Dresdner Autor würdigt den großen Humoristen: "Es gibt keinen Loriot 2.0"

Dresden - "Das ist ja wie bei Loriot", heißt es oft, wenn der Alltag absurd wird. Am heutigen Sonntag hätte Vicco von Bülow seinen 100. Geburtstag begangen. Die Würdigungen sind mannigfaltig, auch publizistisch. Der Dresdner Literaturwissenschaftler Wieland Schwanebeck (40) etwa hat bereits im Frühjahr seinen Band "Loriot" veröffentlicht. Wie sieht er den Ausnahme-Humoristen?

Seine Sätze wie "Früher war mehr Lametta" wurden zum geflügelten Wort: Am heutigen Sonntag wäre Loriot 100 Jahre alt geworden.
Seine Sätze wie "Früher war mehr Lametta" wurden zum geflügelten Wort: Am heutigen Sonntag wäre Loriot 100 Jahre alt geworden.  © Soeren Stache/dpa

Schwanebecks Buch ist in der Reihe "100 Seiten" bei Reclam erschienen (10 Euro).

Weder hakt es schnöde die Karrierestationen ab, noch seziert Schwanebeck Loriots Schaffen akademisch: "Ich nähere mich Loriot nicht aus wissenschaftlichem Blickwinkel, sondern möchte eher einen unterhaltsamen Überblick über sein Schaffen und seine wichtigsten Themen geben." Wer es tiefgründiger wolle, müsse zu anderen Publikationen greifen.

Er schildert in sechs Kapiteln nicht nur den Werdegang des Vicco von Bülow, sondern diskutiert auch das preußische Erbe von Loriot, seinen Stellenwert in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte und die zahlreichen Spuren, die Freiherr von Knigge bei Loriot hinterlassen hat.

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Es gibt viele Abbildungen legendärer Sketche sowie das Rezept für den berühmten "Kosakenzipfel".

Wer könnte das Erbe des Vicco von Bülow antreten? Literaturwissenschaftler Schwanebeck hat ganz klare Meinung

Der Dresdner Autor Wieland Schwanebeck (40) hat ein Buch über Loriot verfasst.
Der Dresdner Autor Wieland Schwanebeck (40) hat ein Buch über Loriot verfasst.  © Montage: TU Dresden, Reclam

Was macht für Schwanebeck die Kunst Loriots aus? "Zunächst mal ist Loriot weit vielfältiger, als wir ihm manchmal zugestehen. Er wird vor allem für seinen feingeistigen Humor und die Dialoge geschätzt, dabei gibt es auch ziemlich imposanten Slapstick bei ihm."

Man fände die Blamage auf gesellschaftlichem Parkett, die Angst vor der Peinlichkeit. Gleichzeitig gäbe es Stellen in "Ödipussi", die eher Psycho-Horror seien als heitere Komödie.

Der Autor: "Beeindruckend finde ich, in wie vielen Teildisziplinen des Komischen Loriot Bleibendes geschaffen hat – etwa als Karikaturist, Satiriker, als Sketchkomiker und Filmregisseur. Und da er in einigen Medien jeweils nur ein paar wenige Jahre konzentriert gearbeitet und dann aufgehört hat, bevor er sich wiederholt hätte, ist die Qualität sehr konstant."

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Ist Loriot zeitlos oder mancher Witz seiner Entstehungszeit verhaftet? Schwanebeck sagt: "Das schließt sich gar nicht aus, glaube ich. Wenn man das Mobiliar in den Sketchen betrachtet, einige antiquierte gesellschaftliche Umgangsformen oder die Kleidung der Figuren, dann sieht man natürlich die alte Bundesrepublik auferstehen."

Aber selbst Kindern müsse man eigentlich kaum erklären, warum das mal lustig war. "Angespannte Weihnachtsfeste unter Verwandten, anstrengende Verkaufsgespräche und Peinlichkeiten am Esstisch – das prägt unseren Alltag immer noch sehr. Und die Spießigkeit, an der sich Loriot immer wieder abarbeitet, wird auch nicht so schnell aus der Mode kommen."

Gibt es denn dann eine Art Erbe Loriots, oder bleibt er eine singuläre Erscheinung?

Schwanebeck sagt: "Einen 'Loriot 2.0' gibt es sicher nicht – und wahrscheinlich sind alle Vergleiche deswegen auch von vornherein zum Scheitern verurteilt." Harald Schmidt hätte es sein können, aber der sei keine überparteiliche Lichtgestalt. Oliver Kalkofe würde uns, ähnlich wie Loriot, als Fernsehstar zugleich vorhalten, wie mies das Fernsehen ist. Olli Dittrich und Anke Engelke stünden in der Tradition von Loriots schrulliger Typenkomik.

Schwanebeck: "Aber die verdienen es alle, nicht bloß als Abziehbilder von Loriot betrachtet zu werden – so wie ja auch keiner mehr von Loriot als dem 'Wilhelm Busch des 20. Jahrhunderts' redet."

Titelfoto: Soeren Stache/dpa

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