Ex-Regierungssprecher Sagurna: "Meine Arbeit war ein Ritt auf der Rasierklinge"

Dresden - So sollten die letzten Meter auf dem Weg ins Rentenalter bestimmt nicht verlaufen: Michael Sagurna (65), die ehemalige Stimme von Kurt Biedenkopf, hat viel Geld in den vergangenen Jahren verloren. Und jetzt sind auch noch Wortfindungsstörungen dazu gekommen.

Michael Sagurna im Gespräch mit TAG24-Redakteur Torsten Hilscher (52).
Michael Sagurna im Gespräch mit TAG24-Redakteur Torsten Hilscher (52).  © Petra Hornig

Der ehemalige Star-Reporter und sächsische Regierungssprecher wirkt unsicher. Er ist selbst irritiert - und offen: "Ich weiß nicht, was das ist. Etwas Neurologisches. Erschöpfung nach Jahrzehnten des Rummels, der Jagd, der Anspannung?!", grübelt er. 

2019 gab er deswegen sein Präsidentenamt bei der sächsischen Landesmedienanstalt auf, trat in die zweite Reihe. Nur der Gesundheit wegen, beharrt er und will damit Gerüchten von Herbst 2019 die Wirkung nehmen.

Es ist wirklich ein ereignisreiches Leben bislang gewesen.

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Biedenkopf kennt er noch, als der Professor junge Konservative im späteren CDU-Landesverband Westfalen-Lippe um sich scharte, um zu hören, wie diese Generation tickt.

Als Oktober 1991 Biedenkopf nach Sachsen ruft, hätte Sagurna eigentlich bereits in Sachsen-Anhalt Regierungssprecher sein können. 

Sagurna über seinen ehemaligen Chef Biedenkopf

Sagurna Mitte April 2008 als Chef der Staatskanzlei, hier mit Georg Milbradt (vorn links, heute 75) mit Nachfolger Stanislaw Tillich (heute 61, beide CDU).
Sagurna Mitte April 2008 als Chef der Staatskanzlei, hier mit Georg Milbradt (vorn links, heute 75) mit Nachfolger Stanislaw Tillich (heute 61, beide CDU).  © dpa/Ralf Hirschberger

"Aber da kannte ich niemanden, auch fand ich: Vorsicht vor Bindestrichländern", ulkt er. Sachsen jedoch lag ihm. 

Hinzu kam: Er war beim RIAS gewesen, dem Propagandasender der Amerikaner schlechthin. "Und da hat man ja auf den Wandel hin in der DDR ein wenig mitgewirkt."

Er landete in der Minister-WG auf der Schevenstraße, einem ehemaligen Gästehaus der Stasi am Elbhang. "Das war ein klitzekleines Zimmer. So um die zwölf Quadratmeter. Das war die vormalige Polizeistube. Die erste Jahresend-Fernsehansprache Biedenkopfs hab' ich auf den Knien geschrieben."

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Über seinen damaligen Chef sagt er: "Er ist ein ganz außergewöhnlicher Mensch. Einer von denen, die was drauf haben. Die Politik nicht als einen Pfrund betrachtet haben. Ihm hat es Spaß gemacht zu gestalten." 

Fachlich begegnete Sagurna ein Mix aus Ost- und West-Journalisten, den er noch heute als ein eigenes Forschungsgebiet empfiehlt.

Sagurna über seine Kinder

Sagurna (r.) mit Kurt Biedenkopf (heute 90) und Thomas de Maizière (heute 66, beide CDU) 1999.
Sagurna (r.) mit Kurt Biedenkopf (heute 90) und Thomas de Maizière (heute 66, beide CDU) 1999.  © Privatarchiv Thomas de Maizière

Seine Arbeit als Regierungssprecher bezeichnet er als "Ritt auf der Rasierklinge": Da die Presse, mit der es sich nicht verscherzen darf, hier der Arbeitgeber, die Landesregierung. Und über allem der Anspruch der Pressefreiheit. 

Dass er den elf Jahre währenden Spagat zumindest aus heutiger Sicht schaffte, zeigt die Tatsache, dass er nach fünf Jahren Unterbrechung vom Biedenkopf-Widersacher Georg Milbradt (heute 75, CDU) in die Staatskanzlei zurückgeholt wurde und sogar aufstieg. Erst Stanislaw Tillich (heute 61, CDU) wollte ihn nicht mehr.

Stinksauer ist er heute (noch) auf BiKo-Jäger Karl Nolle (75), weil auch der ihn piesackte: "Mit Unterlagen, die er rein rechtlich gar nicht haben durfte." Es ging um die Beratertätigkeit für ein Leasingunternehmen rund um die Sachsen LB. 

Sagurna betont, dass er damals kein Amt innehatte. Nach jetzigen Erkenntnissen Pech hatte er beim Ausflug ins Hotelwesen: Das "Waldhotel" am Aschergraben in Geising erwies sich als Groschengrab. Vorwürfe des Subventionsbetrugs und eher unglückliche Steuerdinge beim Projekt sind inzwischen geklärt.

Dann, beim Abschied in der Redaktion, schon beim Gehen, leuchten die Augen auf. Er muss noch kurz von seinen Kindern erzählen. Aus allen ist etwas geworden: die Mädchen Biologin, Krankenschwester, Schauspielerin; der Junge Ingenieur. Mit Medien haben sie rein gar nichts zu tun.

Das ist Michael Sagurna

Michael Sagurna (65) heute.
Michael Sagurna (65) heute.  © Petra Hornig

Michael Sagurna wurde am 27. September 1955 in Paderborn geboren. Er studierte unter anderem Kommunikationswissenschaften und Jura (bis 1. Staatsexamen), arbeitete später als Journalist. 

Neben Tätigkeiten am damaligen Regierungssitz in Bonn sowie im ehemaligen West-Berlin (RIAS) war er als Auslandskorrespondent tätig. Seine Einsätze führten ihn auch nach Afghanistan.

1991 holte ihn Kurt Biedenkopf nach Sachsen, für den er bis zu dessen Rücktritt April 2002 arbeitete. Unter Biedenkopfs Nachfolger Georg Milbradt war er auch Chef der Sächsischen Staatskanzlei und Staatsminister. 

Von 2013 bis Herbst 2019 war er Präsident des Medienrates der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM). 

Heute ist er noch als Sachverständiger Teil des SLM-Medienrates. Die Dresdner PR-Agentur WeichertMehner führt ihn als Senior Consulting Partner

Titelfoto: Petra Hornig

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