Dresdens Berufsschule der zweiten Chancen
Dresden - Rund fünf Prozent der Dresdner Schüler verlassen jedes Jahr die Schule ohne Abschluss. Wie geht es dann weiter? In einer Einrichtung in Blasewitz suchen engagierte Lehrer und ihre Schützlinge gemeinsam nach Antworten.

"Spurenwechsel" heißt die neue Produktionsschule an der Bärensteiner Straße. Früher war hier mal eine Druckerei, später eine Jugendwerkstatt.
Jetzt wird hier Zukunft gemacht! Seit Januar basteln, kochen und schrauben 24 Jugendliche an ihrer zweiten Chance.
Das Konzept: lernen mit der Hand. Wer hier ist, soll nicht nur büffeln, sondern anpacken - in der Holz- und Metallwerkstatt, im Fahrradraum oder in der schuleigenen Küche.
David Pinto (17) ist einer von ihnen. Er ging frühzeitig von der Förderschule ab, fand hier wieder Anschluss. "Ich interessiere mich fürs Kochen und für Pflege", sagt er stolz. Heute werkelt er mit bis zu sieben Mitschülern in einer Kleingruppe. Tipps gibt es von Profis – sieben Fachlehrern und Sonderpädagogen.
Doch es geht um mehr als nur Arbeit. Auch Gemeinschaft zählt. "Gerade für Jugendliche aus schwierigen Familienverhältnissen ist das wichtig", sagt Schulleiterin Annett Zingler (48).
Mit dem, was die Schüler erarbeiten, werden sogar Ausflüge finanziert - etwa in die Sächsische Schweiz oder ins Militärhistorische Museum.
Das Projekt wird von der EU und der Stadt unterstützt – mit Erfolg! Zwei Schüler haben schon einen Ausbildungsvertrag in der Tasche. Im August starten sie ihre Lehre als Koch.

Perspektive und Anerkennung - Ein Kommentar von Lennart Zielke

Was die Lehrer und das Team des Bildungswerks der Sächsischen Wirtschaft in Dresden-Blasewitz leisten, verdient höchste Anerkennung. In der Produktionsschule "Spurenwechsel" wird Jugendlichen eine echte zweite Chance geboten.
Wer hier landet, hat meist keinen geraden Bildungsweg hinter sich. Durch praktische Arbeit in der Werkstatt bekommt er wieder Perspektive und Anerkennung.
Die Erfolge sind messbar: Zwei Jugendliche starten im Sommer in ihre Ausbildung. Ein Ergebnis engagierter pädagogischer Arbeit in kleinen Gruppen und mit klarer Struktur. Dieses Modell zeigt, dass es auch anders geht - und besser. Von solchen Einrichtungen braucht Deutschland deutlich mehr.
Denn der Ausbildungsmarkt steht unter Druck. Laut der Bertelsmann Stiftung blieben 2023 mehr als 70.000 Ausbildungsplätze unbesetzt - so viele wie noch nie. Im selben Jahr gab es rund 626.000 junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren, die sich weder in Schule noch in Beschäftigung, Ausbildung oder Studium befanden. Dramatisch für eine Nation, deren Kapital der Erfindungsreichtum ist.
Betriebe suchen händeringend Fachkräfte, doch eine wachsende Zahl junger Menschen rutscht durch das Raster. Deutschland muss dieses Problem jetzt konsequent in Angriff nehmen. Sonst droht der Abstand zu den großen Wirtschaftsräumen in Nordamerika und Ostasien noch größer zu werden.
Titelfoto: Thomas Türpe