Dresdens spektakulärer Kunstraub: Remmo-Zwillinge auf der Flucht, wo stecken die Klunker?

Dresden/Berlin - Der Kunstraub im Grünen Gewölbe vor knapp einem Jahr war spektakulär. Ebenso spektakulär war der größte Polizeieinsatz der vergangenen Jahre dazu in Berlin.

1639 Beamte waren im Einsatz. An der Gitschiner Straße in Kreuzberg wurde Bashir Remmo verhaftet.
1639 Beamte waren im Einsatz. An der Gitschiner Straße in Kreuzberg wurde Bashir Remmo verhaftet.  © DPA/Annette Riedl

Bei der Großrazzia mit 1639 Polizisten am Dienstag wurden drei tatverdächtige Juwelenräuber (23, 23, 26) geschnappt. Allesamt gehören zum berüchtigten Remmo-Clan (TAG24 berichtete).

Wochenlang hatte die Polizei die Razzia vorbereitet: Aus acht Bundesländern wurden Kräfte rekrutiert, darunter schwer bewaffnete Spezialeinsatzkommandos (SEK) aus Sachsen und die GSG 9-Truppe des Bundes. Um nicht aufzufallen, reisten die Einheiten teilweise über Umwege an.

Noch bevor es 6 Uhr in der Frühe offiziell losging, klickten die Handschellen zum ersten Mal: Die Polizei stoppte kurz nach 3 Uhr das Auto von Wissam Remmo (23, nach Goldmünzenraub verurteilt, aber noch auf freiem Fuß) und nahm ihn fest.

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Später wurden dann Bashir Remmo (23) in Kreuzberg und Rabih Remmo (26) in Neukölln jeweils in ihren Wohnungen festgenommen.

Insgesamt durchsuchten die Beamten 20 Wohnungen, zwei Garagen, ein Café sowie mehrere Fahrzeuge. Sie stellten zahlreiche Speichermedien (Computer, Handys) sowie Bekleidungsstücke und Drogen sicher.

Bashir Remmo (23) bei der Ankunft in Dresden.
Bashir Remmo (23) bei der Ankunft in Dresden.  © Ove Landgraf

Kunstschätze weiterhin nicht in Sicht

Ziel ist es, dass die Schätze zurückkehren.
Ziel ist es, dass die Schätze zurückkehren.  © Polizei Dresden

Doch immer noch fehlen die Kunstschätze! Nicht einmal eine Spur von Goldstaub wurde sichergestellt, wie Polizeisprecher Thomas Geithner (47) bestätigt.

Die Zuversicht, dass die Schmuckstücke aus der Schatzkammer von August dem Starken (1670-1733) trotzdem wieder auftauchen, ist bei den Kunstsammlungen mit den Festnahmen in Berlin gewachsen.

Generaldirektorin Marion Ackermann (55): "Wir hoffen natürlich, dass die Juwelengarnituren gefunden werden und bald wieder an ihrem angestammten Ort zurückkehren können."

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Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt (45) hält die Rückkehr des Staatsschatzes tatsächlich für realistisch: "Diese Schmuckstücke kann man so nicht verkaufen, aber auch nicht einfach einschmelzen wie eine Goldmünze."

Die Fahnder hoffen indes, dass die Polizei "vielleicht neue Hinweise auf den Verbleib der Kunstschätze aus den beschlagnahmten Speichermedien bekommt".

Sprecher Geithner resümiert: "Die Hoffnung stirbt zuletzt." Auch die drei festgenommenen Remmo-Clan-Gangster haben sich bislang nicht geäußert. Sie wurden in Dresden dem Haftrichter vorgeführt, der für alle drei Haftbefehle erließ.

Für die Soko "Epaulette", die mit 40 Kräften seit einem Jahr an der Lösung des Falls arbeitet und die wertvollsten Hinweise aus den Kamera-Aufzeichnungen und dem später aufgefundenen Tarn-Taxi (Mercedes 500) erhielt, bleibt es das Ziel, die Juwelen zu finden.

Wissam Remmo (23) wurde in seinem Auto in Berlin geschnappt.
Wissam Remmo (23) wurde in seinem Auto in Berlin geschnappt.  © Imago/Olaf Wagner

Diese Zwillinge sind noch auf der Flucht

Abdul Majed Remmo (21, links) hat sein Fluchtauto in Berlin abgestellt. Auch sein Zwillingsbruder Mohamed Remmo (21) ist weiter auf der Flucht.
Abdul Majed Remmo (21, links) hat sein Fluchtauto in Berlin abgestellt. Auch sein Zwillingsbruder Mohamed Remmo (21) ist weiter auf der Flucht.  © Polizei Dresden

Noch sind nicht alle Täter geschnappt! Auf der Flucht befinden sich weiterhin die Clan-Mitglieder Abdul Majed Remmo (21) und Mohamed Remmo (21).

Auch ihnen wird schwerer Bandendiebstahl und Brandstiftung vorgeworfen. Seit Dienstagabend fahndet die Polizei öffentlich nach den Zwillingsbrüdern. (TAG24 berichtete)

Für einige Stunden gab es die Hoffnung, Abdul Majed bald dingfest machen zu können. Er sollte Hinweisen zufolge mit einem grauen Renault Megane (neueren Baujahres) mit Berliner Kennzeichen unterwegs gewesen sein.

Doch offenbar war der Remmo-Jüngling informiert: Am Abend wurde das Fahrzeug in Berlin verlassen vorgefunden. Von Abdul Majed keine Spur. "Der Aufenthaltsort des tatverdächtigen Mohamed Remmo ist weiterhin unklar", so Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt (45). "Die Fahndung nach den Brüdern läuft unter Hochdruck, auch international."

