Abgetrennte Finger und Amputationen: So erlebt eine Handchirurgin die Silvesternacht

Von Mia Bucher

Berlin - Abgetrennte Finger, durchtrennte Sehnen, Amputationen - die Handchirurgin Leila Harhaus-Wähner (45) hat in der Silvesternacht schon vieles gesehen.

Leila Harhaus-Wähner (45) arbeitet als Handchirurgin in Berlin.  © Markus Lenhardt/dpa

Auch in diesem Jahr rechnet die Berliner Ärztin mit zahlreichen Böller-Verletzten. "Für Handchirurgen ist es klar, dass Silvester die arbeitsreichste Nacht sein kann."

Bis 24 Uhr passiere erstmal nicht so viel, ab 1 Uhr, 2 Uhr nachts kämen immer mehr Verletzte in die Notaufnahme und dann "sehr viele in sehr kurzer Zeit."

Harhaus-Wähner ist Direktorin der Klinik für Hand-, Replantations- und Mikrochirurgie am Unfallkrankenhaus Berlin. In der Regel würden innerhalb von 24 Stunden 100 bis 120 Menschen in der Notaufnahme behandelt.

Berlin Lokal Wann werden in Berlin die Weihnachtsbäume eingesammelt?

An Silvester seien es etwa 250 bis 300, andere Notfälle wie Schlaganfälle oder Herzinfarkte einberechnet. Es kämen Menschen mit Verbrennungen, Verletzungen am Auge, Betrunkene mit gebrochenem Arm und eben Menschen mit Handverletzungen.

In der Handchirurgie müssten an Silvester im Unfallkrankenhaus rund 20 bis 40 Menschen mit Böllerverletzungen operiert werden, sagt die Ärztin. Dieses Jahr werde sie mir vier weiteren Handchirurgen im Einsatz sein. Die häufigsten Verletzungen entstünden durch explodierende Böller in der Hand.

"Der überwiegende Teil der Verletzungen trägt tatsächlich lebenslange Folgen mit sich, weil die Sprengkraft dazu führt, dass eben nicht nur einzelne Strukturen verletzt sind, sondern immer mehrere. Und das heilt praktisch nie ganz folgenlos ab." Zum Teil könnten Hände nicht mehr gerettet und müssten amputiert werden.

Anzeige
Am Unfallkrankenhaus in Berlin herrscht in der Silvesternacht Hochbetrieb.  © Markus Lenhardt/dpa

Meiste Verletzungen selbst verschuldet

So sieht es aus, wenn das Böllern schiefgeht: Die Röntgenaufnahme zeigt eine Hand, an der zwei Finger fehlen.  © -/UKB/dpa (Bildmontage)

Ein Großteil der Verletzungen sei selbst verschuldet. Die Professorin schätzt den Anteil auf 70 bis 80 Prozent.

Sehr häufig seien die Betroffenen betrunkene Männer zwischen 20 und 40 Jahren. Die restlichen Patienten würden zufällig zum Opfer, etwa weil sie beworfen würden.

Zum Teil nähmen Kinder nicht gezündete Feuerwerkskörper in die Hand, die dann unerwartet explodierten. Im Unfallkrankenhaus Berlin werden Patienten und ihre Angehörigen bei Bedarf von Traumapsychologen betreut.

Berlin Lokal Mehr als 40 (!) Operationen: Siebenjähriger überlebt Kugelbomben-Explosion

Für eine neue Dimension habe im vergangenen Jahr das illegale Abbrennen von Kugelbomben gesorgt. "Die Patienten mit Verletzungen durch Kugelbomben weisen sehr viel stärkere Verletzungsmuster auf, die auch den ganzen Körper betreffen, weil diese Explosion ungerichtet stattfindet. Und das sind nicht nur Hände und Gesichter, sondern auch Bauch, Beine." Alle Körperareale seien gleichermaßen gefährdet.

Vergangenes Jahr wurde ein Siebenjähriger in Berlin schwer durch eine Kugelbombe verletzt und musste Dutzende Male operiert werden. Er überlebte nur knapp.

Mehr zum Thema Berlin Lokal: