Vergangenheit vergessen, Töchter und Text auch? So spielen Demenzkranke Theater

Berlin - In Berlin stehen an Demenz erkrankte Menschen auf der Bühne und spielen Theater, obwohl ihre Erinnerungen verblassen. Wie das gelingt, zeigt die neue ZDF-Doku "37°: Gegen das Vergessen: Mit Demenz auf der Bühne".

Elvira (87) lebt seit über zehn Jahren mit Demenz im Pflegewohnheim und gehört seit vielen Jahren fest zum Theaterensemble "Papillons".
Elvira (87) lebt seit über zehn Jahren mit Demenz im Pflegewohnheim und gehört seit vielen Jahren fest zum Theaterensemble "Papillons".  © ZDF/Thomas Rosenberg

Elvira Werthmüller (87) ist gelernte Schneiderin und nimmt an dem Theaterprojekt "Papillons" im Pflegeheim teil. Das Meiste aus ihrer Vergangenheit hat sie vergessen. Auch ihre Töchter erkennt sie kaum mehr.

"Sie verschwindet immer mehr", sagte Tochter Tanja, die der Meinung ist, dass ihre demente Mutter in diesem Jahr das letzte Mal mit den "Papillons" auf der Bühne stehen wird.

Zunächst fiel es Tanja schwer, ihre Mutter aus der gewohnten Heimat Hessen ins Pflegeheim "Am Kreuzberg" nach Berlin zu holen.

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Mittlerweile habe sich Elvira aber gut eingelebt und blühe auf der Bühne auf. Ihre große Leidenschaft ist das Jodeln. Darauf kann sie noch zurückgreifen und diese Fähigkeit beim Spielen zum Einsatz bringen.

Texte lernen die Senioren nicht. Dafür haben sie Kinder und Jugendliche an ihrer Seite, die helfen, Erinnerungen abzurufen und den Demenzerkrankten beim Auftritt Sicherheit geben.

Demente Senioren aus dem Pflegeheim "Am Kreuzberg" spielen Theater.
Demente Senioren aus dem Pflegeheim "Am Kreuzberg" spielen Theater.  © ZDF/Thomas Rosenberg
Zwischen Vater Ekkehard (3.v.l.) und Sohn Oliver (2.v.r.) war das Verhältnis lange Zeit schwierig.
Zwischen Vater Ekkehard (3.v.l.) und Sohn Oliver (2.v.r.) war das Verhältnis lange Zeit schwierig.  © ZDF/Thomas Rosenberg

Theaterstück bringt Vater und Sohn wieder zusammen

Kinder und Jugendliche unterstützen die Senioren auf der Bühne.
Kinder und Jugendliche unterstützen die Senioren auf der Bühne.  © ZDF/Thomas Rosenberg

Auch der ehemalige Apotheker Ekkehard Walkenhorst aus Baden-Württemberg ist Protagonist des Theaterprojekts.

"Mit den 'Papillons' spürt er ein Interesse an seiner Person, was ihm sonst nicht mehr oft zuteilwird, weil die Leute glauben, er könne nicht mehr viel", erklärt sein Sohn Oliver, der den dementen Ekkehard nach Berlin geholt hat. "Das ist eine Entwertung als Person, die demente Menschen immer wieder erfahren. Und das Theater bietet ein Gegenstück dazu", so Oliver.

Seitdem Ekkehard in dem Pflegeheim lebt, habe sich das unterkühlte Verhältnis zwischen den beiden Männern gewandelt. Sie würden sich wieder annähern, auch weil Oliver durch das Theaterspielen ganz neue Seiten an seinem Vater entdeckt.

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Mit dem Theaterprojekt will Regisseurin Christine Vogt mehr als eine Beschäftigungstherapie für die Senioren bieten. Es gehe ihr auch darum, das Leben der betagten Mitwirkenden in den Fokus zu rücken und Brücken zwischen den Generationen zu schlagen.

Obwohl in Deutschland circa 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzdiagnose leben, sind sie im öffentlichen Leben kaum wahrzunehmen. Ihre Stimmen, Erfahrungen und Perspektiven sollen in dem Theaterprojekt Gehör finden.

Die Folge "37°: Gegen das Vergessen: Mit Demenz auf der Bühne" seht Ihr um 22.15 Uhr im ZDF und vorab im Stream.

Titelfoto: ZDF/Thomas Rosenberg (Bildmontage)

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