Was hat es mit dieser Kritzel-Kunst am Chemnitzer Kaufhaus auf sich?

Chemnitz - Der geschlossene Kaufhof am Neumarkt in Chemnitz zieht mit seiner neuen kreativen Fassadengestaltung die Blicke auf sich: Mit überdimensionalen Graffiti-Illustrationen aus dem "Final Bid Book" der Chemnitzer Kulturhauptstadt-Bewerbung zeigt sich das Gebäude nun von einer neuen Seite.

Künstlern Ulrike "Uller" Schell (27) und Joerg Fieback (53), Chef der Werbeagentur Zebra, stehen vor der neu gestalteten Kaufhof-Fassade am Neumarkt.
Künstlern Ulrike "Uller" Schell (27) und Joerg Fieback (53), Chef der Werbeagentur Zebra, stehen vor der neu gestalteten Kaufhof-Fassade am Neumarkt.  © Uwe Meinhold

Zu sehen ist eine Collage bestehend aus dem KuHa-Motto "C the Unseen" sowie Slogans und Figuren, zum Beispiel zwei sich küssenden Bergmännern in Tracht.

Die Idee stammt von der Chemnitzer Werbeagentur zebra group und bringt die Kulturbilder ins Herz der Stadt. "Es ging ja eigentlich ganz harmlos los", erzählt Joerg Fieback (53), Geschäftsführer der zebra group.

"Kurt Krieger, der Besitzer des Kaufhofs, kam in ein Meeting und meinte ganz beiläufig, dass wir uns mal Gedanken zur Fassadengestaltung machen sollten. Das war unser Briefing."

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Die Wahl fiel schließlich auf die Illustrationen der Chemnitzer Künstlerin Ulrike "Uller" Schell (27).

"Für mich war es eine unglaubliche Möglichkeit, meine Illustrationen auf dieser riesigen Fläche zu sehen", erzählt Ulrike Schell.

"Als die Anfrage kam, war ich erst mal überrascht. Das sind ja Werke, die ursprünglich für eine kleine Jury gedacht waren. Sie auf einer so prominenten Fassade zu zeigen, war eine große Ehre und eine wunderbare Chance, die Bilder noch einmal für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen."

Die Fassade des ehemaligen Kaufhofs wird zur Kulturhauptstadt mit Graffiti-Illustrationen geschmückt, die aus Schriftzügen und Figuren bestehen.
Die Fassade des ehemaligen Kaufhofs wird zur Kulturhauptstadt mit Graffiti-Illustrationen geschmückt, die aus Schriftzügen und Figuren bestehen.  © Uwe Meinhold
Die Illustrationen waren ursprünglich für eine zwölfköpfige Jury im "Bid Book" bestimmt.
Die Illustrationen waren ursprünglich für eine zwölfköpfige Jury im "Bid Book" bestimmt.  © Uwe Meinhold

Projekt hat 40.000 Euro gekostet

An der Fassade des ehemaligen Kaufhofs können Chemnitzer und Besucher der Stadt den Bewerbungsprozess für 2025 anhand der Illustrationen aus dem "Bid Book" nachvollziehen.
An der Fassade des ehemaligen Kaufhofs können Chemnitzer und Besucher der Stadt den Bewerbungsprozess für 2025 anhand der Illustrationen aus dem "Bid Book" nachvollziehen.  © Uwe Meinhold

Mit der farbenfrohen Fassadengestaltung möchte die zebra group auch ein Signal an die Chemnitzer senden, dass das KuHa-Jahr bald startet.

"Wir merken, dass die Euphorie, die damals bei der Entscheidung da war, ein bisschen abgeklungen ist. Manche Menschen sind skeptisch, ob wirklich etwas spürbar wird", erzählt Fieback.

Auch Andreas Uhlig (64) von der Krieger-Gruppe erläutert die Entscheidung zur kreativen Gestaltung: "Wir haben 40.000 Euro in das Projekt gesteckt, um Chemnitz ein optisches Highlight zu bieten", erklärt er. "Uns war wichtig, dass das Gebäude zum KuHa-Jahr keine Baustelle ist."

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Zum Detailkonzept gehören außerdem zweisprachige Informationstafeln an den Eingangstüren, die die Motive erläutern und spannende Hintergründe zum "Bid Book" und seiner Bedeutung liefern.

