"The Strait Guys": Dafür gibt ein Rentner privat fast 300.000 Dollar aus

Deutschland - Wahnsinn! Die Rede ist von einem Eisenbahntunnel, der Russland und die USA im eisigen Norden miteinander verbindet. Mit "The Strait Guys" startet am 2. Juni eine Dokumentation in den deutschen Kinos, die von diesem gar nicht so unrealistischen Traum erzählt. Die TAG24-Filmkritik.

George Koumal (76, 2.v.r.) plant ein riesiges Projekt: einen Tunnel, der Russland und Alaska miteinander verbinden soll.
George Koumal (76, 2.v.r.) plant ein riesiges Projekt: einen Tunnel, der Russland und Alaska miteinander verbinden soll.  © PR/Arsenal Filmverleih

Nur drei Kilometer trennen zwei Weltmächte voneinander - ein schmaler Meeresstreifen zwischen zwei rauen Inseln in der etwa 85 Kilometer breiten Beringstraße. Im Kalten Krieg verlief hier zwischen den USA und der Sowjetunion der Eiserne Vorhang, vor 9000 Jahren eine Landbrücke, die die Menschen miteinander verband.

US-Bergbauingenieur George Koumal (76) will diese Verbindung wieder herstellen - mithilfe eines 100 Kilometer langen Eisenbahntunnels, der über die Beringinseln führen und internationale Streckennetze miteinander verknoten soll.

Er ist nicht der Erste, der diesen Traum von einer "Interkontinentalen Eisenbahn" in die Tat umsetzen will, aber wahrscheinlich der Hartnäckigste. Mehr als 30 Jahre seines Lebens und fast 300.000 Dollar seiner eigenen Pension hat er bereits investiert.

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In Geschäftsessen, Reisekosten und Konferenzen, die bisher alle ins Leere gelaufen sind. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer. Der erfahrene Filmemacher Rick Minnich (53, u.a. "Der Schneider des Präsidenten") begleitet George und seinen neuen Projektpartner Scott Spencer an verschiedene Orte in Alaska, der Beringstraße und Russland.

Dort leisten die beiden Überzeugungsarbeit - auch gegenüber den indigenen Bewohnern, deren Leben sich durch den Tunnel komplett verändern würde. Doch die Idee stößt erneut auf Widerstand und George verzweifelt langsam, aber sicher. Die Beziehung zu seinen Söhnen ist bereits durch seinen teuren Lebenstraum dauerhaft belastet. Und wenn das Projekt jemals zu seinen Lebzeiten starten soll, dann rennt ihm die Zeit davon ...

Deutscher Trailer für "The Strait Guys" von Rick Minnich

"The Strait Guys" rückt den Weltfrieden in greifbare Nähe

"The Strait Guys" beeindruckt immer wieder mit Bildern von der rauen Landschaft Alaskas.
"The Strait Guys" beeindruckt immer wieder mit Bildern von der rauen Landschaft Alaskas.  © PR/Arsenal Filmverleih

Gespräche vom "Weltfrieden" sind fast immer auf eine sehr vage Zukunft ausgelegt und klingen selten wie ein konkretes Ziel, das sich erreichen lässt. George ist davon überzeugt: Der Tunnel kann innerhalb weniger Jahrzehnte einen richtigen und echten Beitrag dazu leisten. Es muss ihn nur jemand bauen.

Und genau darin liegt der Knackpunkt. "The Strait Guys" (zu Deutsch etwa: "die [Bering-]Straßen-Jungs") zeigt vordergründig, warum die ehrgeizige Idee an vielen Fronten zu scheitern droht. Die Anwohner der Beringstraße befürchten, dass ihre Kultur und ihre Lebensgrundlage durch die Bauarbeiten zerstört werden. Politiker warnen vor verschlossenen Türen, dringenderen Sorgen und Gegenvorschlägen.

Wer sonst herzlich wenig mit Tunneln am Hut hat, wird diesem Thema wahrscheinlich eher mildes Interesse entgegenbringen. Die eindringlichen, kühlen Bilder der rauen Landschaft Alaskas und Nebenfiguren wie abenteuerliche russische Touristen, die die gefährliche Beringstraße auf einem Floß (!) überqueren, wirken da schon anziehender.

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Und dann ist da noch George, dessen Lebensgeschichte sehr viel hergibt, aber meist nur angeschnitten wird. Als Immigrant aus dem ehemaligen Ostblock hat er einen besonderen Blick auf den Ost-West-Konflikt, den er überbrücken will. Auch seine Verzweiflung über den immer wieder scheiternden Lebenstraum oder seine Dynamik mit dem diplomatischeren Scott liefert Minnich theoretisch viel starken Stoff. Daraus sind jedoch nur Untertöne geworden.

Für Konferenzen wie diese hat George (76, 4.v.r.) schon fast 300.000 Dollar seiner Pension ausgegeben - aus eigener Tasche. Hat sich das auch wirklich gelohnt?
Für Konferenzen wie diese hat George (76, 4.v.r.) schon fast 300.000 Dollar seiner Pension ausgegeben - aus eigener Tasche. Hat sich das auch wirklich gelohnt?  © PR/Arsenal Filmverleih

"The Strait Guys" ist ein Herzensprojekt - und vernachlässigt deshalb wichtige kritische Fragen

Rick Minnich geht in "The Strait Guys" leider zu wenig auf konkrete Bedenken wie die der indigenen Bevölkerung Alaskas ein.
Rick Minnich geht in "The Strait Guys" leider zu wenig auf konkrete Bedenken wie die der indigenen Bevölkerung Alaskas ein.  © PR/Arsenal Filmverleih

Minnich versteht sich selbst als "Strait Guy" und setzt Georges Lebenstraum mit viel Begeisterung um, will der Welt das Tunnel-Projekt nahebringen. Das ist ihm zwar gelungen, doch Fragen nach Einwirkungen auf die Umwelt oder dem konkreten wirtschaftlichen Interesse am Projekt bleiben oftmals auf der Strecke.

Der Zuschauende merkt, dass sich Minnich damit nicht wirklich auseinandersetzen möchte. Das wirkt für den Film eine negative Wirkung.

Man wird den Verdacht nicht los, dass Politiker ohnehin nicht daran interessiert sind, die globale Infrastruktur zu verbessern oder mit anderen Nationen zusammenzuarbeiten. "The Strait Guys" wurde bereits 2018 gefilmt, also zu einer Zeit, wo es zwischen Donald Trump (75) und Wladimir Putin (69) eine (beunruhigend) gute Beziehung gab.

Aber schon damals stieß das Tunnel-Projekt auf Schwierigkeiten, weil es immer wieder Konflikte an anderen Stellen gab. Und das wird sich einen Präsidenten-Wechsel später und mit dem russischen Angriff auf die Ukraine nicht so bald ändern. Wir sind gespannt, was die Zukunft für den Traum vom Tunnel bereithält.

Zusammengenommen ist "The Strait Guys" ein menschliches Werk voller Herzblut, das es schafft, das Publikum zum Träumen von einem unglaublichen Projekt anzuregen. Leider konzentriert sich die Doku zu einseitig auf technische Aspekte und vernachlässigt interessante Seiten der Geschichte, die anders erzählt wahrscheinlich einen tieferen Eindruck hinterlassen hätten.

Titelfoto: PR/Arsenal Filmverleih

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