Zu aufmüpfig? Vermieter wirft Schwerbehinderten aus Wohnung
Dresden - Er wurde zum Krüppel, weil er einer Frau das Leben rettete: Sven Scheunig (50) kämpft unermüdlich um mehr Selbstständigkeit. Jetzt droht ihm der Rausschmiss aus seiner Wohnung.
Hoch konzentriert, mit dem Blick stur geradeaus gerichtet, stapft Sven in der 3. Etage der Wohnanlage "Palmental" über den Flur.
Mühsam setzt er einen Fuß vor den anderen. Immer wieder gerät er ins Wanken, stützt sich an den Wänden ab, macht aber Meter für Meter gut. Die Ärzte sagten, er wird für immer im Rollstuhl sitzen.
Am 3. August 1990 fuhr der damals 21-Jährige mit Freunden zu einem Thrash-Metal-Konzert in Augsburg.
Am Burkauer Berg auf der A 4 krachte es plötzlich hinter ihnen. Scheunig stieg aus, um Hilfe zu leisten, zog eine Frau aus dem demolierten Wagen.
Dann schleuderte ein anderes Auto in die Unfallstelle, erfasste ihn. Er überlebte schwerverletzt.
Fast 30 Jahre ist das nun her. "Er kämpft wie ein Ochse, versucht selbstständig zu sein", sagt Joachim Schneider (64), langjähriger Freund Scheunigs.
Im Rollstuhl sitzen will er nicht, seinen Rollator nur benutzen, wenn es nicht anders geht. Jetzt kostet ihm sein Kampfgeist wohl die Wohnung: Die Hausverwaltung hat ihm zum 30. November gekündigt. Über die Gründe wollte sich der Vermieter der Morgenpost gegenüber nicht äußern.
"Ich passe da nicht rein, weil ich was dagegen habe, ständig bevormundet zu werden. Vielleicht bin ich auch zu aufmüpfig", vermutet Scheunig. Die Wohnanlage an der Gerokstraße ist auf die Bedürfnisse von Senioren ausgerichtet, nicht aber auf die eines Schwerbehinderten.
Beim Lauftraining im Gang ist er schon mal gestürzt. Mieter gaben an, damit überfordert zu sein. Mit seiner direkten Art auch. Sven Scheunig will die Kündigung anfechten.
Titelfoto: Thomas Türpe