Dresdner Künstler: ER hat Humboldts Tagebücher gefälscht

Dresden - Historische Urkunden, Bücher, Siegel: Der Dresdner Künstler Einhart Grotegut (67) fertigt täuschend echte Kopien jahrhundertealter Schriftstücke an. Da diese alten Schätze so anfällig für Schäden sind, können die Originale oft nur kurz oder gar nicht ausgestellt werden. Dann kommen Groteguts "Fälschungen" (Faksimiles) zum Einsatz ...

Mit Pfeife im Hof: Einhart Grotegut (67) "fälscht" legal historische Schriftstücke.
Mit Pfeife im Hof: Einhart Grotegut (67) "fälscht" legal historische Schriftstücke.  © Eric Münch

Im Hof seiner Werkstatt in Briesnitz steckt sich Grotegut eine Pfeife an. Ein Fälscher sei er nicht. "Ich bin Künstler, manchmal dabei auch Alchemist", sagt der gebürtige Königsteiner. 

Damit spielt er auf eines seiner Geheimnisse an, die er für seine Arbeit benötigt. Seine Kopien sollten sich vom Original nicht unterscheiden: "Jeder Knick, jede Beule und jedes Wurmloch müssen übereinstimmen."

Für die Doppelseite aus Humboldts Tagebuch bearbeitete er wochenlang den Ausdruck einer digitalen Kopie der handschriftlichen Aufzeichnungen. Seite für Seite passte er die Oberfläche ans Original an. Bis es sich sogar so anfühlt, als streiche man über jahrhundertealtes Pergament. 

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Grotegut befeuchtet Seiten mit Wasser und anderen Ingredienzien, lässt sie wieder trocknen. Ein Blatt nach dem anderen, bis der Buch-Rand so ausgefranst ist wie das Original. "Man braucht ein Gespür fürs Papier. Eine aufwendige Arbeit, bei der man kreativ sein muss", sagt der Künstler. 

Groteguts Kopie ersetzt Humboldt-Tagebuch auf Festung Königstein

Mit einem Falzbein bearbeitet der Künstler das Papier, bis jeder Knick wie beim Original sitzt.
Mit einem Falzbein bearbeitet der Künstler das Papier, bis jeder Knick wie beim Original sitzt.  © Eric Münch

Er schleift sein Papier, um es dünner zu machen, sticht Löcher hinein. Welche Werkzeuge und Tinkturen er benutzt, gibt er nicht preis. "Der Hammer spielt eine Rolle bei der Welligkeit", verrät er.

Seit 15 Jahren fertigt Grotegut Faksimiles. Briefe russischer Zaren, Papier aus dem 9. Jahrhundert, Wehrmachtsakten für die Gedenkstätte Zeithain, königlich-päpstliche Siegel aus Bienenwachs. Einmal fiel ihm bei der finalen Kontrolle versehentlich Glut auf eine Urkunde, machte die Arbeit einer ganzen Woche zunichte. Seitdem genießt er seine Pfeife lieber draußen im Hof.

Groteguts Kopie ersetzt in einigen Tagen auf der Festung Königstein das Original-Tagebuch von Alexander von Humboldt (1769-1859), in dem der Gelehrte und Naturforscher über seinen Aufenthalt in der damals streng bewachten Militäranlage berichtet. 

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"Schriftstücke dieser Art halten einer dauerhaften Lichtbestrahlung nicht lange stand. Die Tinte würde verblassen", erklärt Kurator Andrej Pawluschkow. Darum muss die Leihgabe zurück ins Tresormagazin der Staatsbibliothek zu Berlin, dort mindestens bis 2024 ruhen. 

Für Besucher ist kein Unterschied feststellbar: Noch liegt in der Ausstellung auf der Festung Königstein das Original-Tagebuch, wird nun gegen Groteguts Faksimile getauscht.
Für Besucher ist kein Unterschied feststellbar: Noch liegt in der Ausstellung auf der Festung Königstein das Original-Tagebuch, wird nun gegen Groteguts Faksimile getauscht.  © Steffen Keil/Festung Königstein gGmbH
Schrieb Erlebnisse seines Festungs-Besuches wie das Ausmessen des Brunnens im Juni 1797 in seinem Tagebuch nieder: Forscher Alexander von Humboldt (1769-1859).
Schrieb Erlebnisse seines Festungs-Besuches wie das Ausmessen des Brunnens im Juni 1797 in seinem Tagebuch nieder: Forscher Alexander von Humboldt (1769-1859).  © picture alliance/dpa

Die Ausstellung in Königstein ist bis November täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Titelfoto: Bildmontage: picture alliance/dpa, Eric Münch

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