Dresden - Mit der Ausstellung "Roger Melis - Fotografien" widmet das Leonhardi-Museum Dresden einem der feinfühligsten Beobachter des Lebens in der DDR eine umfassende Retrospektive. Rund 130 Aufnahmen, entstanden über vier Jahrzehnte, zeigen das Werk eines Künstlers, der die Menschen und ihre Lebensräume mit unbestechlicher Aufmerksamkeit und stiller Empathie porträtierte.
Die von Mathias Bertram kuratierte Schau präsentiert bekannte Porträts von Schriftstellerinnen, Künstlern und Intellektuellen ebenso wie weniger bekannte Reportagen, Stadtansichten, Alltagsszenen.
Neben den ikonischen Aufnahmen von Anna Seghers, Sarah Kirsch, Manfred Krug oder Wolf Biermann sind auch frühe Fotografien aus Dresden und Meißen zu sehen – Momentaufnahmen einer Gesellschaft zwischen Anpassung und Selbstbehauptung.
Besonders eindrucksvoll ist die Serie "Die Künstler vom Prenzlauer Berg", die ein sensibles Gruppenbild jener Generation entwirft, die mit ihren Mitteln den kulturellen Raum der DDR erweiterte.
Zur Ausstellung erschienen ist ein Katalogbuch mit Texten von Eugen Blume und Uwe Kolbe, das diese Serie erstmals komplett zeigt.
Roger Melis, 1940 in Berlin geboren und 2009 dort gestorben, war mehr als nur ein Fotograf - er war ein Chronist, der mit der Kamera ein Stück deutscher Geschichte festhielt.
Roger Melis wollte "wahre" soziale Beschaffenheit einfangen
Nach einer Ausbildung zum Fotografen arbeitete er zunächst an der Charité, bevor er ab Ende der 1960er-Jahre als freier Fotograf tätig war. Seine Porträts erschienen in Zeitschriften und Buchverlagen, bis ihm 1983 aufgrund eines Beitrags für das Magazin GEO die Arbeit für die DDR-Presse untersagt wurde.
In dieser Zeit entstanden einige seiner eindringlichsten freien Arbeiten. Später lehrte Melis an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und am Lette-Verein, wo er Generationen von Nachwuchsfotografen prägte.
Melis blieb zeitlebens dem Schwarz-Weiß verpflichtet, einer Tonalität, die seinen Bildern die nötige Distanz und Tiefe verleiht.
Wesentlich für Melis' Fotografie war seine Haltung: Er verstand sich nicht als Propagandist oder Chronist offizieller Narrative, vielmehr suchte er nach der "wahren" sozialen Beschaffenheit seiner Zeit - einer Realität, die sich weder in idealisierten Staatsbildern noch in plumpe Polemik pressen ließ.
In einer Zeit, in der offizielle Medien das "sozialistische Ideal" zeigen wollten, hielt er fest, was tatsächlich war: Gesichter, die erzählen. Straßen, die schweigen. Augenblicke, die mehr verraten als jedes Manifest.
Die Dresdner Ausstellung läuft bis zum 4. Januar
Melis verstand die Fotografie nicht als politisches Werkzeug, sondern als Mittel, Wirklichkeit sichtbar zu machen - jenseits der Inszenierung. Seine Bilder sind weder laut noch anklagend; sie leben von Genauigkeit, Ruhe und Respekt.
Die Dresdner Ausstellung (bis 4. Januar) lädt dazu ein, Roger Melis neu zu entdecken - als Künstler, der mit der Kamera nicht nur Menschen porträtierte, sondern auch ihre Zeit.
Seine Fotografien sind Dokumente von hoher künstlerischer Kraft, zugleich Zeugnisse einer Gesellschaft, die längst vergangen scheint, deren Spuren aber in diesen Bildern weiterleben.