Chemnitz - Weil Chemnitz keine Wildvogelstation hat, rettet eine junge Frau die gefiederten Notfälle einfach selbst - mit Herz, Zeit und auf eigene Kosten.
Es piept, es krächzt, es flattert. Aus mehreren Käfigen im Wohnzimmer dringt unaufhörlich Vogelstimmen-Gewirr. Dazwischen klirrt eine Wasserschale.
Jenny Dobrocki (32) öffnet vorsichtig die Tür, wirft einen prüfenden Blick hinein. 21 Vögel versorgt sie aktuell in ihrer privaten Wildvogelauffangstelle. "Ich stehe so um sechs Uhr auf, dann fange ich an zu füttern, gebe noch mal frisches Wasser", erzählt sie.
Was 2021 mit einer gefundenen Krähe begann, ist längst zum Vollzeit-Projekt geworden. "Die erste Wohnung war zu klein, die zweite im sechsten Stock ohne Fahrstuhl. Jetzt habe ich mehr Platz."
546 Vögel hat Dobrocki im vergangenen Jahr betreut. Von winzigen Spatzen über Elstern bis zu Kolkraben. Häufigste Verletzungen: "Katzenbisse". Manche sind auch schlicht zu schnell für eine Scheibe gewesen oder haben Gefiederschäden von falschem Futter.
Neben dem Zeitaufwand ist auch die finanzielle Belastung enorm
Einige Vögel bleiben nur wenige Tage, andere viele Wochen. "Anflugtraumata meist drei bis sieben Tage. Bei Bissverletzungen mindestens eine Woche Antibiotika. Bei Gefiederschäden deutlich länger."
In den Futternäpfen landen unter anderem Hühnerherzen. Für die Rabenvögel tägliche Kraftnahrung. Neben dem Zeitaufwand ist auch die finanzielle Belastung enorm.
"500 bis 600 Euro im Monat an Futterkosten" kämen zusammen. Volieren kosten schnell über 1200 Euro.
Unterstützung von der Stadt gibt es keine, dafür aber aus der Familie: Sohn Leon Weinhold (14) hilft beim Füttern, die Oma übernimmt Schichten, wenn Dobrocki als Ergotherapeutin arbeitet. "Die Patienten freuen sich, wenn mal ein Vögelchen mitkommt."
Für die Vogelliebhaberin sind es vor allem die kleinen Erfolge, die zählen. "Bruno, eine meiner Krähen, kommt bis heute immer mal wieder angeflogen." Ihr Wunsch: mehr Platz für die Vögel, die sonst keiner sieht.