"Na, wie findet Ihr's?" Künstlerin im Gespräch mit den Chemnitzern

Künstlerin Ulrike "Uller" Schell (r.) fragt Peter (84) und Ingrid (81), was sie von dem Kunstwerk halten.
Künstlerin Ulrike "Uller" Schell (r.) fragt Peter (84) und Ingrid (81), was sie von dem Kunstwerk halten.  © Uwe Meinhold

Mutig und gespannt stellte sich die Künstlerin Ulrike "Uller" Schell (27) zusammen mit Volontärin Lena Plischke auf dem Chemnitzer Marktplatz den Meinungen der Passanten zu ihrer neuen Fassadengestaltung am Kaufhof. Wie kommt sie an?

Einige blieben skeptisch, während die meisten sich begeistert von der modernen Gestaltung zeigten.

So wie Schülerin Lotte (16), die sich interessiert mit ihrer Freundin Flo (16) die bunten Bilder ansah und sagte: "Ich finde die Art sehr cool in der Kunst." Uller erklärte, dass sie an der Gestaltung maßgeblich beteiligt war. Die Illustrationen hätten unter anderem zum KuHa-Titel beigetragen.

Bei den nächsten Passanten sah die Meinung dann etwas zwiegespaltener aus.

Das Ehepaar Ingrid (81) und Peter (84) diskutierte miteinander: "Es ist schön farblich, macht ein bisschen was her und ist mal modern", meint die Rentnerin, woraufhin ihr Mann Peter direkt entgegnete: "Na ja, es gibt Schöneres und ist etwas gewöhnungsbedürftig." Künstlerin Uller nimmt es mit Humor und zeigt Verständnis: "Es soll ja diskutiert werden."

Künstlerin "Uller" (l.) erklärt den Schülerinnen Flo (16) und Lotte (16), wie das Kunstwerk entstanden ist.
Künstlerin "Uller" (l.) erklärt den Schülerinnen Flo (16) und Lotte (16), wie das Kunstwerk entstanden ist.  © Uwe Meinhold
Sicherheitsbeamter Marcel (39) konnte durch das Kunstwerk den KuHa-Bewerbungsprozess nachvollziehen.
Sicherheitsbeamter Marcel (39) konnte durch das Kunstwerk den KuHa-Bewerbungsprozess nachvollziehen.  © Uwe Meinhold

Sicherheitsbeamter Marcel (39) musste sich erst mal an den Infotafeln zur Kunst belesen, aber sagt: "Ich finde es spannend, mal etwas über den Prozess zu lernen und dass es auch mal sichtbar gemacht wird."

Ist das Kunst oder kann das weg?

Kommentar von Lena Plischke

Wer zur Zeit am geschlossenen Kaufhofgebäude vorbeigeht und hochschaut, mag sich eben jene Frage stellen: "Ist das Kunst oder kann das weg?" Mit überwiegend blauen Tönen und klaren Botschaften schmückt die Fassade des ehemaligen Kaufhofs den Marktplatz - fast wie eine verrückte Instagram-Collage für die Stadt. Ob das jedem gefällt? Geschmacksache! Ich bin ganz klar ein Fan.

Denn was auf den ersten Blick vielleicht wie dahin gekritzelt erscheint, hat auf den zweiten Blick doch eine tiefgründigere Bedeutung. Das Bid-Book, welches unserer Stadt den Titel als Kulturhauptstadt Europas 2025 eingebracht hat, wurde hier eindrucksvoll visualisiert. Wir können so endlich mal einen Blick hinter die Kulissen, direkt ins Buch und somit den Bewerbungsprozess werfen. Wenn das mal nicht spannend ist!

Na klar, das Kunstwerk ist diskutabel, aber sollte es nicht auch so sein? Denn Kunst liegt ja nun mal bekanntlich im Auge des Betrachters. Ich habe definitiv mein Auge drauf geworfen und finde es toll dass unsere Stadt im Zuge der Kulturhauptstadt bunter und kreativer wird. Es gibt uns die Möglichkeit Chemnitz nochmal neu zu entdecken.

Titelfoto: Uwe Meinhold

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