Mein Tag als Cheerleader: Schon nach dem Warm-up röchele ich wie ein Staubsauger mit Wackelkontakt
Dresden - Wer denkt, Cheerleading sei nur ein bisschen mit Pompoms wedeln und dabei nett lächeln, der hat noch nie ein echtes Cheerleader-Training mitgemacht. Ich jedenfalls dachte, ich komme da locker mit - und wurde eines Besseren belehrt. Spoiler: Mein Körper weiß jetzt, dass er Muskeln besitzt, von denen er vorher noch nicht mal geträumt hat.

Los ging’s ganz harmlos: bisschen warmlaufen. Ich lächelte noch - das verging mir schnell. Trainerin Saskia (29) zauberte aus dem Nichts ein Aufwärmprogramm, das vermutlich ursprünglich fürs Bootcamp entwickelt wurde.
Planks, Liegestütze, Handstandversuche ... und ich mittendrin, röchelnd wie ein Staubsauger mit Wackelkontakt. Wie lang das Warm-up ging? Keine Ahnung. Für mich war es eine Ewigkeit.
Dann bereits in der Erwärmung mein erster Handstand seit Jahrzehnten. Der erste Versuch? Irgendwo zwischen sterbender Schwan und umfallender Ikea-Lampe. Wenn es für unfreiwillige Yoga-Posen eine Olympiade gäbe, hätte ich damit Gold geholt.
Der zweite Versuch: Na ja, immerhin stand ich - allerdings nur, weil Matze (28) meine Beine festhielt. Mein Körper und mein Kopf waren sich eh nicht einig, wer hier eigentlich das Sagen hat.

Die Stunts erfordern viel mehr Kraft, als man denkt

Dann ging es ans Tumbling, also Akrobatik wie beim Bodenturnen. Während die anderen Flickflacks und Saltos machten, gönnte ich mir erst mal eine Pause - offiziell, weil ich keine Saltos kann, inoffiziell, weil ich schon jetzt fix und fertig war. Und ehrlich, schon beim Zuschauen wurde mir schwindelig.
Dann wurde es ernst: Stunts. Ich dachte noch: Cool, ich darf spotten, bisschen daneben stehen und dramatisch gucken. Denkste!
Saskia sagte: "Du hebst mich hoch." Also griff ich ihren Fuß und das Knie, Thomas (34) half, Saskia stemmte sich ab, ich drückte ... und plötzlich stand sie über mir. Mein Rücken im Hohlkreuz. Großer Fehler. Sehr schmerzhaft.
Beim zweiten Mal war es schon besser, beim dritten Mal sah es fast aus wie bei den Profis. Zumindest in meiner Vorstellung. Ich drückte. Dann der Endgegner: Hochheben mit gestreckten Armen.
Mein Gesicht sagte "Entschlossenheit", meine Arme sagten "Feierabend". Dank Spotterhilfe schafften wir es irgendwie - und ich bin mir fast sicher, für zwei Sekunden sah es professionell aus. Also vielleicht eine Sekunde. Von hinten. Mit viel Nebel.

Cheerleading ist mehr als das amerikanische Klischee

Am Ende des Trainings wusste ich nicht mehr, wo oben und unten ist. Saskias Fazit: "Ich habe gesehen, bei der Erwärmung hast Du schon ganz schön gekämpft. Aber cool, dass Du mitgemacht hast."
Wenn das kein Ritterschlag ist, weiß ich auch nicht - mein Körper jedenfalls verneigt sich. Also innerlich. Weil äußerlich geht grade nix mehr.
Cheerleading ist definitiv mehr als amerikanisches Klischee. Es ist ein echter Sport, der alles fordert - und dabei auch noch richtig Spaß macht.
Teil 8 der Serie: Mein Tag im Klärwerk lest Ihr hier.

Darum geht's bei diesem Sport
Cheerleading wurde ursprünglich in den USA erfunden. Seit den 1980ern hat sich Cheer zu echten Shows mit Akrobatik, Tanz und Stunts entwickelt. Für das klassische Tanzen mit Pom-Poms gibt es eigene Kategorien - das heißt Cheerdance.
Cheerleading besteht heute aus Tosses (Würfen), Stunts, Pyramiden und Tumbling - alles muss sitzen, besonders wenn 24 Leute auf engem Raum durch die Luft fliegen.
Der Lunatics Cheerleader Verein (LCV) Dresden hat es letzte Saison sogar bis zur WM nach Orlando (USA) geschafft und gewann außerdem über die Jahre etliche Landes- und Regionalmeister- sowie auch einige Deutsche Meistertitel. Das Ziel beim LCV ist die Förderung von Cheerleading als Breiten- und Leistungssport.
Titelfoto: Bildmontage: Eric Münch