Mehr Natur, mehr Flutschutz: Dresden reißt die Gräben auf
Dresden - Zu DDR-Zeiten wurden in Dresden zahlreiche Gewässer unter die Erde "verbannt", um mehr Raum für Bau und Landwirtschaft zu haben.
Nach der verheerenden Jahrhundertflut 2002 setzte ein Umdenken ein: Seitdem befreit die Stadt Stück für Stück die Bäche aus ihren unterirdischen Korsetts, was nicht nur Pflanzen und Tieren nützt, sondern auch dem Schutz vorm nächsten Hochwasser.
Seniorin Isolde Russig (73) steht auf ihrem Acker im Dresdner Osten zwischen Weißig und Quohren, wo sie auch aufwuchs. Was sie vor einem halben Jahrhundert selbst erlebte, geschah damals auf vielen Feldern.
"Die LPG wollte mehr Land nutzen, also hat man alles, was störte, weggemacht", erinnert sie sich. Um 1973 wurden auch der Wiesengraben-Ost verrohrt. "Ich freue mich so sehr, dass nach 50 Jahren wiedergutgemacht wird, was damals kaputt gemacht wurde."
Es war ein langer Weg, um die Gewässer (mit Quohrener Feldgraben) über 2,3 Kilometer Länge aus den Betonrohren zu befreien, entlang des Bachbettes 6000 Gehölze (etwa Brombeere, Holunder) zu pflanzen.
Umweltamtsleiter Herold voll des Lobes
2007 begannen die Planungen, mehrere Landeigentümer mussten für Teilflächen entschädigt werden. Insgesamt investierte die Stadt 3,12 Millionen Euro.
Libellen, Fliegen und Mücken sind am Bach schon angekommen. Zäune schützen die jungen Gewächse vorübergehend vor hungrigen Rehen. Auch drei Traubeneichen wurden gestern neu gepflanzt.
"Die Gewässer-Renaturierung ist wie eine eierlegende Wollmilchsau", sagt der neue (noch kommissarische) Umweltamtsleiter René Herold (44).
"Davon profitieren Tiere, Pflanzen, Biodiversität und unser Hochwasserschutz." Denn das oberirdische Gewässer kann jetzt viel mehr Wasser aufnehmen, der Scheitelpunkt bei einem möglichen Hochwasser liegt dann niedriger. Millionenschäden, wie es sie wegen Starkregens auch in Weißig gab, sollen so verhindert werden.
Stück für Stück wird Dresden so grüner und sicherer. Erst im Sommer wurde der Podemuser Hanggraben im Zschonergrund offengelegt. Insgesamt beförderte die Stadt seit 2002 mehr als 20 Kilometer unterirdische Bäche wieder ans Tageslicht, dafür flossen rund 35 Millionen Euro.
Titelfoto: Steffen Füssel