Aus kuriosem Grund: Schauspieler Brambach kam zum Staunen in diese Dresdner Ausstellung
Dresden - Er kam, sah und staunte: Schauspieler Martin Brambach (58) konnte sich am Schließtag ganz ungestört in der neuen "Herkules"-Ausstellung in den Alten Meistern umgesehen.
Der "Tatort Dresden"-Kommissar bekam von Sammlungsdirektor Holger Jacob-Friesen (58) eine persönliche Führung - aus gutem Grund. Brambach hat für die Schau acht Videos mit Hintergrundgeschichten eingesprochen - noch dazu gratis! Quasi als Wiedergutmachung.
Dahinter steckt eine kuriose Episode, die Jacob-Friesen in Brambachs Reiseführer "Nice to meet you, Dresden" las: Brambachs Vater wollte 1967 für einen Freund einen Sozialantrag auf einer Schreibmaschine tippen. Doch er hatte keine, wohl aber gelesen, dass in der 6. Deutschen Kunstausstellung im Albertinum eine Reiseschreibmaschine Erika Modell 43 ausgestellt war.
"Er zog sich einen weißen Kittel an, ging über den Personaleingang des Grünen Gewölbes in die Schau, verstaute die Erika in einem Karton und fuhr mit ihr in der Straßenbahn nach Hause. Am nächsten Tag fahndete die Polizei nach dem Dieb und Vater traute sich nicht, die Erika zurückzugeben. Sie ist bis heute in seinem Besitz", erzählt Brambach.
"Auf diese Episode habe ich Martin Brambach angesprochen - nach dem Motto: Sie sind uns was schuldig. Und er hat sofort für die Videos zugesagt", schmunzelt Jacob-Friesen. Gedreht wurden die Spots im Studio vom Brambachs Kölner Presseagentur.
Held und Antiheld
Im Halbdunkel des Saals zeichnet sich die mächtige Silhouette des Hercules Saxonicus gegen das gedämpfte Licht ab. Der Besucher ist gebannt von diesem Monument der Bildhauerkunst am Eingang zur Ausstellung "Herkules: Held und Antiheld", die noch bis 28. Juni in der Gemäldegalerie zu bestaunen ist.
Der Hercules Saxonicus, auch: Herkules mit dem Himmelsgewölbe, ist der Abguss der zerstörten Sandsteinstatue von Balthasar Permoser, über drei Meter hoch und beinah eineinhalb Tonnen schwer. Figur und Symbol eines antiken Mythos, der größer ist als jede einzelne Darstellung.
Ein Held, ein Zweifler, ein Berserker, ein Geläuterter. Und genau in dieser Schwebe zwischen Stärke und Verletzlichkeit verortet sich der Blick in der Ausstellung auf die Sagenfigur, die römisch als Herkules und griechisch als Herakles in beiden Mythologien eine zentrale Rolle spielt.
Von diesem szenischen Auftakt führt die Schau hinein in ein dichtes Geflecht aus Kunstwerken, Erzählungen und Deutungen. Die Auswahl verbindet die eigenen Bestände der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), etwa aus Gemäldegalerie, Skulpturensammlung, Kupferstich-Kabinett und Münzsammlung, mit internationalen Leihgaben.
So treten Objekte zusammen, die sonst weit voneinander getrennt wären: antike Marmorstatuen neben barocken Gemälden, filigrane Goldschmiedearbeiten neben historischen Münzen.
Herkules' Charakter dürfte den Diskurs um "toxische Männlichkeit" vielfach befeuern
Eine Ausstellung, die greifbar Jahrtausende durchmisst. Ältestes Objekt ist die Amphore "Herakles und Kyknos", 2500 Jahre alt, jüngstes Thomas Bayrles Siebdruck in fünf Farben "Augias Stall" von 1971.
Inhaltlicher Kern der Schau ist die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Charakterbilder des Helden. So zeigt etwa Rubens’ Darstellung des trunkenen Herkules, ein Gemälde aus Dresdner Bestand, den entzauberten, taumelnden Antihelden, der seine titanische Kraft in Exzessen vergeudet.
Anders wirken die antiken Vasen und Reliefs sowie weitere Objekte, auf denen Herakles mit stoischer Entschlossenheit gegen scheinbar übermächtige Feinde antritt: die Hydra, den Nemeischen Löwen, den Riesen Antaios. Diese Werke sind nicht nur Illustrationen der berühmten Taten, sondern zeigen, wie früh der Held als Maß für Mut, Übermaß und menschliche Fehlbarkeit diente.
"Herkules nimmt oft die falsche Abbiegung", sagt Holger Jacob-Friesen, Direktor der Gemäldegalerie. Trunkenbold, Vergewaltiger, gar Mörder - all das sei der antike Kraftprotz, Sohn aus der Verbindung des Göttervaters Zeus mit der thematischen Prinzessin Alkmene, auch. Als heutige Figur dürfte sein Charakter den Diskurs um "toxische Männlichkeit" vielfach befeuern.
Halbgötter sind halt auch Menschen
Dass die Dresdner Sammlungen reich an Herkules-Material sind, zeigt sich in mehreren Kapiteln der Ausstellung. Besonders präsent ist die lokale Tradition um August den Starken, der sich im barocken Dresden immer wieder als neuer Herkules inszenierte.
Das spiegelt sich in Skulpturen wie Permosers "Sächsischem Herkules" ebenso wie in höfischen Bildprogrammen, die politische Macht mit mythologischer Symbolik aufladen. Die Ausstellung erlaubt so nicht nur einen Blick in die Antike, sondern auch auf das barocke Dresden, das den Heros für seine eigenen Zwecke neu erfand.
Am Ende verlässt man die Ausstellung nicht mit einem festen Bild, sondern mit einer Reihe offener Fragen: Was ist ein Held? Wie viel Verantwortung trägt Stärke? Und warum fasziniert uns ein Mythos, der so oft von Scheitern und Überforderung erzählt? Halbgötter sind halt auch Menschen, wenn auch nur zur Hälfte.
*Zur Ausstellung ist bei Sandstein Kultur zum Preis von 28 Euro ein Katalog erschienen.
Titelfoto: Eric Münch

