Freundeskreis gründet eigene Genossenschaft in Chemnitz

Chemnitz - Eine besondere Art der Wohngemeinschaft entsteht auf dem Chemnitzer Sonnenberg: Zehn junge Leute haben eine Mini-Genossenschaft, die GemeinGut Chemnitz eG, gegründet und das Gebäude Reinhardtstraße 22 gekauft.

Regina Mangold (37, v. l.), Rico Reuschl (30) und Nils Reuschl (33) sind Mitglieder der Genossenschaft Gemeingut Chemnitz eG.
Regina Mangold (37, v. l.), Rico Reuschl (30) und Nils Reuschl (33) sind Mitglieder der Genossenschaft Gemeingut Chemnitz eG.  © Uwe Meinhold

Die Vision des gemeinschaftlichen Lebens hatte der Freundeskreis schon lang. "Wir haben nur noch nach einem geeigneten Haus gesucht", sagt Nico Reuschl (33).

"Erst haben wir im Umland geschaut, haben aber nichts gefunden. Dann sind wir auf dieses Gebäude aufmerksam geworden." Im Juli unterschrieben sie den Kaufvertrag.

Der Altbau, der bis 2019 das Frauenhaus der Stadt war, muss von Grund auf saniert werden. Die ersten Entkernungsmaßnahmen laufen auf Hochtouren, die Sanierung soll bis 2026 abgeschlossen sein.

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Geplant sind sieben Wohnungen in unterschiedlicher Größe.

Michael Stellmacher (42) von "Kooperative Wohnformen Chemnitz" hat das Projekt beraten.
Michael Stellmacher (42) von "Kooperative Wohnformen Chemnitz" hat das Projekt beraten.  © Uwe Meinhold

Initiatoren suchen noch investierende Mitglieder

Das Haus war zuvor das Frauenhaus der Stadt. Nun muss es kernsaniert werden.
Das Haus war zuvor das Frauenhaus der Stadt. Nun muss es kernsaniert werden.  © Uwe Meinhold

In Zukunft will die Genossenschaft mit ihrem Projekt dauerhaft bezahlbare Wohnräume schaffen.

Da Hauskauf und Sanierung, für die sich die Kosten auf mehr als eine Million Euro belaufen, jedoch nicht nur mit Eigenkapital und Fördermitteln zu bewerkstelligen sind, ist es bis dahin noch ein weiter Weg: "Wir hoffen, dass zumindest für die nächste Generation, wenn wir die Kredite getilgt haben, eine niedrige Miete möglich ist", so die Genossenschaft.

"Unsere Miete wird zwar nicht immens hoch werden, aber dennoch mehr, als wir uns erhofft hatten."

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Aktuell suchen die Initiatoren noch investierende Mitglieder. Weitere Infos: gemeingut-chemnitz.com

Ein Zettel an der Eingangstür des Gebäudes.
Ein Zettel an der Eingangstür des Gebäudes.  © Uwe Meinhold

Ganz neu ist die Idee nicht

"Wir wollen nicht als Pioniere betrachtet werden", sagen die Mitglieder der Genossenschaft Gemeingut - denn Projekte wie dieses gibt es bereits in Chemnitz. Das Projekthaus Brühl 71 ist ein weiteres Beispiel für gemeinschaftliches Wohnen. Auch hier wohnen Freunde zusammen in einem Haus.

In der Cäcilienstraße in Hilbersdorf entstand 2020 ebenfalls eine Genossenschaft - allerdings eher aus der Not heraus. Als der Eigentümer starb, war unklar, wie es mit dem Haus weitergehen soll.

Die Mieter schlossen sich zusammen, kauften und sanierten gemeinsam das Haus, um langfristig bezahlbaren Wohnraum zu erhalten.

Der Freundeskreis hat das Haus in der Reinhardtstraße 22 gekauft.
Der Freundeskreis hat das Haus in der Reinhardtstraße 22 gekauft.  © Uwe Meinhold

Nachhaltig bezahlbar

Kommentar von Yesmina-Giselle Berndt

Wir sind in Chemnitz mit günstigem Wohnraum durchaus gesegnet. Im deutschlandweiten Vergleich gibt es hier viele Wohnungen zu moderaten Preisen. Aber wie lange wird das so bleiben?

Alle warten gespannt auf das Kulturhauptstadtjahr und was die kulturelle und infrastrukturelle Entwicklung am Ruf unserer Stadt verändern, gar verbessern kann. Möglicherweise wollen auf lange Sicht wirklich mehr Menschen in Chemnitz leben, wodurch Wohnraum knapper und teurer werden könnte. Dazu kommen wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie die Inflation.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass genossenschaftliche Wohnprojekte mittlerweile auch in Chemnitz Zulauf gewinnen. Nur mit Freunden unter einem Dach zu wohnen, klingt meiner Meinung nach nicht schlecht.

Es gibt allerdings eine Kehrseite der Medaille: Der anfängliche finanzielle Aufwand ist teilweise enorm, was das Beispiel auf dem Sonnenberg zeigt. Wenn es jedoch gelingt, Projekte wie dieses zu etablieren, könnte Chemnitz einen wichtigen Schritt in Richtung nachhaltig bezahlbaren Wohnraum machen.

Titelfoto: Uwe Meinhold

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