Das ist Sachsens ältester Motorrad-Schlosser!
Bautzen - Günter Ottiger (91) hätte 1994 in Rente gehen können. Stattdessen arbeitete der Kfz-Elektromeister aus Bautzen einfach weiter. 26 Jahre später steht er noch immer von früh bis abends in seiner Werkstatt ...
Dort sieht es aus wie in einem Museum.
Historische Prüfgeräte mit Sammlerwert wie ein Amperemeter (zum Prüfen der Batterieleistung) aus den 1930er-Jahren.
"Alle noch funktionstüchtig", sagt Ottiger. Seine Hände sind schon vormittags mit Öl verschmiert, ein paar Stunden Arbeit liegen bereits hinter ihm. "Ich fange meistens um sieben Uhr früh in der Werkstatt an."
Seine Wohnung ist über der Werkstatt im selben Haus, das sein Vater 1953 nach dem Krieg errichtet hatte.
Ottiger übernahm den Betrieb nach Lehre, Studium und Meistertitel als Kraftfahrzeug-Elektriker 1968.
"Seitdem arbeite ich ununterbrochen. Ab und zu schlafe ich noch", sagt der Senior schmunzelnd.
Statt wie viele Altersgenossen nach der Wende in Rente zu gehen, repariert er weiter Anlasser und Zündungsmagnete. "Weil immer wieder Leute kommen."
Manche Kunden kommen seit Jahrzehnten. Aus der Lausitz, Dresden, Leipzig. "Und manche aus Westdeutschland", sagt der Senior.
Der Kfz-Elektromeister hat rund 20 Lehrlinge ausgebildet
"Er ist einer der Letzten, der sich noch mit Technik auskennt und die Sachen überhaupt reparieren kann. Das macht sonst keiner mehr", sagt ein Bautzner Stammkunde, der einen Lichtmaschinenregler für sein Motorrad abholt.
Rund 20 Lehrlinge hat Meister Ottiger ausgebildet. Verändert haben sich Arbeit und Menschen wenig: "Geändert haben sich die Ersatzteile."
Die Arbeit ist für ihn eine Lebensaufgabe.
Früher hatte seine Frau noch die Buchhaltung gemacht. Nachdem sie vor zwölf Jahren starb, übernahm der Witwer auch das noch.
Seine Tochter oder die drei Urenkel kann er nicht in der Werkstatt einspannen, sie leben in Thüringen.
Ob er mit 100 noch arbeitet? "Meine Zeit läuft ab", sagt er.
Probleme bereitet ihm sein Knöchel.
Aber noch will der Meister seine Arbeit nicht ruhen lassen: "Ich kann doch nicht den ganzen Tag lesen oder Fernsehen gucken. Außerdem merke ich, dass ich noch gebraucht werde."
Titelfoto: Norbert Neumann