Zudem gibt es einen sechsten Tatverdächtigen, der am Juwelenraub beteiligt gewesen sein soll. "Gegen ihn liegt kein dringender Tatverdacht vor", so der Oberstaatsanwalt. Im Klartext: Die Beweislage ist noch zu dünn. Der sechste Mann gehört vermutlich auch zum Remmo-Clan.

Das ist der Remmo-Clan

Auch Rabih Remmo (26) wurde dem Haftrichter vorgeführt.
Auch Rabih Remmo (26) wurde dem Haftrichter vorgeführt.  © Ove Landgraf

Der Remmo-Clan aus Berlin ist bekannt für kriminelle Coups großen Kalibers. Mitglieder der Gang waren es, die im März 2017 ins Berliner Bode-Museum einbrachen und eine 100 Kilo schwere Goldmünze (Wert: 3,75 Millionen Euro) - die seither verschwunden ist - mithilfe einer Schubkarre klauten.

Doch wer ist der Clan, dessen Mitglieder außerdem wegen zahlreicher Überfälle, Diebstähle, Drogendelikte und sogar wegen Mordes vor Gericht standen?

Die arabischstämmige Remmo-Familie (mehr als 500 Mitglieder) ist einer der größten Clans in Berlin. Sie stammen ursprünglich aus dem kurdischen Gebiet im Osten der Türkei siedelten sich nach dem Ersten Weltkrieg im Libanon an und zogen von dort aus in den 1980er-Jahren zuerst nach Ost-Berlin und dann weiter in den westlichen Teil der Stadt.

Im Juli 2018 hatte die Berliner Staatsanwaltschaft Immobilien von Clan-Mitgliedern im Wert von neun Millionen Euro beschlagnahmt, darunter die Villa des Clan-Bosses in Neukölln, die mittlerweile dem Land Berlin gehört.

So lief damals der Raubzug im Grünen Gewölbe

Das Fluchtauto wurde in einer Garage in Dresden-Pieschen angezündet.
Das Fluchtauto wurde in einer Garage in Dresden-Pieschen angezündet.  © Roland Halkasch

Es war einer der spektakulärsten Kunstraub-Straftaten der Geschichte: Am frühen Morgen des 25. November 2019 stiegen die Juwelenräuber ins Grüne Gewölbe des Dresdner Residenzschlosses ein und klauten Schmuckstücke von unbezahlbarem Wert aus dem 18. Jahrhundert (TAG24 berichtete).

Die Verbrecher hatten zuerst einen Stromkasten an der Augustusbrücke angezündet, legten damit die Straßenbeleuchtung lahm. Im Dunkeln zerstörten sie kurz vor 5 Uhr ein Fenstergitter am Schloss wohl mit einem Spezialspreizer der Feuerwehr, drückten das Fenster ein.

Zu zweit hangelten sie sich in Windeseile ins Innere, durchquerten mehrere Räume, bevor sie im Juwelenzimmer mit der Axt Löcher in das Glas einer Vitrine schlugen, ein Dutzend Schmuckstücke und einige Rockknöpfe einsackten und auf gleichem Wege das Schloss verließen.

Der von einer Kamera gefilmte Coup dauerte nur wenige Minuten. Als die Polizei eintraf, waren Diebe samt Beute verschwunden.

Ein angezündetes Fluchtauto wurde in einer Tiefgarage in Pieschen entdeckt. Mit einem weiteren, als Taxi getarnten Fahrzeug, entkamen die Täter nach Berlin.

Hier stiegen die Einbrecher ein.
Hier stiegen die Einbrecher ein.  © imago/Max Stein

Kamera bewacht jetzt das Einbruchsfenster

Jetzt wird das Einbruchsfenster von einer Kamera bewacht.
Jetzt wird das Einbruchsfenster von einer Kamera bewacht.  © Thomas Türpe

Fehlt nur noch ein Schild "Bitte brechen Sie hier nicht mehr ein!". Dort, wo vor gut einem Jahr die Juwelenräuber einstiegen, überwacht jetzt eine Videokamera das Geschehen. Die kompakte und gut sichtbare neue Technik hängt unter einem Sims des ersten Obergeschosses.

Ihr Auge richtet sich direkt auf das Fenster. Denn von der Straße aus ist die Ecke immer noch den Blicken verschlossen: Durch eine Mauer, vor allem aber durch eine fest installierte Werbetafel.

Weitere, bereits vorhandene Kameras befinden sich auf dem Dach der Sempergalerie und ebenfalls an der westlichen Schlossfassade.

Fahndungserfolg ereilt MP im Kinderzimmer

Im heimischen Kinderzimmer erfuhr MP Michael Kretschmer (45, CDU) vom Fahndungserfolg.
Im heimischen Kinderzimmer erfuhr MP Michael Kretschmer (45, CDU) vom Fahndungserfolg.  © privat/MOPO

Dienstagmorgen: Gerade tagt das sächsische Kabinett - virtuell.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (45, CDU) hat daheim im Kinderzimmer seiner Jungs die Minister jeweils per Video zugeschaltet.

Noch muss er in Quarantäne verharren, seit er vor fast zwei Wochen Kontakt mit dem später positiv getesteten Regionalentwicklungsminister Thomas Schmidt (59, CDU) hatte.

Da platzt die Nachricht von den Berliner Festnahmen in die Runde. Große Freude bei allen Beteiligten.

Von einem "guten Zeichen nach der langen Zeit" ist die Rede. Für wenige Augenblicke ist Corona vergessen.

Titelfoto: DPA/Annette Riedl & Ove Landgraf

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