Dresden - Der Blick der Kunstwelt richtet sich dieser Tage auf Dresden und Essen. Anlass ist der 70. Geburtstag von William Kentridge (28. April), einem der bedeutendsten Künstler der Gegenwart.
Unter dem Titel "Listen to the Echo" präsentieren das Museum Folkwang in Essen (seit Donnerstag) und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (ab Samstag) in Kooperation ein Ausstellungsfestival seines facettenreichen Werks.
Kentridge wurde 1955 in Johannesburg geboren. Seine Eltern, prominente Anwälte, setzten sich schon früh gegen das Apartheid-Regime ein. Diese politische Prägung spiegelt sich in seiner Kunst.
Berühmt wurde Kentridge mit Animationsfilmen, die auf Kohlezeichnungen basieren: Ein Bild wird gezeichnet, teilweise ausradiert, überzeichnet, erneut gefilmt - ein Prozess, der Bewegung wie Vergänglichkeit sichtbar macht.
Die Reihe "Drawings for Projection", die von gesellschaftlichen Umbrüchen im Südafrika der Apartheid und danach handelt, gilt als Schlüsselwerk.
William Kentridge: Poesie und Politik
Kentridges Schaffen reicht über das Zeichnen hinaus. Er arbeitet mit Druckgrafik, Skulptur, Tapisserien und entwirft aufwendige Installationen.
Zudem hat er Opern inszeniert, Theaterstücke ausgestattet und ein eigenes künstlerisches Zentrum in Johannesburg mitgegründet: das "Centre for the Less Good Idea" (2016).
Stets verknüpft er Poetisches mit Politischem - sein Werk erzählt von Unterdrückung und Kolonialismus wie von Hoffnung und menschlicher Würde.
Die Ausstellungen nehmen diese Vielfalt auf: In Essen zeigt das Museum Folkwang eine große Retrospektive.
In Dresden wird Kentridges Schaffen an drei Standorten erlebbar: Im Kupferstich-Kabinett steht die Druckgrafik im Zentrum; in der Puppentheatersammlung wird die neue Jahresausstellung vom "Centre for the Less Good Idea" gestaltet; im Albertinum sind unter anderem die Videoinstallationen "Oh To Believe in Another World" (2022) und "More Sweetly Play the Dance" (2015) zu sehen, Letztere zeigt eine Prozession von Menschen quer über den Bildraum.
Beide werden in Beziehung gesetzt zu den großformatigen Vorzeichnungen des Dresdner Fürstenzugs.
Fürstenzug und DDR-Protest: Das verbindet Kentridge und Dresden
Prozessionen, um sie geht es hauptsächlich bei diesem Ausstellungsprojekt. Kentridge versteht sie als Metapher menschlicher Gemeinschaft, das Gehen zu Fuß als elementarste Form von Bewegung, Widerstand, Hoffnung.
Prozessionen, Aufmärsche, Demonstrationen, sie spielten auch in Dresden seit jeher eine besondere Rolle, heißt es vonseiten der SKD mit Bezug auf "die prachtvollen Festumzüge Augusts des Starken, den Kampf um Bürgerrechte im 19. Jahrhundert über staatlich organisierte Paraden zu DDR-Zeiten, die friedliche Revolution 1989, bis zu den Pegida-Protestmärschen unserer Zeit".
Den Auftakt für das Dresdner Ausstellungsfestival macht am heutigen Freitag die performative Prozession "Foot Power", bei der jeder eingeladen ist, mitzugehen.
Tänzer, Musiker, Performer ziehen durch den Stadtraum - Studierende der HfBK, die Band Banda Comunale, der Chor Singasylum. Der Zug beginnt um 19.30 Uhr am Albertinum und zieht vorbei an ikonischen Stationen wie Brühlscher Terrasse, Fürstenzug und Residenzschloss zum Terrassenufer.
Die Prozession ist Gemeinschaftswerk vieler Akteure des "Centre for the Less Good Idea" und aus Dresden. Die Requisiten entstanden nach Entwürfen von Kentridge und Bronwyn Lace während eines Sommerworkshops an der HfBK. Konzipiert ist die Prozessions-Performance als eigenständiges Werk, für die SKD angekauft vom Förderverein Museis Saxonias Usui - Freunde der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden e.V. Gespeichert wird sie in Foto und Film.
William Kentridge ist ein Weltkünstler. Dreimal nahm er an der "documenta" Kassel teil, fünfmal an der Biennale Venedig. 2024 erhielt er den Internationalen Folkwang-Preis. Seine Werke finden sich im MoMA, New York, oder der Tate Modern, London.