Chemnitzer Kinder- und Jugendnotdienst muss umziehen: Betreuer kommen an ihre Grenzen

Chemnitz - Die Stadt Chemnitz strukturiert seinen Kinder- und Jugendnotdienst neu. Künftig gibt es in Kappel und Bernsdorf gleich zwei Anlaufstellen, die die Einrichtung in Altendorf ersetzen. Baukosten: 4,7 Millionen Euro. Auf den ersten Blick viel Geld für "nur" 16 Unterkunftsplätze. Jugendamt und Betreiber sehen aber dringend Handlungsbedarf.

Sind vom neuen KJND-Konzept überzeugt: SPD-Stadtrat Maik Otto (43, v.l.), SFZ-Leiter Tino Landmann (43), Jugendamtsleiterin Gunda Georgi (55) und Mitarbeiterin Heike Steege (58).
Sind vom neuen KJND-Konzept überzeugt: SPD-Stadtrat Maik Otto (43, v.l.), SFZ-Leiter Tino Landmann (43), Jugendamtsleiterin Gunda Georgi (55) und Mitarbeiterin Heike Steege (58).  © Ralph Kunz

Risse in den Wänden, defekte Fenster, veraltete Einrichtung: Der DDR-Bau in der Flemmingstraße hat seine besten Jahre offensichtlich hinter sich gebracht. "Die Grundplatte ist gerissen. Perspektivisch erhalten wir hier gar keine Betriebserlaubnis mehr", erzählt Einrichtungsleiter Tino Landmann (43) vom SFZ Förderzentrum beim Rundgang.

Nicht nur der bauliche Zustand mache die Neubauten dringend erforderlich. "Wir hatten seit 2016 immer mal Anwohnerbeschwerden vorliegen, die es mittlerweile nicht mehr gibt."

Damals sei der Notdienst oft an die Kapazitätsgrenze gekommen. Bis zu 30 Kinder und Jugendliche waren gleichzeitig in Betreuung. Eigentlich hat die Einrichtung 17 Plätze. Man könne nun mal keinen wegschicken.

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"Damit das nicht mehr passiert, haben wir eine trägerübergreifende Lösung gefunden", sagt Jugendamtsleiterin Gunda Georgi (55).

Die Unterkunft in Altendorf stammt aus den 1970ern und ist stark überaltert.
Die Unterkunft in Altendorf stammt aus den 1970ern und ist stark überaltert.  © Ralph Kunz

Die Gründe für den Aufenthalt im Kinder- und Jugendnotdienst sind vielfältig

Mit dem dezentralen Ansatz in Kappel und Bernsdorf ergeben sich künftig neue Möglichkeiten.

"Wir können beispielsweise Störenfriede besser trennen", so Georgi. Auch die Einrichtung geht mit der Zeit. "Ein Bad teilen sich künftig zwei Jugendliche und nicht sechs oder sieben. Man muss sich doch nur vorstellen, wie verängstigt die Kinder teilweise sind, weil sie frisch aus ihrem Umfeld gerissen worden sind. Es ist wichtig, jeden Ärger im Alltag zu minimieren", erklärt Landmann.

Gewalt in Familien, Missbrauch, Obdachlosigkeit - die Gründe für jährlich etwa 400 Inobhutnahmen sind vielfältig. Mal dauert ein Aufenthalt nur zwei Tage, mal sind es drei Monate.

"Ziel ist eine schnelle und sorgfältige Krisenintervention", sagt Georgi. "Mit der neuen Struktur reagieren wir auch auf den bundesweiten Trend steigender Inobhutnahmen."

Weil die Grundplatte gerissen ist, sackt das Gebäude ab. An den Wänden gibt es Risse.
Weil die Grundplatte gerissen ist, sackt das Gebäude ab. An den Wänden gibt es Risse.  © Ralph Kunz
Zwei Kinder oder Jugendliche teilen sich jetzt ein Zimmer.
Zwei Kinder oder Jugendliche teilen sich jetzt ein Zimmer.  © Ralph Kunz

Anwohner fürchten Lärm und Randale: Zoff um neuen Standort in Bernsdorf

Jährlich ist der Notdienst die Anlaufstelle für 400 Kinder und Jugendliche.
Jährlich ist der Notdienst die Anlaufstelle für 400 Kinder und Jugendliche.  © Ralph Kunz

Anwohner sehen die Ansiedlung des Kinder- und Jugendnotdienstes in Bernsdorf kritisch. Stadt und Betreiber hätten nicht mit offenen Karten gespielt und über Köpfe hinweg entschieden, so der Vorwurf.

"Ich kann das nicht verstehen. Der Standort entspricht eins zu eins dem von Altendorf. An den Bereich grenzen Friedhof und rund 700 Gärten", sagt Uwe Ranft, Vorsitzender des Kleingartenvereins "Kirschbaum".

Dazu kommt, dass man über das Vorhaben schlecht bis gar nicht informiert wurde. "Die Rede war von Unterbringung von kleinen Kindern. Das Wort Jugendnotdienst ist nie gefallen."

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Ähnlich sieht es die Genossenschaft CAWG, die im direkten Umfeld Wohnungen vermietet. "Wir hätten uns gewünscht, dass wir eine Info bekommen", so Sprecher Daniel Pfaff.

Die Erinnerung an die Vorfälle von Altendorf bereiten Sorge. Dort hatten sich Anwohner in der Vergangenheit über Lärm und Randale beschwert.

Für den Neubau in Bernsdorf sind 4,7 Millionen Baukosten veranschlagt.
Für den Neubau in Bernsdorf sind 4,7 Millionen Baukosten veranschlagt.  © PR/SFZ
So soll der Neubau in Bernsdorf aussehen.
So soll der Neubau in Bernsdorf aussehen.  © PR/SFZ
An der Ecke Reichenhainer/Augsburger Straße rollen bald die Baumaschinen an.
An der Ecke Reichenhainer/Augsburger Straße rollen bald die Baumaschinen an.  © Maik Börner

Laut Stadt habe es Gespräche gegeben. "Im September 2020 gab es eine Erstinformation und teilweise vertiefende Gespräche durch den Träger mit dem KGV Kirschbaum, Schreberhain sowie Freien Trägern", so eine Sprecherin.

Titelfoto: Montage: Ralph Kunz, PR/SFZ

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