Tennessee Williams' "Endstation Sehnsucht" neu im Schauspielhaus: Sackgasse Trailerpark
Dresden - Streit, Schläge, Vergewaltigung und die zerfallenden Lebenslügen einer sich großbürgerlich glaubenden Frau inmitten eines stumpfen Arbeitermilieus: Tennessee Williams' Südstaatendrama "Endstation Sehnsucht" bietet viel saftiges Katastrophen-Potenzial auf.

Regisseurin Laura Linnenbaum verlegt es in eine triste, gleichwohl filmbildreife Wüstenei. Premiere war am Donnerstag im Schauspielhaus.
ACHTUNG, SPOILER!
Irgendwo an der Peripherie von New Orleans, ein Wohnwagen steht unter Straßenlaternen, dahinter ein immer neu beleuchteter Horizont (Bühne: Bettina Meyer). Ein für die US-Unterschicht signifikanter Trailerpark ist angedeutet, nur ein Camper steht trostlos herum, der sich mittels Drehbühne auf anderer Seite zu einer beengten Wohnung mit Gewehr an der Wand öffnet.
In diese Einöde reist Ex-Lehrerin Blanche DuBois (Betty Freudenberg), die allen Besitz und das Anwesen der Eltern verloren hat.
Blanche zieht bei ihrer Schwester Stella (Sarah Schmidt) ein, die mit dem Mechaniker Stanley Kowalski (neu im Ensemble: Nahuel Häfliger) verheiratet ist.
Einem primitiven Macho, der sie schlägt, dessen animalischen Sex sie aber schätzt und schwanger von ihm ist. Stanley glaubt Blanches Erzählungen nicht, die bald mit seinem Sauf- und Poker-Kumpan Mitch (Raiko Küster) poussiert. Während Stellas Entbindung kommt es zum Schlimmsten.
"Endstation Sehnsucht": Schauspieler holen aus beklemmendem Stoff viel heraus

"Endstation Sehnsucht" zeichnet eine absolut kaputte Welt, ab 1947 zum Klassiker des US-Nachkriegstheaters avanciert, 1951 mit Marlon Brando als Kowalski prominent verfilmt. In Laura Linnenbaums Version wird die Endstation zur puren Sackgasse.
Betty Freudenberg zeichnet ihre neurotische Blanche fragil, gewinnt der Rolle aber immer wieder herzerfrischend witzige Noten ab. Häfliger gibt als brütend-aufbrausender Brutalo einen tollen Einstand und Raiko Küster überzeugt als unbeholfen-sympathischer Underdog mit weißem Unterhemd und Vokuhila-Frisur.
Er wird Blanche, wie Stanley und Kumpel Steve (Benjamin Pauquet) vergewaltigen, von Linnenbaum als Tanz (zu poetisch?) inszeniert, während die kettenrauchende Nachbarin Eunice (Katharina Behrens) traurige Weisen dazu singt. Live-Musiker Lothar Müller liefert staubig-verwehte Gitarren-Akkorde - traurig-schön.
Schade nur, dass der Text nicht aktualisiert wurde: Wenn der polnischstämmige Kowalski seine Geburt in Amerika rühmt und vom "besten Land der Welt" schwadroniert, dann wirkt das angesichts der aktuellen Nachrichtenlage nachgerade grotesk. Das Stück offenbart zudem einige Längen. Die wunderbaren Schauspieler aber holen aus dem beklemmenden Stoff viel heraus.
Titelfoto: Sebastian Hoppe