Mein Heckertgebiet, wie hast Du Dich verändert! Fünf Einblicke mit Aha-Effekt
Chemnitz - Das Chemnitzer Heckertgebiet hat einiges durchgemacht: für einst 92.000 Bewohner mit 32.000 Wohnungen im Eiltempo errichtet, um anschließend um rund ein Drittel der Bausubstanz zu schrumpfen. "Der enorme Wandel umfasst mittlerweile eine größere Zeitspanne als die Entstehung des Wohngebietes", sagt Hecker-Kenner Norbert Engst (41).
"Die dafür gegründete Stadtumbau GmbH war die erste ihrer Art in Deutschland. Erfahrungen aus Chemnitz sind in viele andere Stadtumbau-Projekte eingeflossen."
Der Bauingenieur und Landschaftsarchitekt Engst hat die Veränderungen im größten Wohngebiet in einem Buch dokumentiert - von komplizierten Eigentumsverhältnissen, Leerstand, Altschulden und traurigen Hausgemeinschaften, deren Wege sich wegen des Abrisses ihres Hauses trennten, bis hin zum Parkplatz-Paradoxon der 1990er-Jahre.
"Der Transformationsprozess war so ähnlich, als ob man ein Auto bei laufendem Motor reparieren müsste", so Engst, der das Ergebnis als gelungen empfindet: "Der Einwohnerbestand ist stabil. Das Gebiet ist nicht zum sozialen Brennpunkt geworden. Die Lebensqualität kann sich sehen lassen."
So zeigt das Buch auch, wie viel es heute zwischen Kappel und Hutholz zu entdecken gibt:
Fischer-Haus
Das 2010 vom Leipziger Künstler Michael Fischer-Art gestaltete Wandbild an der Alfred-Neubert-Straße 3 ist eine von vielen farbenfrohen Fassaden, die das einstige Einheitsgrau abgelöst haben und die Heckert-Kenner Norbert Engst (41) bei Führungen durch den Stadtteil ansteuert.
Der nächste öffentliche Rundgang startet am 18. Oktober, 12 Uhr, am Eingang des Vita-Centers.
Zimt-Sterne
Drei fünfeckige Neubauten entstanden zwischen 2017 und 2019 nach dem Abriss von sechsgeschossigen Plattenbauten in der Walter-Ranft-Straße im Auftrag der Wohnungsgenossenschaft "Einheit".
Wegen der Sicht aufs Erzgebirge heißen die schneeweißen Häuser offiziell "Panorama³".
Die Hutholzer nennen sie liebevoll "Zimtsterne".
Die Preisgekrönten
Als Heckert-Platten sind die Häuser in der Irkutsker Straße 187 bis 195 kaum noch erkennbar.
Weimarer Architekten umgaben die beiden Gebäude jeweils zur Hälfte mit einer neuen Bauhülle, die Platz für eine Erweiterung der Wohnungen und große Balkone bietet.
Für diese Idee gab's 2018 den "Architekturpreis der Stadt Chemnitz".
Grüne Oase
Die Markersdorfer Oase ist ein Stadtteilpark, der an der Wolgograder Allee nach dem Abriss von fünf Elfgeschossern entstanden ist.
2007 wurde ein Park mit Teich, Spielplatz, Bänken und Rabatten angelegt. Ein Zeltdach ist Blickfang und Schutz zugleich.
Auf dem idyllischen Gelände finden regelmäßig Veranstaltungen statt.
Kleine Neue
Freie Flächen im Schatten der Platten haben sich in kleine Eigenheimsiedlungen verwandelt - wie am sogenannten Hutholzring in der Wolgograder Allee oder in der Max-Türpe-Straße.
In der Robert-Siewert-Straße schrumpften Sechsgeschosser im Auftrag der GGG zu den "Markersdorfer Terrassen", die nur noch zwei bis vier Etagen hoch sind.
Buchvorstellung am Donnerstag
"Heckert. Die Transformation" ist im Verlag Heimatland Sachsen e. K. erschienen und wird am Donnerstag, 16.30 Uhr, im Stadtverordnetensaal für alle Interessierten vorgestellt.
Bei der Präsentation sollen auch Entscheider von einst zu Wort kommen, wie der damalige Oberbürgermeister Peter Seifert (84, SPD) und der ehemalige sächsische Innenminister Albrecht Buttolo (78, CDU).
Kommentar: Schöner als gedacht
Von Mandy Schneider
Auch wenn die Stadtteile seit Jahren Hutholz, Helbersdorf oder Markersdorf heißen, so ist bei vielen Chemnitzern noch immer vom Heckertgebiet die Rede. Genauso hartnäckig wie der alte Name hält sich das Bild, was vor allem jene im Kopf haben, die nicht in diesem Wohngebiet zu Hause sind.
Das ehemalige Heckert ist ein eigener Kosmos. Und dort gibt es längst mehr zu sehen als farbig angestrichene Plattenbauten.
Dass es sich lohnt, diesen Stadtteil (neu) zu entdecken, zeigen nicht zuletzt Beispiele der Umgestaltung, die Norbert Engst in seinem neuen Buch vorstellt: futuristische Neubauten, knallige Kunst, überraschende Umgestaltungen, lauschige Grünzüge zum Wohlfühlen. Kein Wunder, dass es mittlerweile gut besuchte Führungen durch das Viertel gibt.
Die dazugehörige Geschichte der Transformation des Gebietes, das zu den größten Plattenbausiedlungen der DDR gehörte, mutet an mancher Stelle fast surreal an.
Bei allen Fehlern, die gemacht wurden: Die Leistung der daran Beteiligten nötigt Respekt ab.
Titelfoto: Bildmontage: Ralph Kunz, Uwe Meinhold
