Nach Gedenken an Nazi-Opfer in Chemnitz: Polizei schmeißt Blumen und Kerzen in den Müll!

Chemnitz - Der rassistische Anschlag in Hanau, bei dem neun Menschen mit Migrationshintergrund getötet wurden, jährte sich am Montag zum vierten Mal. Auch in Chemnitz fand dazu eine Gedenkveranstaltung mit circa 120 Teilnehmern statt. Die Polizei Chemnitz machte im Nachgang keine gute Figur.

Ahmed Bejaoui (31, Grüne) und Carolin Juler (26, Linke) am Roten Turm, wo sich der Vorfall am Montag ereignet hatte.
Ahmed Bejaoui (31, Grüne) und Carolin Juler (26, Linke) am Roten Turm, wo sich der Vorfall am Montag ereignet hatte.  © Ralph Kunz

Während der Veranstaltung legten die Teilnehmer am Roten Turm mehrere Blumen zum Gedenken nieder, zündeten Kerzen an. Auch Fotos der Opfer wurden aufgehängt.

Als die Versammlung beendet wurde, kam es zum Eklat: Polizeibeamte entfernten die Blumen und Kerzen rigoros vom Veranstaltungsort. Im Internet wurde daraufhin ein Video veröffentlicht, welches den Vorfall zeigt und für reichlich Diskussionsstoff sorgte.

Ahmed Bejaoui (31, Grüne) war Zeuge dieses Vorfalls: "Es ist pietätlos, was da geschehen ist", sagt er. Rechtlich lege kein Fehlverhalten vor, da der Ort laut Genehmigungsbescheid sauber zu verlassen sei.

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Jedoch haben die Beamten vor Ort auch einen gewissen Ermessungsspielraum, wie man in solchen Situationen reagiere. Mittlerweile habe sich der Chemnitzer Polizeipräsident Carsten Kaempf für den Vorfall bei den Demo-Anmeldern entschuldigt, bestätigte Bejaoui.

Ahmed Bejaoui (31, Grüne) fand den Vorfall vom Montag pietätlos. Am Dienstag wurden erneut Kerzen und Blumen zum Gedenken am Roten Turm abgelegt.
Ahmed Bejaoui (31, Grüne) fand den Vorfall vom Montag pietätlos. Am Dienstag wurden erneut Kerzen und Blumen zum Gedenken am Roten Turm abgelegt.  © Ralph Kunz
Am Montag nach der Gedenkveranstaltung für die Opfer von Hanau entfernten Polizeibeamte Kerzen und Blumen vom Veranstaltungsort.
Am Montag nach der Gedenkveranstaltung für die Opfer von Hanau entfernten Polizeibeamte Kerzen und Blumen vom Veranstaltungsort.  © instagram.com/chemnitz_nazifrei

Linken-Stadträtin sauer: "Die Polizei hat damit das Gedenken mit Füßen getreten"

So sah die Gedenkstelle am Montag aus, bevor diese von Polizisten beräumt wurde. Die Kerzen und Blumen landeten im Mülleimer.
So sah die Gedenkstelle am Montag aus, bevor diese von Polizisten beräumt wurde. Die Kerzen und Blumen landeten im Mülleimer.  © Feministisch-Antifaschistische Jugendaktion

Auch Stadträtin Carolin Juler (26, Linke) verurteilt die Aufräumaktion: "Die Polizei hat damit das Gedenken mit Füßen getreten", sagt sie. Im Fall von Hanau ging es auch um das Fehlverhalten der Sicherheitsbehörden. "Ich finde es respektlos, dass dann so etwas passiert", so die 26-Jährige.

Die Polizeidirektion Chemnitz reagierte auf den Vorfall. "Die abgelegten Blumen und Kerzen zu entfernen, war insbesondere mit Blick auf das Veranstaltungsthema nicht angemessen", so eine Polizeisprecherin. Außerdem werde die Polizeidirektion den Vorfall mit den verantwortlichen Beamten nachbereiten.

Die Stadtverwaltung bestätigt, dass Blumen und Kerzen in der Anmeldung und im Bescheid standen und aus Sicht der Stadt nicht weggeräumt werden müssen. "Offenbar ist es vor Ort zu einem Missverständnis zwischen Ordnungsamt und Polizei gekommen, für das wir um Entschuldigung bitten", so ein Sprecher der Stadt.

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Die Stadt werde das Vorgehen gemeinsam mit der Polizei auswerten.

Gedenken erlaubt!

Kommentar von Sebastian Gogol

Die fürchterliche Tat von Hanau vom 19. Februar 2020 darf nicht in Vergessenheit geraten. Gerade in der Zeit des aufkommenden Rechtsextremismus, der zunehmend wieder salonfähig gemacht wird, sind solche Veranstaltungen die eigentliche Brandmauer gegen rechts.

Chemnitzer legten am Montag Blumen und Kerzen am Roten Turm nieder, die danach von der Polizei entfernt wurden. Mit einem Gedenken darf nicht so umgegangen werden. Das erfordert Pietät!

Was mich dabei auch ärgert: Das Stadtimage wird durch solche Aktionen der Polizei beschädigt - und das ein Jahr vor der Kulturhauptstadt. Hierbei wünsche ich mir mehr Fingerspitzengefühl vonseiten der handelnden Personen.

Einen Lichtblick hat das ganze dennoch: Die Polizei hat das Fehlverhalten eingeräumt, sich entschuldigt und eine Aufklärung des Falls in Aussicht gestellt. Auch die Stadtverwaltung hat eine Aufarbeitung angekündigt. Klingt gut! Leider ist die Katze schon aus dem Sack und Chemnitz mit dem Vorfall in bundesweiter Berichterstattung. Mal wieder.

Titelfoto: instagram.com/chemnitz_nazifrei, Ralph Kunz

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