sondern als Rivalen im Kampf um die Aufmerksamkeit seiner Mutter. In dieser Auseinandersetzung schreckt der Junge auch nicht vor drastischen Mitteln zurück...

Deutscher Trailer zu "Rivale" von Marcus Lenz mit Yelizar Nazarenko, Maria Bruni und Udo Samel

"Rivale" zeigt das Erwachsenwerden in einer tragischen Welt

Roman und Gert (Udo Samel, 68) müssen lernen, miteinander klarzukommen.
Roman und Gert (Udo Samel, 68) müssen lernen, miteinander klarzukommen.  © PlutoFilm/Mila Teshaieva

Während Coming-of-Age oft für schelmische Reibereien mit den Eltern oder Lehrern steht und gern das Erwachen der jugendlichen Liebe thematisiert, inszeniert Regisseur Marcus Lenz (53, "Close") in "Rivale" das Erwachsenwerden deutlich weniger verklärt.

Mitten in einer Extremsituation muss ein kleiner, vernachlässigter Junge Verantwortung übernehmen - auf die eine oder andere Art. Er muss eigenständig verstehen, welche Menschen gut und welche böse sind, scheitert daran mitunter.

Der Film beobachtet authentisch, was mit einem Kind passieren kann, wenn es in schwachen sozialen Gefügen aufwächst. Roman ist verunsichert und einsam - er reagiert mit Aggressivität und Wut.

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Dessen Darsteller Nazarenko ist eine Offenbarung. Der junge Ukrainer spielt einen emotional vielfältigen Charakter und meistert diese schwere Rolle mit Bravour. Romans Wut und seine Flucht aus der Ukraine nach Deutschland erhalten im Kontext der aktuellen Situation eine besondere Wucht.

Das Drama wurde zwar bereits vor vier Jahren gedreht, also zu einer Zeit, in der (wenn überhaupt) nur die obersten Kreml-Politiker schon etwas über die Pläne einer Invasion wussten. Es zeigt aber trotzdem einige Konsequenzen mangelhafter Flüchtlings- und Ostpolitik auf, die vor allem in den vergangenen Monaten deutlich wurden.

"Rivale" im Kontext des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine

Roman fühlt sich in Deutschland nicht willkommen und von der Ukraine im Stich gelassen.
Roman fühlt sich in Deutschland nicht willkommen und von der Ukraine im Stich gelassen.  © PlutoFilm/Mila Teshaieva

Auch die strukturellen, gesellschaftlichen Probleme in der Ukraine, die in dem osteuropäischen Land schon vor Beginn des Krieges herrschten, werden zu Beginn thematisiert.

Ein neunjähriger Junge steht komplett alleingelassen da - um Geld zu verdienen, musste die Mutter nach Deutschland fliehen. Dort wird sie zwar gebraucht, ihr Aufenthalt ist nichtsdestotrotz illegal.

Das Kind, vom System seines eigenen Landes im Stich gelassen, flieht ebenfalls nach Deutschland - nur, um dort auch nicht willkommen zu sein.

"Rivale" regt den Zuschauer zur Reflexion an: Tun wir als wohlhabendes Land genug - gerade heute? Blicke ich oft genug über den Tellerrand meiner eigenen Privilegierung?

Die bittere Realität ist, dass auch die ukrainischen Darsteller - die während des Dramas die meiste Zeit in ihrer Muttersprache reden - von der aktuellen Lage in ihrer Heimat direkt betroffen sind.

Schauspielerin Maria Bruni musste vor zwei Monaten gemeinsam mit ihrer Tochter aus der Ukraine fliehen. Die Parallelen zwischen der erzählten und realen Welt tragen sicherlich auch zur Authentizität des Filmes bei. Die eher unbekannten Darstellenden vermitteln überzeugend, wie sie zu zweit ihre kleine, heile Welt aufrechterhalten können.

Authentizität und Unvorhersehbarkeit wollen "Rivale" über seine Schwächen tragen

Osaka (Maria Bruni) bemüht sich, zwischen Roman und Gert zu vermitteln.
Osaka (Maria Bruni) bemüht sich, zwischen Roman und Gert zu vermitteln.  © PlutoFilm/Mila Teshaieva

Doch sobald sie getrennt sind oder ein Außenstehender ihren Kosmos betritt, wird ihre angespannte Beziehung, speziell in einem fremden Land, aufs Äußerste belastet.

Auch Udo Samels ("Babylon Berlin", "Tschick") Darbietung muss an dieser Stelle gelobt werden. Für Roman symbolisiert er das Fremde, das Böse. Doch sein Charakter will das eigentlich gar nicht sein.

Gert Schwarz ist bemüht, eine Beziehung zu dem Jungen aufzubauen. Doch nach anfänglicher Zurückweisung tut er sich schwer, mit dem aggressiven Kind umzugehen. Schließlich hat er sich die Situation so auch nicht ausgesucht.

Dieses Gefühl der Ablehnung gegen den fremden Jungen - eine Emotion, die gesellschaftlich oftmals als verachtungswürdig stigmatisiert wird - findet in "Rivale" eine sensible Umsetzung. Das enge, schwierige Zusammenleben von Mann und Kind wird durch die teilweise kammerspielartige Darstellung auf die Spitze getrieben.

Die musikalischen Akzente im insgesamt sehr ruhig erzählten Werk sorgen mitunter für Herzklopfen. Beklemmung, Einsamkeit und eine gewisse Weltfremde sind Aspekte, die durch die Inszenierung des Stoffs von Lenz besonders in den Vordergrund treten.

"Rivale" und die alten Probleme vom "anspruchsvollen" deutschen Kino

"Rivale" wartet mit einer überraschenden Wendung auf.
"Rivale" wartet mit einer überraschenden Wendung auf.  © PlutoFilm/Mila Teshaieva

Doch dem Regisseur gelingt es trotz vieler gelungener Handgriffe nicht, die wichtige Story aus der quälenden Langsamkeit des deutschen Kulturkinos zu hieven.

Klar: Der Film hat es sich nicht zur Aufgabe gemacht, das Blockbuster-Publikum auf seine Seite zu ziehen. Ein bisschen mehr Bewegung würde dem Drama trotzdem guttun. In seiner jetzigen Form wäre es deutlich besser für das Theater geeignet.

Es scheint ein Symptom des "anspruchsvollen" deutschen Films zu sein, den Zuschauenden nicht bei Laune halten zu können - ganz nach dem Motto: Schwere Themen müssen auch schwer anzusehen sein.

Doch selbst dem interessierten Publikum dürfte es bei "Rivale" nicht gerade leicht fallen, die Aufmerksamkeit während der gesamten 96 Minuten Laufzeit aufrechtzuerhalten - erst recht im ablenkungsreichen Heimkino.

Schließlich werden lediglich ein Handlungsstrang, die immer gleichen Kameraeinstellungen und insgesamt jede Menge Monotonie geboten.

Somit kann das Drama leider trotz seiner starken Momente und wichtigen Themen nur für ein wirklich ausdauerndes Publikum empfohlen werden.

Titelfoto: PlutoFilm/Mila Teshaieva

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