Jeder vierte Schüler in Chemnitz ist im Lockdown abgetaucht

Chemnitz - Technik-Wirrwarr, Lern-Rückstände, Einsamkeit: So langsam wird das Ausmaß zweier Lockdowns an den Schulen ersichtlich. Was Eltern, Lehrer und Schüler monatelang durchmachen mussten, hat bleibende Spuren hinterlassen. Das Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) hat Erlebnisse von Chemnitzer Schulen gesammelt und aufgearbeitet.

Katarina Seidel (36) und ihre Kollegen mussten während der Lockdowns viel improvisieren und insgesamt eine schwere Zeit durchmachen.
Katarina Seidel (36) und ihre Kollegen mussten während der Lockdowns viel improvisieren und insgesamt eine schwere Zeit durchmachen.  © Sven Gleisberg

Mit dem Programm "Aufholen nach Corona" will man nun einiges "reparieren".

Inmitten der Schwarzmalerei gibt es auch seltene Phänomene: "Es gibt Kinder und Jugendliche, denen der Lockdown gutgetan hat", sagt Ronald Langhoff vom LaSuB.

Die häusliche Ruhe habe die Lernfähigkeit verbessert. Diese Schüler seien aber die Ausnahme.

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Die Mehrzahl habe stark gelitten: "Es wurde uns von fehlenden Strukturen, technischen Problemen, Ängsten und Sprachbarrieren berichtet."

Eine Zahl wirkt besonders dramatisch. Bis zu 25 Prozent der Schüler habe sich zurückgezogen: "Die sind von der Bildfläche verschwunden."

Katarina Seidel (36), Lehrerin an der Unteren Luisenschule, kann das bestätigen: "Einige Schüler haben wir bis heute nicht mehr gesehen."

Eine Umfrage mit erschreckendem Ergebnis

Technisch hakte es an vielen Stellen. Beispiel: Schüler konnten Dokumente mit Kommentaren der Lehrer nicht öffnen. (Symbolbild)
Technisch hakte es an vielen Stellen. Beispiel: Schüler konnten Dokumente mit Kommentaren der Lehrer nicht öffnen. (Symbolbild)  © DPA

Die Pädagogin hat auf eigene Faust 200 Schüler sowie Eltern und Kollegen befragt: "Besonders für die Kleinen war der Wechselunterricht verheerend."

Sie haben stark zu- oder abgenommen, das Alphabet teilweise vergessen, sprachliche Rückschritte gemacht. Hygiene und Ernährung seien vernachlässigt worden.

"Ich hätte mir klare Lösungsansätze und Qualitätsstandards beim digitalen Lernen gewünscht", so Seidel. Kollege Tom Heidel (28) ergänzt: "Videounterricht hätte vieles erleichtert."

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Laut LaSuB soll nun das Bund- und Länderprogramm "Aufholen nach Corona" helfen. Pro Schüler gibt's 60 Euro. Damit sollen beispielsweise Nachhilfe und gemeinsame Aktivitäten finanziert werden.

"Schüler sind mit Situationen konfrontiert worden, die noch nie da waren", so Langhoff.

Mehr Fälle in der Heimerziehung für das Jugendamt

Jugendamtsleiterin Gunda Georgi (55) über die Heimerziehung während des zweiten Lockdowns: "Es gab einen erheblichen Anstieg der Hilfen."
Jugendamtsleiterin Gunda Georgi (55) über die Heimerziehung während des zweiten Lockdowns: "Es gab einen erheblichen Anstieg der Hilfen."  © Kristin Schmidt

Corona ist auch für Familien eine harte Bewährungsprobe. Viele haben sie nicht bestanden.

Besonders während des zweiten Lockdowns musste das Jugendamt im Bereich der Heimerziehung öfter eingreifen. In der Spitze hatte das Jugendamt mit 272 Fällen (zweiter Lockdown) bei der Heimbetreuung zu tun.

Zum Vergleich: Im Januar 2019 wurden nur 220 Hilfen benötigt, also rund 50 weniger.

"Es gab einen erheblichen Anstieg der Hilfen", sagt Jugendamtsleiterin Gunda Georgi (55).

Der Allgemeine Sozialdienst hatte zudem im ersten Lockdown 95 Prüfungen wegen Kindeswohlgefährdung vorgenommen. Im zweiten Lockdown waren es schon bis zu 160. Beim Kinder- und Jugendnotdienst gab es nicht mehr Inobhutnahmen als sonst. "Es sind nicht vermehrt Kinder von Familien ausgerissen. Das hat sich auf ein stabiles Maß eingepegelt."

Teilweise waren die Zahlen sogar niedriger als vor Corona.

Selten still stand das Kinder- und Jugendtelefon der freien Träger. Hier suchten vor allem immer jüngere Anrufer nach Hilfe.

Titelfoto: Sven Gleisberg

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