Photovoltaik statt Ackerbau und Viehzucht? Chemnitzer Landwirte schlagen Alarm
Chemnitz - Für den Ausbau erneuerbarer Energien sind Äcker kein Tabu mehr. Im Stadtrat soll am morgigen Donnerstag festgelegt werden, welche Ansiedlungen in Chemnitz unterstützt werden.
Die Ortschaftsräte Röhrsdorf, Mittelbach und Einsiedel hatten sich gegen den Vorschlag gestemmt, Ansiedlungen bis zu 500 Metern neben Bahngleisen und Autobahnen zu ermöglichen. Nun soll es stattdessen um 200 Meter breite Streifen gehen. Kritik gibt es trotzdem.
"Solaranlagen gehören auf Dächer, nicht auf Felder", sagt Landwirt Dieter Göckeritz (71) aus Mittelbach. "Wir haben Paneele auf unseren Hallendächern und planen weitere. Auf unseren Feldern wachsen Brotweizen, Wintergerste, Lupinen, Raps und Erbsen. Wir mussten schon Flächen wegen des Hochwasserschutzes abgeben. Wenn sie durch Solarflächen weiter schrumpfen, lohnt sich der ganze Betrieb nicht mehr."
Jens Hoffmann (60), Vorstand des Wirtschaftshofes Sachsenland, warnt vor einem unwiederbringlichen Verlust: "Noch ist die Landwirtschaft unseres Landes in der Lage, uns zu ernähren. Wenn das Pendel umschlägt, ist es zu spät."
Der Landwirt rechnet vor: "Mit einem Hektar Ackerland kann ich mit Brotgetreide rund 2500 Euro Umsatz erzielen. Mit Solarstrom ein Vielfaches."
Tatsächlich lassen sich pro Hektar Solarfläche mit 500.000 kWh erzeugtem Strom und sieben Cent Einspeisevergütung rund 35.000 Euro jährlich erzielen - das 14-fache. "Der finanzielle Anreiz, der hier gesetzt wird, ist süßes Gift", so Hoffmann.
Letzte Ernte bereits dieses Jahr möglich
Dieser Ansicht ist auch Hans-Joachim Siegel (79), Stadtrat, Ortsvorsteher von Röhrsdorf - und Diplomlandwirt: "Wir haben hier fruchtbare Lößstandorte und Betriebe, die als Direktvermarkter regionale Kreisläufe stärken. Der ursprünglich vorgesehene 500-Meter-Streifen entlang der Autobahn hätte unseren Ort über ein Drittel fruchtbarer Anbaufläche gekostet."
Nach einem Vor-Ort-Treffen in Röhrsdorf mit Landwirten und Vertretern der Stadt minimierte die Verwaltung den Beschlussvorschlag auf die im Bundesbaugesetz vorgesehenen 200 Meter Abstand.
Die Pachtäcker am Autobahnkreuz sind bereits gekündigt. Wenn es mit der Genehmigung schnell geht, wird dort dieses Jahr zum letzten Mal geerntet.
Titelfoto: Ralph Köhler, Maik Börner (2)