"Auch das ist Kunst": TAG24 besucht die Ausstellung in Berlin, in der ein Mann starb
Berlin - Am Rande einer Vernissage im berüchtigten Berliner Corbusierhaus starb vor einer Woche ein Mann. Doch in der skandalverliebten etablierten Kunstwelt blieb Rubens (†58, Name geändert) Tod fast unbemerkt. TAG24 hat die Macher der Ausstellung "Signature Move" getroffen.
Alles in Kürze
- Ein Mann starb während einer Vernissage im Berliner Corbusierhaus.
- Die Ausstellung 'Signature Move' zeigt zeitgenössische Kunst.
- Das Künstler-Duo Winterstein und Hopp kuratiert die Werke.
- Rubens Tod wird als Teil der Kunst wahrgenommen.
- Die Ausstellung läuft bis zum 6. Juli im Corbusierhaus.

"So jemand wie Ruben interessiert die nicht", schimpft Alex Winterstein (34). Er trägt Basecap und kauert auf dem Boden des Ausstellungsraums, der eigentlich sein Wohnzimmer ist. Außer den Bildern, Installationen und Videoarbeiten ist das Zimmer leer.
Es ist eine von 530 Wohnungen in dem 1957 vom Krawall-Architekt Le Corbusier (1887-1965) entworfenen 17-Geschosser direkt am Olympiastadion. Hier zeigt der Berliner mit seinem alten Partner in Crime, Daniel Hopp (38), aktuell zeitgenössische Kunst.
Ruben sei "Freund des Hauses" gewesen, erklärt jetzt Hopp - Glatze, Unterhemd, tätowiert. Ein Nachbar, keiner aus dem Kunstbetrieb. Im Corbusierhaus sei Ruben eine "Legende", betont der 38-Jährige.
Wie Winterstein hat er bei dem Stuttgarter Kunstprofessor Felix Ensslin (58) studiert, der zugleich "Sohn der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin" sei.
Schon schwer von der Krankheit gezeichnet habe Ruben weiter sein Zeug an einen deutschen Schlagerstar - oder dessen Sohn? - verkauft. Hunderte solcher Anekdoten zwischen Absurdität und Schwerkriminalität weiß das Künstler-Duo aus dem Corbusier-Kosmos zu berichten.

Corbusierhaus: 1979 werden ursprüngliche Sozialwohnungen privatisiert

"Ein Ghetto ist das aber erst, seit die Bonzen übernommen haben", wettert Hopp. Gemeint ist die Privatisierung des Objekts im Jahr 1979. Doch "die Asozialen" ließen sich weder von Neu-Eigentümern noch vom Hausmeister-Tyrann - "wie Le Corbusier ein glühender Faschist", so Winterstein - vertreiben.
Der Reporter muss an den grimmigen Herrn aus der Eingangshalle denken, der ihm statt den Weg zu nennen nur "Sind Sie überhaupt Deutscher?" entgegen gebellt hatte.
Hopp: "Wir sind bewusst an diesen Ort zwischen Wohlstandsverwahrlosung und existenziellem Verfall gekommen." Keine Kulturbetrieb-Bürokraten, Theorielaberer oder Möchtegern-Meeses, dafür "die Kaputten, die Junkies, Sexarbeiter*innen", ergänzt Winterstein.
So wie Ruben eben. Oder dessen Sohn Stefan (29, Name geändert), der am Tag der Vernissage die Bar machte, während nebenan sein Vater starb.
Oder Markus (67, Name geändert), der den Kunst-Freaks sein privates Klo zur Verfügung stellte und eigentlich von einem Leben in Nizza träumt. Dafür vertickt der Rentner seine Schmerzmittel an Süchtige am Weddinger Leopoldplatz.
"Signature Move": Eine Ausstellung für Ruben

"Das Kuratieren hat einen performativen Charakter über den White Cube hinaus. Natürlich alles divers, inklusiv, blablabla", murmelt Daniel Hopp. Winterstein: "Kunst entsteht durch das Wirken vieler Akteure. Dieses Gebäude gehört dazu. Rubens Tod. Auch das ist Kunst."
Er stockt. Sein nachfolgender Satz ist kaum mehr als ein Flüstern: "Wir machen das ja auch für Ruben." Schweigend legt Hopp ihm den tätowierten Arm um die Schulter. Leicht berühren sich Glatze und Kappenschirm.
"Signature Move" zeigt Arbeiten von Rebekka Benzenberg, John Costi, Richie Culver, Sophia Eisenhut, Franciis Frings, David Hominal, Daniel Hopp, Leonard Horres, Daniel Rajcsanyi und Alex Winterstein.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 6. Juli und öffnet freitags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr (und nach Vereinbarung).
Titelfoto: Alex Winterstein (Bildmontage)