Schock in Dresdner Pflegeheim: Gerade erst eingezogen, schon steigen die Kosten extrem!
Dresden - Nach aufwendiger Suche hatte Lutz Hirche (53) endlich einen Pflegeplatz für seine Mutter Renate (83) in Dresden gefunden. Doch kaum war der Vertrag unterschrieben, flatterte schon die Preiserhöhung rein: 869 Euro mehr im Monat! Damit kann sich die Seniorin ihr Zimmer nicht mehr leisten - dabei war sie gerade erst eingezogen.
Nach dem Tod ihres Mannes Manfred (†85) im vorigen Jahr ging es der früheren Verkäuferin zunehmend schlechter. Sohn Lutz war froh, als er nach monatelanger Suche endlich ein schönes Heim fand.
Für das teilmöblierte Zimmer (16,25 Quadratmeter) mit Toilette sollte die Seniorin (Pflegegrad 3) inklusive Pflege einen Eigenanteil von monatlich insgesamt 1877 Euro bezahlen. Das passte, denn mit ihrer Witwenrente kommt Renate auf rund 2150 Euro Einnahmen.
Mitte März zog sie in die Seniorenresidenz Pohlandplatz ein, wo sie ihren Lebensabend verbringen wollte. Doch keine zwei Wochen später kündigte das Heim eine "Entgelterhöhung" an.
Der Tagessatz soll (vorbehaltlich der Bestätigung der Sozialleistungsträger) von 104 auf 132 Euro steigen, also 869 Euro mehr im Monat.
"Anstatt 1878 Euro soll sie künftig 2747 Euro pro Monat bezahlen", sagt Lutz. "Selbst wenn sie jetzt Sozialhilfe (gemeint ist die Grundsicherung, d. Red.) beantragen würde, bliebe ihr dann nichts mehr übrig. Dabei hat sie ein Leben lang gearbeitet."
Der Sohn ist sauer: "Warum wurde das beim Vertragsgespräch nicht offen angekündigt? Dann hätten wir diesen Platz gar nicht erst genommen!"
Nirgendwo im Bundes-Durchschnitt so hohe Kosten wie am Pohlandplatz
Die Geschäftsführerin der privaten Pflege-Einrichtung, Ines Frickenhaus (58), teilt lapidar mit, die Erhöhung sei "fristgemäß angekündigt" worden.
"Die Entgeltanpassung reflektiert die ab April eintretende Erhöhung der Mindestlöhne, so wie die durch das Tariftreuegesetz uns auferlegten massiven Lohnerhöhungen", sagt sie. Zudem hätten auch Lieferanten und Dienstleister Preise erhöht.
Allerdings: So hohe Pflegekosten gibt es im Bundes-Schnitt aktuell nirgends.
Lutz Hirche sucht jetzt einen neuen Heimplatz für seine Mutter. "Sie ist seelisch angeschlagen. Es sollte doch ihr letzter Umzug werden. Nun geht der Stress weiter."
So steigen die Pflegekosten
Immer mehr Menschen im Freistaat sind pflegebedürftig. 1999 waren es gut 118.000, zehn Jahre später schon fast 132.000. Zuletzt wurden 2019 mehr als 250.000 Sachsen (knapp zwei Drittel davon Frauen) gezählt, von denen rund 50.000 in Pflegeheimen untergebracht waren.
Auch die Kosten für Pflegeplätze steigen. Die Versicherungen zahlen nicht alles. Der Eigenanteil (besteht u.a. aus Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Investitionen und Einrichtungs-Eigenanteil) betrug im Freistaat im Jahr 2018 durchschnittlich noch 1149 Euro pro Monat. In diesem Jahr sind schon 1869 Euro fällig.
Schwacher Trost: Im Bundesschnitt sind es 2179 Euro. Am günstigsten ist derzeit Sachsen-Anhalt (1588 Euro), am teuersten Nordrhein-Westfalen (2542 Euro).
Kommentar: Senioren als Bittsteller
Ein Kommentar von Hermann Tydecks
Bloß nicht pflegebedürftig werden im Alter! Das ist die bittere Erkenntnis, was das Thema der immer weiter steigenden Pflegekosten betrifft. Vor allem wer in Heimen untergebracht ist, muss jetzt mit teils massiven Preiserhöhungen in Höhe mehrerer Hundert Euro pro Monat rechnen.
Damit dürfte für noch mehr Senioren die ohnehin mickrig ausfallende Rente nicht mehr ausreichen. Was dann noch bleibt, ist der Gang zum Sozialamt. Das übernimmt die ungedeckten Kosten - sofern die Kinder nicht "zu viel" verdienen (heißt: über 100.000 Euro Bruttojahreseinkommen). Doch wer will nach bis zu 50 Jahren Arbeit schon gerne Bittsteller werden?
Schon 2017 musste jeder fünfte sächsische Pflegeheimbewohner auf das Sozialamt zurückgreifen - seitdem ist die Zahl der Antragsteller weiter gestiegen und wird sich in diesem Jahr nochmals stark erhöhen. Denn wer bekommt schon 1869 Euro Rente - so viel kostet ein Pflegeheimplatz Senioren aktuell im Freistaat im Schnitt.
Die seit Jahresanfang in Kraft getretene Pflegereform reicht nicht aus. Sie kann auch die durch den Mindestlohn gestiegenen Kosten der Heimbetreiber, die diese auf ihre Bewohner umlegen, nicht kompensieren. Die gestaffelte Entlastung für Senioren greift viel zu kurz, nützt vor allem neuen Heimbewohnern so gut wie nichts.
Titelfoto: Montage: Eric Münch, privat