"Team Wallraff" deckt schockierende Missstände bei Amazon auf: So reagiert der Mega-Konzern

Krefeld – Wie unmenschlich sind die Arbeitsbedingungen bei dem weltweit größten Versandhändler Amazon wirklich? Dieser Frage ist das "Team Wallraff" mit einem Undercover-Einsatz nachgegangen - und die Rechercheergebnisse schockieren.

Günter Wallraff (78) hat sein Team bei Amazon eingeschleust, um die dortigen Arbeitsbedingungen zu untersuchen.
Günter Wallraff (78) hat sein Team bei Amazon eingeschleust, um die dortigen Arbeitsbedingungen zu untersuchen.  © TVNow

Es sind schwerwiegende Vorwürfe, die Investigativ-Journalist Günter Wallraff (78) und seine Kollegen gegen den Giganten-Konzern erheben. Die Rede ist von Lohndumping, extremer Mitarbeiterkontrolle und körperlich schwerer Arbeit bis zum Umfallen.

Doch der Reihe nach: Wallraff-Reporter Daniel hat sich über eine Zeitarbeitsfirma mit versteckter Kamera in Amazon-Werken in Krefeld und Duisburg eingeschleust.

Dort musste er mit seinen Kollegen rund 350.000 Pakete pro Tag sortieren, oder als sogenannter "Picker" am Fließband arbeiten - für 11,82 Euro die Stunde.

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Der Reporter filmt teils chaotische Szenen von Paketbergen und Mitarbeitern, die an ihre Grenzen stoßen. Es fallen Sätze wie "Ich kann nicht mehr", "Ich heule gleich" oder "Ich habe Schmerzen".

Auch er selber habe die körperliche Belastung schon nach kurzer Zeit bemerkt, berichtet Daniel. 17 Kilometer legt er in einer Schicht zurück und das teilweise beim Stemmen massiger Pakete.

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Amazon widerspricht Überwachungs-Vorwürfen

Tausende Pakete wollen im Amazon-Zentrum in Krefeld von "Team Wallraff"-Reporter Daniel sortiert werden.
Tausende Pakete wollen im Amazon-Zentrum in Krefeld von "Team Wallraff"-Reporter Daniel sortiert werden.  © TVNow

"Ruhepausen während der Arbeitszeit werden durch die Vorarbeiter untersagt. Für den Toilettengang bedarf es der Erlaubnis des Vorarbeiters", schreibt RTL in einem Bericht. Sämtliche Aktivitäten im Lager werden offenbar mit speziellen Kameras inklusive Bewegungssensor überwacht.

Aus Angst davor, nicht fest übernommen zu werden, würden viele Angestellte auf eine Krankmeldung verzichten. "Ein Mitarbeiter unterzieht sich sogar im Urlaub notwendiger Operationen, da ihm sonst die Kündigung drohe."

Das Unternehmen reagiert mit einer Stellungnahme: "Feste Arbeitsplätze werden nicht gefilmt oder sind technisch geschwärzt. Die entsprechenden Bilder sind nur für autorisiertes Personal, wie Techniker:innen oder Sicherheitspersonal zugänglich. Vorgesetzte von Mitarbeiter:innen haben keinen Zugriff auf diese Kamerabilder", betont Amazon entgegen der Überwachungsvorwürfe gegenüber RTL.

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Auch die Kritik über enorme körperliche Belastungen weist der Konzern von sich: "Wir haben Vorkehrungen und Regelungen, die Mitarbeiter:innen vor Überlastung schützen. Niemand muss einen zu schweren Gegenstand alleine heben."

Doch nicht nur im Werk, sondern auch auf den Straßen hat das "Team Wallraff" recherchiert. Reporter Alexander Römer hat einen Job als Paketausfahrer für Amazon in Berlin angenommen - und auch dort taten sich Abgründe auf.

"Team Wallraff"-Reporter wird unter Mindestlohn bezahlt

Amazon-Auslieferer stehen unter enormem Stress, wie "Team Wallraff"-Reporter Alexander Römer erfahren musste.
Amazon-Auslieferer stehen unter enormem Stress, wie "Team Wallraff"-Reporter Alexander Römer erfahren musste.  © TVNow

"Unserem Reporter wurden 11 Euro brutto die Stunde angeboten, doch letztendlich erhielt er einen Stundenlohn von gerade einmal 7,78 Euro brutto die Stunde, da die Arbeit in der vorgegebenen Zeit nicht zu leisten war", so RTL.

Römers Vertrag lief dabei nicht über Amazon direkt, sondern über ein Subunternehmen, hinter dem ein "undurchsichtiges Firmengeflecht" steckt. Der in Deutschland auf 9,60 Euro festgesetzte Mindestlohn werde rechtswidrig umgangen.

Dazu herrscht auch beim Ausliefern ständige Kontrolle. Jeder Fahrer hat ein "Konto", auf dem Strafpunkte gesammelt werden - etwa für Zuspätkommen, zu schnelles Fahren, zu langsames Arbeiten, oder Kundenbeschwerden. Nachverfolgt wird das über ein Scan-System und eine Handy-App.

Auf Nachfrage bei Amazon gab der Handels-Riese an, die Vorwürfe gegen das entsprechende Subunternehmen würden untersucht und die Zusammenarbeit zwischenzeitlich ruhen gelassen.

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Amazon-Mitarbeiter nehmen Konzern in Schutz: "Es steht keiner mit der Peitsche hinter uns

Undercover-Reporter Alexander Römer tarnt sich als Berliner Paketbote.
Undercover-Reporter Alexander Römer tarnt sich als Berliner Paketbote.  © TVNow

Am Tag der "Team Wallraff"-Ausstrahlung bei RTL hatte Amazon unter dem Hashtag "#Amazonantwortet" ein Video auf Twitter geteilt, in dem Mitarbeiter in den Logistikstandorten auf die Recherchevorwürfe reagieren.

"Ich habe weder Druck, noch sind die Arbeitsbedingungen schlecht", sagt eine Angestellte. "Ich kann überhaupt nicht klagen", meint eine andere. Die Anschuldigungen gegen das Unternehmen könne sie nicht verstehen.

Eine weitere Kollegin empfindet diese als "unbegründet", sie würden schlicht "auf Unwissen" basieren.

"Es steht keiner mit der Peitsche hinter uns, es kontrolliert auch keiner unsere Toilettengänge", heißt es weiter.

Wer sich selbst ein Bild von den "Team Wallraff"-Untersuchungen machen will, kann die aktuelle Folge "Undercover bei Amazon" zurzeit kostenlos bei TVNOW streamen. Knapp 2,4 Millionen Zuschauer haben die Sendung am gestrigen Donnerstagabend im TV verfolgt.

Titelfoto: Montage: TVNOW

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