Raubkunst aus Tansania: Sachsen bereitet weitere Rückgaben von Kolonial-Objekten vor

Dresden - Vor nicht ganz einem Jahr gab die Bundesregierung eine Reihe von während der Kolonialzeit geraubten Bronzen des ehemaligen Königreichs Benin aus deutschen Museen an Nigeria zurück, darunter Objekte der Staatlichen Ethnografischen Sammlungen Sachsen (SES). Auch mit Tansania befinden sich die SES als Teil der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) in solchen Verhandlungen.

Mitglieder einer Delegation aus Tansania beim Besuch des Grassimuseums für Völkerkunde in Leipzig.
Mitglieder einer Delegation aus Tansania beim Besuch des Grassimuseums für Völkerkunde in Leipzig.  © SES

Anfang November besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (67) das afrikanische Land. Man sei bereit, offizielle Verhandlungen zu beginnen, um zu sehen, "wie wir mit dem kolonialen Erbe in unserem Land umgehen können", sagte die tansanische Präsidentin Samia Suluhu Hassan (63) anlässlich des Besuches.

Ihm sei es wichtig, "dass wir dieses dunkle Kapitel aufarbeiten, dass wir es gemeinsam aufarbeiten", so Steinmeier.

Tansania war Teil der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, die von 1885 bis 1918 bestand. Allein im sogenannten Maji-Maji-Krieg wurden zwischen 1905 und 1907 nach tansanischen Schätzungen bis zu 300.000 Menschen getötet. Viele Schädel und Gebeine liegen noch heute in deutschen Museen.

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Anders als im Fall der etwas mehr als 1000 Benin-Bronzen, die Ende des 19. Jahrhunderts von den Briten geraubt und später von deutschen Museen angekauft wurden, handelt es sich bei den Objekten aus Tansania um solche, die sich deutsche Kolonialisten unmittelbar selbst aneigneten, noch dazu in höherer Anzahl. Die SES mit ihren Standorten in Leipzig, Dresden und Herrnhut verfügen nach eigener Auskunft über ungefähr 6000 Objekte aus Tansania.

"Neben einigen zeitgenössischen Stücken wie modernen Tingatinga-Malereien und Makonde-Skulpturen aus der zweiten Hälfte 20. Jahrhunderts wurde der größte Teil dieses Sammlungsbestandes während der Kolonialzeit in die ethnologischen Museen in Sachsen verbracht", heißt es in einer Antwort der SES auf Frage von TAG24.

Diese Objekte seien vor allem von Personen ins Museum eingeliefert worden, "die im ehemaligen Deutsch-Ostafrika in unterschiedlichen Funktionen im Kolonialdienst, beispielsweise bei den Schutztruppen, arbeiteten".

Wann und in welchem Maße Rückgaben erfolgen, ist derzeit in Verhandlung

Viele Objekte kamen während der Kolonialzeit in die ethnologischen Museen in Sachsen.
Viele Objekte kamen während der Kolonialzeit in die ethnologischen Museen in Sachsen.  © SES, Isabell Reimann, AG Leipzig Postkolonial

Seit vier Jahren besteht eine Zusammenarbeit der SES mit Gemeinschaften der Kilimandscharo Region, einschließlich einer gemeinsamen Provenienzforschung.

Teil der Zusammenarbeit ist das Kooperationsprojekt einer Wanderausstellung mit Namen "Marejesho", an dem aus Tansania stammend die Institution Old Moshi Cultural Tourism, die deutsche Theatergruppe Flinn Works und der Verein Berlin Postkolonial beteiligt sind.

Eine erste offizielle Anfrage des Moshi District Council aus Tansania auf Rückgabe von Objekten, die in erster Linie menschliche Überreste meinte, erfolgte 2020. Mehrmals besuchten Delegationen aus Tansania die SES-Museen, so im April 2022 und vergangene Woche.

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Wann und in welchem Maße Rückgaben erfolgen, ist derzeit in Verhandlung. In den Sammlungsbeständen aus Tansania befänden sich etwa 300 Objekte aus der betreffenden Region, heißt es aus den SES. Den Vertretern aus Tansania gehe es zunächst hauptsächlich um Einzelstücke, die eine besondere Bedeutung für die Gemeinschaft hätten.

An erster Stelle der Aufarbeitung der Kolonialzeit stehe die Anerkennung des Unrechts und des Leids, welches der Verbleib von Ahnen und Kulturgütern in europäischen Museen heute für Herkunftsgemeinschaften bedeute, so SES-Direktorin Léontine Meijer-van Mensch (51) zu TAG24: In enger Zusammenarbeit mit Vertretern der Moshi Region am Kilimandscharo in Tansania arbeiteten die SES an der Rückführung der Ahnen und Objekte der Gemeinschaft, um einen gemeinsamen Prozess der Heilung voranzubringen.

Um Afrika geht es auch, wenn am morgigen Donnerstag im Grassi Museum der vierte Abschnitt des Zukunftsprogramms "Reinventing Grassi" eröffnet wird, unter anderem mit einer feministischen Schau im Ausstellungsbereich Benin sowie einer Ausstellung zum Forschungsprojekt "Umgekehrte Sammlungsgeschichte. Kunst und Kultur aus Kamerun in deutschen Museen".

Afrika bleibt, auch und besonders in Sachsen mit seinen großen Beständen, im Fokus der Aufarbeitung deutscher Kolonial- und Sammlungsgeschichte.

Titelfoto: SES

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